Dänemarks Immobilienmarkt Das dänische Hypothekenproblem

Der dänische Häusermarkt ist auf Kante genäht: Rasch steigende Immobilienpreise, negative Zinsen für kurzfristige Kredite, getilgt wird nicht. Die Folge: hoch verschuldete Dänen und das wachsende Risiko, dass die Immobilienblase platzt. Jetzt warnt die größte Hypothekenbank des Landes.

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Der Immobilienmarkt in Dänemark droht außer Kontrolle zu geraten. Quelle: dpa

Wenn die größte Hypothekenbank eines Landes vor dem Platzen einer Immobilienblase warnt, sollten das Hauskäufer und -finanzierer Ernst nehmen. So geschehen in Dänemark, wo die Bank Nykredit vergangene Woche deutliche Worte fand. Der Immobilienmarkt in Dänemark drohe vor allem in Städten "außer Kontrolle" zu geraten, hieß von Seiten Nykredits.

Langfristig niedrige Zinsen wiegen die Kreditnehmer auf Dänemarks Häusermarkt in Sicherheit. "Konkret besteht die Gefahr, dass die Dänen das Risiko nicht sehen, dass die Zinsen auch wieder steigen werden," hieß es von Tore Stramer, dem leitenden Analysten bei Nykredit in Kopenhagen am Freitag. Das erhöhe das Risiko eines erheblichen Rückgangs der Hauspreise, wenn die Zinsen ab einem gewissen Zeitpunkt wieder steigen werden.

Anders als in Deutschland war es Dänemark seit langem üblich, Immobilien zu 100 Prozent und mehr zu finanzieren. Inzwischen sehen die Regularien einen Eigenkapitalanteil von nur fünf Prozent vor. Üblich ist aber kein Annuitätendarlehen mit gleichbleibenden Raten, zunehmender Tilgung und Zinsbindung über zehn Jahre und mehr wie in Deutschland, sondern eher das genaue Gegenteil. Die Zinsen sind nur kurzfristig festgeschrieben oder ganz variabel, eine Tilgung ist oftmals nicht nötig, teilweise nicht einmal gewünscht. Das gesamte Finanzierungsmodell fußt vielmehr auf der Annahme, dass die Immobilienpreise steigen und somit den Wert der schuldenfinanzierten Immobilie sukzessive erhöhen. Mit dieser Art der Finanzierung hat sich der dänische Immobilienmarkt nun in gefährliches Terrain manövriert.

Die dänische Zentralbank gibt seit vier Jahren negative Zinssätze vor. Thomas F. Borgen, Chief Executive Officer der Danske Bank, zufolge arbeiten seine Manager unter der Annahme, dass Zinsen "mindestens" bis 2018 nicht positiv werden, wobei Großbritanniens EU-Austritt zu dem Risiko beiträgt, dass Zinsen sogar länger negativ bleiben.

Die negativen Zinsen in Dänemark sind eine Folge einer Zentralbankmaßnahme, die die Landeswährung Krone gegen den Euro verteidigen soll. Der Leitzinssatz lag fast im gesamten letzten Jahr bei -0,75 Prozent, obwohl die Bank ihn im Januar um zehn Basispunkte auf -0,65 Prozent erhöht hat, um die Maßnahme zu normalisieren.

In diesen Ländern steigen die Preise am stärksten
Preisindex für Wohnimmobilien Quelle: dpa
Singapur und Hongkong und Taiwan Quelle: dpa
Brasilien, Indien und Südafrika Quelle: REUTERS
BRIC-Staaten Quelle: dpa
Europa Quelle: dpa
Großbritannien und USA Quelle: REUTERS
Frankfurt Quelle: dpa

Negativzins für die Immobilienfinanzierung

Kein anderes Land weltweit hat für einen längeren Zeitraum negative Zinsen erlebt als Dänemark. Das hat für viele Dänen die Baufinanzierung oder den Immobilienkauf leichter bezahlbar gemacht. Dänen können kurzfristige Hypotheken zu negativen Zinssätzen bekommen und zahlen sogar weniger als die US-Regierung für ihre Staatsanleihen, wenn sie einen Kredit auf 30 Jahre aufnehmen. Lediglich die Abschluss und Verwaltungsgebühren der Hypotheken führen dazu, dass ein solches Darlehen dem Kreditnehmer nicht auch noch Geld einbringt.

Trauriger Rekord

Selbst das Wall Street Journal berichtete im April über eine dänischen Familie, die zehn Jahre nach dem Immobilienkauf und diversen Zinsverhandlungen mit der Bank seit dem Sommer 2015 sogar Geld gutgeschrieben bekommt, wenn die Standmitteilung der Hypothekenbank ins Haus flattert.

Die niedrigen Zinsen haben dafür gesorgt, dass sich die Immobilienpreise besonders kräftig und schnell erholt haben. Die Wohnungspreise in Dänemark liegen derzeit ungefähr fünf Prozent über dem alten Höchststand aus dem Jahr 2006. Damals platzte bereits eine Immobilienblase und die Wohnungspreise fielen bis 2009 um etwa 30 Prozent. “Man sollte sich daran erinnern, dass es ein großes Risiko gibt, dass Häuserpreise einen dramatischen Verfall sehen, auch wenn wir keine Blase im klassischen Sinn sehen”, sagte Stramer.

