
Die Stimmen, die einräumen, dass sich eine energetische Sanierung der Wohngebäude in Deutschland nicht rechnet, mehren sich - selbst unter Politikern und den Informationsstellen der Bundesregierung. Aufschlussreich ist etwa das kürzlich erschienene Buch "Energieeffizienz in Gebäuden - Jahrbuch 2013" von Jürgen Pöschk. Darin haben sich neben EU-Energiekommissar Günther Oettinger und Bundesbauminister Peter Ramsauer auch zahlreiche Verbandsspitzen, Wissenschaftler und weitere Experten zum Thema geäußert. Das ist nicht nur interessant für Handwerksbetriebe, Dämmstoffindustrie und Energieberater, sondern auch für Wähler, die eine Haussanierung planen - und dabei auf staatliche Unterstützung für energetische Maßnahmen hoffen.





Finanzielle Anreize für die Gebäudesanierung werden früher oder später auch kommen - und auch strengere Vorschriften oder Strafzahlungen für Sanierungsverweigerer sind vorstellbar, wie aus diversen Beiträgen im Jahrbuch hervorgeht. Fest steht: Sowohl Energiekommissar Oettinger als auch Bundesbauminister Ramsauer drücken aufs Tempo, damit bis 2050 ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand erreicht wird. Immerhin: Um Gebäude-, Haus- und Wohnungseigentümer nicht zu überfordern, bekenne sich die Regierung klar zum Grundsatz der generellen Wirtschaftlichkeit als wesentliche Voraussetzung für eine deutsche Erfolgsgeschichte hinsichtlich der energetischen Gebäudesanierung. Wann aber ist eine Sanierung hinsichtlich der eingesparten Energie wirtschaftlich?
Die teure nachträgliche Isolierung von Gebäudefassaden gilt unter Kritikern generell als unwirtschaftlich. Befürworter hingegen betonen nachweisbare Einspareffekte von Erfolgsbeispielen oder Modellprojekten, stellen sie jedoch kaum den Kosten der tatsächlichen Energieeinsparung gegenüber. Die Hauseigentümer sind offenbar verunsichert und halten sich weiter mit energetischer Gebäudesanierung zurück, die Sanierungsquote sank zuletzt unter ein Prozent des Bestands. Dabei müsste sich die Sanierungsquote in Deutschland mindestens verdoppeln, um die Energiesparziele der Bundesregierung zu erreichen. Offenbar fehlen jedoch ausreichende Anreiz- und Fördersysteme, um die berechtigten Zweifel an der Wirtschaftlichkeit unter den Immobilieneignern zu zerstreuen.
Die spannendsten KfW-Programme
Gefördert werden der Kauf oder Bau einer Immobilie mit einem Darlehen in Höhe von maximal 50.000 Euro zu Zinssätzen ab 1,97 Prozent. Kreditnehmer können bis zu hundert Prozent der Gesamtkosten finanzieren, die Zinsbindung beträgt fünf oder zehn Jahre.
Die Förderbank honoriert den Bau oder Kauf eines Energieeffizienz- oder Passivhauses mit günstigen Krediten und Zuschüssen. Bauherren müssen allerdings bestimmte Vorgaben erfüllen. Für einen Effektivzins ab 1,41 Prozent können Kunden bis zu 50.000 Euro leihen. Außerdem lockt ein Tilgungszuschuss von bis zu 5.000 Euro. Das Programm lässt sich mit weiteren Fördermitteln kombinieren.
Dieses Programm fördert Einzelmaßnahmen mit einem Darlehen in Höhe von maximal 50.000 Euro und einem Effektivzins ab einem Prozent. Geförderte werden Eigentümer, Käufer oder Mieter. Die KfW fördert energetische Sanierungen darunter unter anderem Wärmedämmung, Erneuerung von Fenstern und Türen oder eine neue Heizung. Kreditnehmer müssen einen Energieberater hinzuziehen. Das Programm lässt sich mit weiteren Fördermitteln kombinieren.
