Der Brexit und die Folgen Das London-Problem deutscher Immobilienfonds

Britische Immobilienfonds liegen auf Eis. Anleger kommen nicht mehr an ihr Geld. Bei deutschen Fondsanlegern ruft das böse Erinnerungen an die Fondskrise des Jahres 2008 wach. Dabei ist heute alles anders.

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Sichere und rentierliche Investments nach dem Brexit

Das Brexit-Votum der britischen Wähler sorgt nicht nur an den Börsen und Devisenmärkten für Turbulenzen. Zu den Opfern des „No!“ der Wähler zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) gehören seit Montag auch britische Immobilienfonds. Gleich fünf von ihnen, darunter der größte des Landes mit umgerechnet allein 5,2 Milliarden Euro Volumen, stellten den Handel mit Fondsanteilen ein. Zu viele Anleger hatten aus Furcht vor sinkenden Immobilienpreisen und Renditen aussteigen wollen und gaben Anteile zurück. Wer nicht schnell genug war, kommt jetzt nicht mehr an sein Geld.

Wo die großen Brexit-Baustellen sind

Bei deutschen Fondsanlegern weckt das unangenehme Erinnerungen an das Jahr 2008. Damals – unmittelbar nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers - hatten sich auch Hunderttausende deutsche Anleger auf einen Schlag die Anteile an ihren Fonds auszahlen lassen. Die Folge: Den Fondsgesellschaften gingen die Barmittel aus, sie mussten die Notbremse ziehen und die Rücknahme von Fondsanteilen aussetzen. Zeitweise lagen 34 Milliarden Euro an Kundengeldern auf Eis. Acht Fonds blieben dauerhaft eingefroren und mussten am Ende abgewickelt werden – ein Prozess, der bis heute nicht vollständig abgeschlossen ist. Anlegern bescherte die Krise der Fonds bis dato schätzungsweise vier Milliarden Euro Verlust.

Drohen deutsche Fonds jetzt erneut so in Bedrängnis zu kommen wie vor sechs Jahren? Schließlich sind auch die hiesigen Anbieter offener Immobilienfonds in Großbritannien engagiert. Nach Angaben des Branchenverbands BVI liegt der Anteil von Immobilien in Großbritannien über die gesamte Branche gesehen bei rund zehn Prozent.

Sollten Mieten und Preise sinken, würde sich dies auch negativ auf die Werte der Immobilien in deutschen Fonds auswirken, damit den Anteilswert senken und die Rendite schmälern. Spätestens dann könnten Fondsanleger über einen Verkauf ihrer Anteile nachdenken.

Tatsächlich konzentriert sich der Großteil der Investments deutscher Fonds auf London, dem bei weitem bedeutendsten europäischen Markt für Bürogebäude, Shoppingcenter oder Hotels. Und insbesondere in der britischen Hauptstadt dürften die Preise für Gewerbeimmobilien durch das Brexit-Votum unter Druck geraten. Experten erwarten Wertverluste im Bereich von zehn bis 15 Prozent.

Allerdings sind die einzelnen deutschen Fonds in Großbritannien sehr unterschiedlich engagiert: Im Hausinvest etwa, einem Immobilienfonds der Commerz Real Gruppe, liegt der Anteil britischer Immobilienwerte bei fast 25 Prozent.

Beim Fonds Uni-Immo Europa von Union Investment Real Estate, Fondstochter der Volks- und Raiffeisenbanken und größter deutscher Anbieter von Immobilienfonds, liegt der Anteil bei gerade fünf Prozent. Im weltweit investierenden Global-Fonds von Union Investment ist der Anteil mit knapp zwölf Prozent gemessen an den Verkehrswerten aber mehr als doppelt so hoch. Auch im Deka-Fonds Immobilien Europa aus der Sparkassenfamilie sind mit 18 Prozent der Immobilienwerte große Summen im Vereinigten Königreich investiert.

Torsten Knapmeyer, Chef  des Fondsmanagements von Deka Immobilien, sieht keine Anzeichen für eine Gefahr. „Bei unseren Immobilienfonds mit signifikanten Anteilen von Objekten in Großbritannien spüren wir kein geändertes Kundenverhalten. Es werden keine Anteile auf Grund des Brexits zurückgegeben“, sagt Knapmeyer.

Deutsche Fonds schwimmen im Geld


Allzu viele Sorgen über erneute Rückgaben auf breiter Front müssen sich Immobilienfondsanleger derzeit wohl nicht machen. Denn erstens wurden nach der letzten Krise die gesetzlichen Regeln für offene Immobilienfonds radikal verändert.

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Das „WTO“-Modell Quelle: REUTERS

War es damals möglich, Fondsanteile täglich zurückzugeben – also genauso wie etwa bei Aktienfonds – gibt es heute lange Kündigungsfristen. Mindestens zwölf Monate im Voraus müssen Fondsanleger ihrer Gesellschaft mitteilen, ob und in welcher Höhe sie Anteile gegen Bares tauschen wollen. Das verschafft den Gesellschaften einen zeitlichen Puffer, um notfalls die erforderlichen liquiden Mittel zu beschaffen – zum Beispiel, indem sie Gebäude verkaufen.

Für Neukunden schreibt das Kapitalanlagegesetz darüber hinaus eine zweijährige Haltefrist vor. Weil bereits innerhalb dieser Frist mit Zwölfmonatsfrist gekündigt werden kann, haben Fonds bei allen neu abgeschlossenen Verträgen also nicht nur ein, sondern sogar zwei Jahre Zeit, um Liquidität und Rückgabevolumen zu synchronisieren.

Zweitens schwimmen deutsche Fondsgesellschaften derzeit förmlich in Geld. 2,8 Milliarden Euro flossen zwischen Januar und April 2016 in offene Immobilienfonds – mehr als doppelt so viel wie in den ersten vier Monaten des Jahres 2015. Und so schnell, wie die Fondsgesellschaften Geld einsammeln, können sie es auf den weltweit zurzeit hart umkämpften Immobilienmärkten gar nicht ausgeben.

Deshalb verzichten die Union-Fonds und der Grundbesitz Europa aus dem Hause Deutsche Bank vorläufig auf neue Kunden. Der Verkauf von Anteilen wurde kurzerhand gestoppt.

Ob die Brexit-Sorgen deutsche Anleger also aus den offenen Immobilienfonds vertreiben, welche Folgen dies hat, und vor allem ob sich die neuen gesetzlichen Regelungen bewähren, wird sich erst nach und nach zeigen. Der momentane Run der Deutschen auf Immobilienanlagen in fast jeder Form spricht jedenfalls eher dagegen.

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