Seit dem Tiefpunkt des Immobilienmarktes 2009 sind die Wohnungspreise in Dänemark kräftig geklettert. Die Nordea Bank schätzte den Preisanstieg noch im Frühjahr auf ein Plus von 50 Prozent, in Kopenhagen ist es sogar noch deutlich mehr. Das Problem: Das Einkommen der Dänen hat sich deutlich langsamer nach oben entwickelt. Selbst in Kopenhagen ist es im gleichen Zeitraum nur um etwa 20 Prozent gestiegen.

Der Internationale Währungsfonds warnte deshalb schon im Mai vor einer Immobilienblase in Dänemark und forderte das Land auf, etwa gegen die steigenden Immobilienpreise zu unternehmen. So könnten Zonenregelungen dazu beitragen, den Anstieg der Häuserpreise zu bremsen, auch sei eine Flexibilisierung im Mietwohnungsmarkt hilfreich.

In diesen Städten stößt der Bauboom an seine Grenzen
Berlin2015 wurden in Deutschland 309.000 Wohnungsbaugenehmigungen erteilt. Nur ein Drittel aller Genehmigungen entfielen auf kreisfreie Großstädte, womit die Zahl weitestgehend stagnierte. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Bei den sieben größten Städten Deutschlands ragt Berlin hingegen hervor. Hier stieg die Zahl erteilter Genehmigungen von 19.272 im Jahre 2014 auf 22.361 im vergangenen Jahr.Veränderungen: + 16 Prozent**Erteilte Genehmigungen 2015 im Vergleich zu 2014 Quelle: dpa
Big Seven mit BerlinTrotz der gestiegenen Zahl genehmigter Wohnungsbauten in der Bundeshauptstadt hat die Gesamtzahl der „Big Seven“ (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf) abgenommen. Wurden in den größten Städten Deutschlands 2014 noch 52.497 Genehmigungen erteilt waren es 2015 nur noch 50.927. „Das erreichte Baugenehmigungsniveau in den Großstädten ist zwar sehr beachtlich. Angesichts der hohen Preise in den Kernstädten suchen sich aber immer mehr Bauherren bezahlbarere Alternativen im Umland“, sagt BBSR-Direktor Harald Herrmann.Veränderung: - 3,0 Prozent Quelle: dpa
Big Seven ohne BerlinNimmt man Berlin aus der Statistik der größten deutschen Städte heraus, ist die Zahl der Genehmigungen noch deutlicher zurückgegangen. 2014 lag sie bei 33.225, ein Jahr später sank sie auf 28.566. Dafür nehmen die Genehmigungen in großstadtnahen und ländlichen Kreisen zu.Veränderung: - 14,0 Prozent Quelle: dpa
StuttgartEine Ausnahme bei den „Big Seven“ bildet neben Berlin auch Stuttgart. Vor zwei Jahren wurden hier 1936 Genehmigungen für den Wohnungsbau erteilt, 2015 waren es 2055.Veränderung: + 6,0 Prozent Quelle: dpa
MünchenErstaunlich wacker hält sich der Wohnungsmarkt in München. Trotz der hohen Preise sank hier die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen nur leicht von 8566 auf 8445 im vergangenen Jahr.Veränderung: - 1,4 Prozent Quelle: dpa
FrankfurtÄhnlich angespannt ist die Preislage auf dem Frankfurter Immobilienmarkt. Auch hier sind die Mietpreise bereits in astronomische Höhen geschossen. Im Gegensatz zu München macht sich das allerdings auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt bemerkbar. Die Zahl der Genehmigungen ist in der Finanzmetropole von 5138 auf 4681 gesunken.Veränderung: - 8,9 Prozent Quelle: dpa
KölnWer schon einmal nach einer bezahlbaren Wohnung in Köln gesucht hat, dürfte um die Probleme gut Bescheid wissen. Kaum ein Wohnungsmarkt in Nordrhein-Westfalen ist so überhitzt wie der Kölner. Und daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern, blickt man auf die Entwicklung der Genehmigungsanzahl. 2014 wurde noch 3752 Genehmigungen erteilt, 2015 waren es nur noch 3389. „Eine entscheidende Stellschraube für die Großstädte ist es daher, Wohnbauflächen zu vertretbaren Preisen zu aktivieren“, betont Herrmann.Veränderung: - 9,7 Prozent Quelle: dpa

Schon jetzt sind die Dänen mit dem dreifachen ihres verfügbaren Jahreseinkommens verschuldet – in den westlichen Industrieländern ist das ein trauriger Rekord. Die hohen Immobilienpreise sorgen dennoch für eine Vermögensillusion, die sich schnell in Luft auflösen könnte, wenn die Blase platzt.

Einen Vorteil haben die ultra-niedrigen Zinsen für Hauskäufer jedoch: Die Kreditausfälle sind auf einem historisch niedrigen Niveau, nur 0,19 Prozent der Ratenzahlungen fallen aus. Aber auch hier besteht die große Gefahr, dass sich die Ausfallrate dramatisch erhöht, sollten die Zinsen eines Tages wieder ein Niveau von zwei oder drei Prozent erreichen. Noch haben die Dänen etwas Zeit, bis es soweit ist. Aber schon in ein paar Jahren, so glauben dänische Experten, könnte es mit den Zinsen wieder aufwärts gehen.

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