Hier profitieren Käufer oder Besitzer eines KfW-Effizienzhauses oder denkmalgeschützter Häuser. Auch Mieter können zugreifen. Die KfW vergibt Kredite bis zu 75.000 Euro zu einem Effektivzins ab einem Prozent. Zusätzlich lockt ein Tilgungszuschuss in Höhe von maximal 12,5 Prozent der Kreditsumme. Der Zuschuss steigt mit dem erreichtem Energiesparlevel.
Dieses Programm gilt bei umbauten, die Barrieren aufheben oder die Wohnqualität für Senioren steigern. Das Darlehen zu einem Effektivzins in Höhe von einem Prozent gilt für alle förderfähigen Kosten bis zu einer Summe von 50.000 Euro. Die Zinsbindung gilt für fünf oder zehn Jahre, die Laufzeit beträgt bis zu 30 Jahre. Es besteht außerdem die Möglichkeit, ein endfälliges Darlehen mit einer Laufzeit von maximal acht Jahren abzuschließen. Das Programm können Eigentümer, Vermieter oder Mieter nutzen.
Wer den Einbau einer Solaranlage oder Kraft-Wärme-Kopplung plant, sollte dieses Angebot nutzen. Regenerative Energien werden mit Darlehen in zu einem Effektivzinssatz ab einem Prozent gefördert. Interessant könnte für viele auch die Option von bis zu drei tilgungsfreien Jahren zu Beginn des Darlehens sein. Die Zinsbindung beträgt zehn Jahre, die maximale Laufzeit 20 Jahre. Der maximale Kreditbetrag liegt bei mehreren Millionen Euro.
Was CDU und SPD nach der Wahl planen
Was die verschiedenen Parteien zur Förderung und Regelung der Bestandssanierung planen, hat Jahrbuch-Herausgeber Pöschk bei den Bundesparteigremien in Form von Wahlprüfsteinen abgefragt. Und hier unterscheiden sich schon die Grundannahmen der beiden großen Volksparteien deutlich.
CDU und CSU gehen in ihrer Antwort davon aus, dass 75 Prozent des Gebäudebestandes noch vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1977 errichtet wurden und daher unverhältnismäßig viel Energie verbrauchen. Durch fachgerechtes Sanieren und moderne Gebäudetechnik könnten "teilweise bis zu 80 Prozent des Energiebedarfs" eingespart werden. Das Ziel der Unionsparteien: den "Wärmebedarf des Gebäudebestandes bis 2020 um 20 Prozent zu senken". Die CDU setzt dabei auf freiwillige Investitionen, die sie fördern und weiterhin mit einem breiten Informations- und Beratungsangebot unterstützen will. Sie setzt auf Kontinuität in der Förderung, die mittelfristig und marktgerecht erhöht werden soll. Zudem hält sie am Plan der steuerlichen Förderung von energetischer Gebäudesanierung fest, die bisher die Opposition im Bundesrat verhinderte.
SPD glaubt nicht an Amortisation





Die SPD geht in ihrer Stellungnahme zu den Wahlprüfsteinen hingegen davon aus, dass 95 Prozent des Gebäudebestandes nach den ihr vorliegenden Zahlen teilsaniert und damit nicht in so drastisch schlechtem Zustand seien, wie oftmals angenommen. Um die Sanierungsquote bis 2020 auf jährlich zwei Prozent des Gebäudebestandes zu verdoppeln, bedürfe es einer angemessenen finanziellen Förderung sowie der Konzentration auf kleinteilige Maßnahmen anstelle der hohen Anforderungen an das Gesamtgebäude. "Da die Einsparungen an Energiekosten nie die nötigen Investitionen - auch nicht langfristig - amortisieren, müssen wir die richtigen Förderinstrumente als Ausgleich und Entlastung bereitstellen." Eine qualifizierte Beratung soll dafür sorgen, dass sich die Sanierung nicht nur an energetischer Einsparung, sondern auch an den finanziellen und lebenswirklichen Bedingungen des Einzelnen und der Wohngegend orientiert - und damit an den effizientesten Maßnahmen anstelle der maximal möglichen und teuersten.
Das klingt nach energetischer Sanierung mit Außenmaß, Sachverstand und scharfem Wirtschaftlichkeitskalkül. Stand bisher die Komplettsanierung im Fokus von Fachleuten und Politik, scheint sich der Blickwinkel nun auch auf die ersten Schritte einer energetischen Gebäudesanierung auszuweiten. Diese Betrachtungsweise ist sicherlich praxisnäher, birgt jedoch die Schwierigkeit, dass der Beratungsaufwand zunimmt und die Vorausberechnung der erzielbaren Einspareffekte mit noch mehr Ungenauigkeiten behaftet ist.
Bekannten Dämmkritikern wie dem fränkischen Architekten Konrad Fischer oder Norbert Deul von der Schutzgemeinschaft für Wohnungseigentümer und Mieter geht das nicht weit genug. Sie halten Wärmedämmung und Energiesparfenster grundsätzlich für ineffektiv und fürchten, dass Hausbesitzer und Mieter die Kosten für die teuren Sanierungen tragen müssen, ohne dass dem jemals eine Energieersparnis in vergleichbarer Höhe gegenübersteht. Sie plädieren dafür, die ganzen Vorschriften für Sanierungswillige, wie sie in der Energie-Einsparverordnung festgelegt sind, zu streichen und alles dem gesunden Eigeninteresse der Immobilienbesitzer nach geringeren Energiekosten zu überlassen.
Christian Stolte, Bereichsleiter "Energieeffiziente Gebäude" bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Berlin - die sich als halbstaatliche Institution als Kompetenzzentrum für Energieeffizienz, erneuerbare Energien und intelligente Energiesysteme versteht und als Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft agiert - hält einen Zwang zur energetischen Gebäudesanierung ebenfalls für den falschen Weg. "Eigentümern liegt ihr Gebäude doch am Herzen", sagt Stolte. "Information und die richtigen Anreize sind die wesentlich erfolgreicheren Instrumente. Die Förderprogramme der KfW sind zwar gut, müssen aber weiter ausgebaut werden. Zudem halte ich steuerliche Anreize zur energetischen Sanierung für besonders wichtig."
Orientierungshilfen bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung
Das Thema energetische Gebäudesanierung ist komplex, das Interesse seitens der Handwerksbetriebe, Baustoffindustrie und nicht zuletzt auch der Regierung jedoch hoch. Da überrascht es nicht, dass beim Thema Sinn oder Unsinn von Wärmedämmung, Fenstererneuerung und Heizanlagenmodernisierung viel getrommelt, manches versprochen und so manche undifferenzierte Aussage gemacht wird, Kritiker dahinter reine Interessenpolitik vermuten und so manche Vorschrift verteufeln. Die zentrale Frage, die je nach Expertise und politischer Orientierung ganz unterschiedlich beantwortet wird, bleibt jedoch die nach der Amortisationsdauer einer Sanierung durch die eingesparten Energiekosten. Denn allem Idealismus zum Trotz wird eine umfassende Sanierung des deutschen Gebäudebestands nur erfolgen, wenn die Ersparnisse die finanziellen Lasten aufwiegen – und zwar in einem vertretbaren Zeitraum.
Typische Baumängel in Altbauten
Bis in die 60er und 70er Baujahre hinein finden sich noch unzureichend gegen Feuchtigkeit geschützte Kellerfundamente und Kellerwände. Bei Bauten aus den 20er Jahren finden sich teilweise sogar verrostete Stahlträger in Gewölbekellern. Muss ein Keller trocken gelegt und sogar ringsum ausgeschachtet werden, um ihn gegen Feuchtigkeit abzudichten, kostet das den Hauseigentümer schnell 20.000 Euro und mehr.
Bei Baujahren bis in die 70er Jahre finden sich noch ungedämmte Dachstühle, die die Energiekosten für ein Gebäude deutlich in die Höhe treiben. In den 70er und 80er Jahren gab dann zwar immer mehr gedämmte Dächer, doch oftmals wurde noch Mineralwolle verarbeitet, deren Fasern lungengängig sind und somit schädlich für die Atemwege sind. Ein komplett neues Dach mit Dämmung kostet schnell einen ordentlichen fünfstelligen Betrag. Sollte keine Dämmung vorhanden sein, sind Käufer heute zudem zur nachträglichen Dämmung verpflichtet. Für ein Einfamilienhaus muss der Bauherr mit Ausgaben im fünfstelligen Bereich rechnen. Die zeitweise modernen Flachdächer litten noch bis Ende der 70er Jahre unter oft fehlerhafter Ausführung, so dass früher oder später Wasser eindrang. Sie sollten vor einem Kauf genau geprüft werden, da Wasserschäden am Dach schnell Folgeschäden nach sich ziehen.
Holzfenster können bei sehr guter Pflege 50 Jahre und länger halten, oder schon nach zehn Jahren das Zeitliche segnen. Kunststofffenster halten generell eher 15 bis 25 Jahre. Sollen Fenster komplett erneuert werden, kommen auch hier schnell 20.000 Euro oder mehr zusammen.
Nicht selten finden sich in Altbauten veraltete oder korrodierte Leitungssysteme. So wurden etwa bis in die 60er Jahre noch Stromleitungen ohne Erdungskabel verlegt, die heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr genügen. In noch älteren Gebäuden drohen auch undichte Gasleitungen oder alte Wasserleitungen aus Blei. Generell spricht man bei Wasserleitungen von einer Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren, nur Kupferleitungen halten noch zehn Jahre länger. Gleiches gilt für Leitungen für das Heizwasser. Die Kosten lassen sich pauschal kaum veranschlagen, aber der Installations- und Zeitaufwand ist hoch – insbesondere wenn viele Wände und Böden dafür aufgestemmt werden müssen. In einem Modellvergleich der Sanierung eines Altbaus durch den Verband privater Bauherren e.V. schlug die Erneuerung der Elektroleitungen in einem 60er-Jahre Einfamilienhaus mit einem niedrigen fünfstelligen Preis zu Buche. Für die Erneuerung der Sanitärleitungen muss mit einem Betrag in ähnlicher Größenordnung gerechnet werden.
Im Durchschnitt ist ein Heizkessel nach 20 bis 30 Jahren am Ende seiner Lebensdauer angelangt. Zudem ist die Technik oft veraltet, der Energiebedarf entsprechend hoch. Neueigentümer sind zudem unter bestimmten Bedingungen gesetzlich gezwungen ihre Heizungsanlage zu erneuern. Eine Umrüstung auf eine sparsamere Brennwertheizung ist mit rund 10.000 Euro zu veranschlagen. Soll es eine moderne Pellet-Heizung sein, kommen schnell noch ein paar tausend Euro hinzu. Müssen zudem Leitungen und Heizkörper erneuert werden, wird es nochmals deutlich teurer, da auch hier der Installationsaufwand vergleichsweise hoch ist.
Ab den 50er Jahren hielt die Bauchemie Einzug in den Hausbau. Leider wurden bis in die 80er Jahre noch Materialien verwendet, die heute als stark gesundheitsgefährdend gelten. So wurde bis in die 70er Jahre noch Asbest verbaut, etwa in Form von Asbestzementplatten. Die krebserregenden Stoffe zu ersetzen und zu entsorgen ist aufwändig und teuer, zudem ist während der Baumaßnahmen das Gebäude oftmals nicht bewohnbar. Auch finden sich etwa teerhaltige Parkettkleber, giftige Holzschutzmittel oder Formaldehyd in Holzbauteilen. Hier ist Vorsicht geboten.
Ist die Fassade sanierungsbedürftig, muss laut Energieeinsparverordnung auch gleich eine Wärmedämmung aufgebracht werden – denn werden Bauteile verändert, müssen sie auch energetisch verbessert werden. Bei einem Einfamilienhaus entstehen so für die Fassade schnell Kosten von 25.000 Euro und mehr.
Orientierung am Verbrauch oder am Bedarf?
Woran aber können sich Hausbesitzer bei ihrer Wirtschaftlichkeitsberechnung orientieren?
Dass die CDU im zitierten Jahrbuch den Energiebedarf senken will, kommt nicht von ungefähr. Entscheidend ist für den einzelnen Bauherren nämlich naheliegender Weise die Differenz zwischen dem tatsächlichen Energieverbrauch vor und nach einer Sanierungsmaßnahme. Da niemand exakt vorhersagen kann, wie sich der Verbrauch nach Sanierung entwickelt, greifen Energieberater auf eine modellhafte Berechnung anhand des Bedarfs zurück. Denn der Energiebedarf ist etwas völlig anderes als der tatsächliche Verbrauch. Er ist eine rechnerische Größe, die sich aus einer Analyse von Gebäudegröße und energetischer Qualität der Bausubstanz theoretisch errechnen lässt. Das individuelle Nutzerverhalten, die Zahl der Bewohner sowie witterungsbedingte Schwankungen bleiben dabei unberücksichtigt und werden standardisiert. Die Bedarfsrechnung ermöglicht daher die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Häusern oder über den gesamten Gebäudebestand. Für den, der aber viel Geld in die Sanierung seines Hauses investieren will und auf entsprechende Einsparungen bei den Energiekosten hofft, liefert die Bedarfsberechnung und -prognose für die Zeit nach einer Sanierung lediglich erste Anhaltspunkte für das erreichbare Einsparpotenzial. Gewissheit über den genauen Einspareffekt erlangt der Bauherr erst in den Jahren nach erfolgter Sanierungsmaßnahme, wenn er die Prognose mit den tatsächlichen Verbrauchsdaten abgleichen kann.
Tatsächlicher Energieverbrauch häufig niedriger





Diverse Studien und Untersuchungen haben ergeben, dass der tatsächliche Energieverbrauch regelmäßig deutlich niedriger ausfällt, als der theoretisch errechnete Bedarf vor einer Sanierungsmaßnahme. Damit stimmt aber die Ausgangsgröße für kalkulierte Energieersparnis nicht und die zu erwartende Amortisationsdauer verlängert sich. Ein paar Beispiele:
Die Deutsche Energie-Agentur (dena) hat im März eine Studie vorgelegt, die auf dem Modellprojekt "Niedrighaus im Bestand" basiert, bei dem 52 Ein- und elf Mehrfamilienhäuser eine energetische Komplettsanierung erhielten. Für 19 Gebäude lagen auch Verbrauchsdaten für die Zeit vor der Sanierung vor. Die Dena stellte fest: Der Energieverbrauch der unsanierten Gebäude lag im Durchschnitt elf Prozent unter dem errechneten Bedarf. Allerdings erzielten die Gebäude trotz der Orientierung an den Verbrauchswerten letztlich eine Energieersparnis von 76 Prozent - nur vier Prozent unter dem Zielwert. Dena-Experte Stolte war von dem Ergebnis positiv überrascht: "Die Abweichungen hielten sich im Rahmen und belegen, dass auch auf Basis einer Bedarfsrechnung realistische Prognosen der erzielbaren Energieeinsparung möglich sind." Auf Nachfrage räumte er allerdings ein, dass die Abweichungen im Einzelfall auch bis zu 20 Prozent nach oben oder unten betragen haben.
Auch eine umfassende Untersuchung des Heizkostenerfassers und Energiemanagers Techem, der dafür die Heizkostenabrechnungen von etwa 300.000 Mehrfamilienhäusern für den Zeitraum von 2005 bis 2012 ausgewertet hat, kam zu dem Ergebnis, dass der Verbrauch insbesondere in älteren Gebäuden deutlich unter dem berechneten Bedarf liegt. In Wohnungen mit einem niedrigen kalkulierten Bedarf lag der Verbrauch hingegen oftmals höher. Die Folge: Die vor einer Sanierung prognostizieren Wärmebedarfswerte werden häufig nicht erreicht. Schlimmer noch: Tatsächlich stellte die Techem-Untersuchung fest, dass der reale Verbrauch nach energetischer Sanierung den Bedarf im Durchschnitt um den Faktor zwei übersteigt. Auch diese Studie sieht die Ursache dafür im Nutzerverhalten, dass in den Bedarfsberechnungen jedoch als stabil und standardisiert unterstellt wird.
Eine an anderer Stelle bereits zitierte Studie der Universität Camebridge kam sogar zu dem Ergebnis, dass die Energiebedarfsrechnung um bis zu 30 Prozent von den tatsächlichen Verbrauchsdaten abweichen kann. Den Grund dafür sehen die Experten im Nutzerverhalten, klare Belege dafür gibt es indes nicht.
Das Heizverhalten ist der Sündenbock





Kurz: Wer viel verbraucht, kann viel einsparen. Und so mancher Hausbewohner wird anscheinend umso verschwenderischer, je höher der Einspareffekt nach Sanierung sein soll. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung allein auf bauphysikalischen Bedarfswerten ist für den sanierungswilligen Hauseigentümer daher unzureichend. Eine Änderung der Heizgewohnheiten, der Anzahl an Bewohnern oder des Warmwasserverbrauchs kann erheblichen Einfluss auf die verbrauchten Energiemengen haben und jede zu erhoffende Energieersparnis aus einer energetischen Sanierung konterkarieren. Dena-Experte Stolte schließt jedenfalls für das untersuchte Modellprojekt aus, dass ein falsche Analyse des Gebäudebestands zu den erheblichen Abweichungen im Einzelfall geführt hat.
Energiefachberater Rolf-Peter Weule vom Baustoffhandel Kömpf in Calw hält Verbrauchsdaten ohnehin häufig für verfälscht - insbesondere bei Energieausweisen, die es sowohl auf Basis von Verbrauchsdaten der vergangenen drei Jahre als auch aufgrund bauphysikalischer Parameter des Gebäudes (Bedarfsorientierter Energieausweis) gibt. „Verbrauchsorientierte Energieausweise erzählen Geschichten, die ohnehin selten stimmen. Unter Energieberatern gibt es das geflügelte Wort, dass das Ergebnis der Energieberatung schon stimme, wenn nur die Nutzer nicht wären. Ich biete meinen Kunden deshalb auch nie eine Amortisationsrechnung zu ihren Sanierungsmaßnahmen an. Aufgrund der vielen Parameter halte ich das für unlauter“, so Weule. Ihm ist wichtig, dass die Amortisationsrechnung nur ein Teil der Wahrheit ist. Die Werterhaltung, beziehungsweise die Wertsteigerung des Gebäudes gehören genauso in die Überlegungen einbezogen.
Bedarfsrechnung macht vergleichbar
Andreas Holm, Leiter des Forschungsinstituts für Wärmeschutz e.V. in München (FIW), hält ebenfalls die Planung anhand der Bedarfswerte für empfehlenswert, weil nur diese Methode die Effizienz der energetischen Sanierungsmaßnahmen vergleichbar mache. „Ein seriöser Energieberater schaut immer auf Verbrauch und Bedarf und erklärt entsprechende Unterschiede“, sagt Holm. „Darauf basierend entwickelt er Szenarien für mehrere Sanierungsvarianten und –schritte und bringt diese in eine sinnvolle Reihenfolge.“ Diese Meinung ist verbreitet. „Energieberater sollten immer die Verbrauchsdurchschnitte in der Berechnung ihrer Sanierungsempfehlungen zugrunde legen“, rät auch Stolte von der dena. Damit steht und fällt die Berechnung der zu erwartenden Amortisationsdauer.
Sowiesokosten von den Vollkosten trennen





Wer sanieren will und überlegt, vor dem neuen Fassadenputz auch noch Dämmplatten an die Hauswand zu dübeln, kann ehrlich gerechnet nur den Mehraufwand für die Dämmstoffanbringung den erzielbaren Einsparungen an Heizenergie gegenüber stellen. Für Gerüst, Putz und Farbe hat der die sogenannten Sowieso-Kosten, die er von den Gesamtkosten der Sanierung abziehen muss. Die Art der Rechnung ist essentiell für eine auf kalkulatorische rentable Investition. Holm hat das über den deutschen Gebäudebestand wie folgt kalkuliert:
Altersklasse | moderate Sanierung | ambitionierte Sanierung | Sowieso Kosten | Anteil Sowieso |
<1918 | 14.500 € | 16.900 € | 38.300 € | 73% |
1918-1948 | 15.400 € | 18.200 € | 37.060 € | 71% |
1949-1957 | 12.600 € | 13.900 € | 34.890 € | 73% |
1958-1968 | 13.900 € | 15.700 € | 38.580 € | 74% |
1969-1978 | 16.000 € | 19.100 € | 50.610 € | 76% |
1979-1987 | 11.100 € | 13.000 € | 33.650 € | 75% |
1988-1993 | 10.200 € | 12.600 € | 43.510 € | 81% |
Quelle: FIW, München
Fazit der FIW-Zahlen: Die energetisch wirksamen Mehrkosten erreichen durchschnittlich nicht einmal 30 Prozent des Sanierungsaufwands. Das zugrunde gelegt amortisieren sich Sanierungsmaßnahmen natürlich schneller. Dazu hatte auch das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) aus Darmstadt für die WirtschaftsWoche bereits eine Untersuchung angestellt.
Auch die dena hat in diversen Untersuchungen festgestellt, dass bei Sanierungen, die an Gebäuden ohnehin anstehen und dadurch nur vergleichsweise geringen Mehraufwand für energetische Verbesserungen erfordern, die Baumaßnahme in aller Regel wirtschaftlich ist. Im Umkehrschluss heißt das, eine Sanierung ohne gleichzeitigen Sanierungszwang aufgrund von Überalterung, Verschleiß oder Beschädigung der Gebäudeteile oder Technik ist oftmals unwirtschaftlich.
Fehlerhafte Umsetzung kann den Einspareffekt zunichtemachen





Das Problem: Erfolgsbeispiele und Studien zur Wirtschaftlichkeit beschäftigen sich bislang nur mit Komplettsanierungen. Die Einspareffekte für Einzelmaßnahmen und anhand von Verbrauchswerten sind daher noch weitgehend unerforscht. Dämmkritiker Konrad Fischer etwa ist nach Bewertung von Vergleichsstudien überzeugt, dass die belegten Einspareffekte lediglich auf optimierte Heiztechnik und eventuell noch die Dachdämmung zurückzuführen ist. Wärmedämmung an Fassaden lehnt er ab, weil sie die Erwärmung der Fassade durch Sonneneinstrahlung verhindere. Dämmstoffindustrie, Energieberater und Wissenschaft halten jedoch dagegen. "Dämmmaßnahmen lohnen sich in jedem Fall. Sie bringen einen Gewinn an Wohnkomfort und eine Energieersparnis mit sich. Die Behauptung, eine Wärmedämmung würde keine Energie sparen, ist völlig absurd", so Holm vom FIW. "Welche Maßnahme letztlich die effektivste und wirtschaftlichste ist, lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. Das hängt vom Einzelfall ab."
Ohne Einzelfallprüfung und individuelle Beratung geht es nicht
Was die zu erwartende Energieverbrauchssenkung einzelner energetischer Sanierungsschritte angeht, hängt die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen somit in der Praxis entscheidend von der qualifizierten Analyse des Gebäudezustands sowie des Verbrauchsverhaltens und den finanziellen Möglichkeiten ab. Zumindest darin sind sich alle Fachleute und mittlerweile auch die Politiker einig. "Die Kommunikation zum Thema energetische Sanierung der Bestandsgebäude ist differenzierter geworden. Heute behauptet niemand mehr, dass sich in jedem Fall jede Komplettsanierung sofort rechnet. Vielmehr betonen alle Seiten, dass sich eine Sanierung insbesondere dann lohnt, wenn ohnehin die Sanierung von Dach, Fassade oder Heizungsanlage ansteht. Denn dann sind es nur die Mehrkosten für die energetische Optimierung, die sich über die Energiekostenersparnis amortisieren muss. Dann aber lohnt sie sich immer", so Stolte.
Staatliche Zuschüsse oder Steuervorteile beschleunigen die Amortisation der Bauinvestition zusätzlich. Leider bleibt es vorerst bei den bereits bekannten Förderprogrammen der staatlichen KfW-Bank, über die Steuervorteile für Sanierer dürfte erst nach der Wahl wieder diskutiert werden. Darüber hinaus erörtern Stefan Klinski, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, sowie Veit Bürger vom Öko-Institut allerlei Maßnahmen, um die Investitionshürde zu überwinden. Um die notwendigen, zusätzlichen monetären Anreize zu finanzieren, schlagen sie beispielsweise eine Sanierungsprämie vor, die über eine Umlage von den Gasversorgern oder Mineralölgesellschaften bezahlt werden soll. Oder per "Klimaschutzabgabe mit Förderfonds" könnte per Sondersteuer abhängig von der energetischen Qualität der Gebäude von Hausbesitzern erhoben werden, um Sanierungsmaßnahmen zu fördern. Ob derartige Maßnahmen durchsetzbar und ausreichend sind, um einen Sanierungsboom auszulösen, darf allerdings bezweifelt werden. "Ein Sanierungsboom auf freiwilliger Basis ist schon deswegen unmöglich, weil wohl nur wenige Kommunen oder sonstige Hausbesitzer entsprechende Finanzmöglichkeiten haben", glaubt Dämmkritiker Fischer. "Die geplanten Finanzinstrumente nenne ich Folterinstrumente. Sie ziehen dem wehrlosen Hausbesitzer Geld aus der Tasche, ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren." Da ja eine energetische Sanierung offenbar vor allem bei bereits vorliegendem Sanierungsbedarf wirtschaftlich ist, könnten zusätzliche Finanzspritzen ohnehin dazu führen, dass saniert wird, was noch gar nicht saniert werden muss. Dann aber wird die Sanierung wie dargelegt schnell unwirtschaftlich.
Hausbesitzer sollten also zunächst abwarten, was die Regierung nach der Wahl plant. Den Energieberater können sie dennoch schon bestellen. Damit die Planung fundiert und unter wirtschaftlichen Aspekten sinnvoll ist, sollten Hauseigentümer die verkaufsorientierte Energieberatung von Handwerkern, Baustoffhändlern oder Heizungsinstallateuren meiden und auf unabhängige, nachweislich qualifizierte Energieberater zurückgreifen. Diese sind am besten über die dena-Internetseite www.energie-effizienz-experten.de aufzufinden. Dort gelistete Energieberater müssen ihre Qualifikation regelmäßig nachweisen. Der Staat bezuschusst eine qualifizierte Energieberatung inzwischen mit einmalig 400 Euro.
Zudem bietet die KfW inzwischen Förderprogramme für die Baubegleitung durch einen Energieberater an, der die fach- und normengerechte Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen überwacht. Die fachkundige Baubegleitung ist immens wichtig, denn eine fehlerhafte oder schlampige Anbringung einer Wärmedämmung kann nicht nur den Einspareffekt zunichtemachen, sondern auch hohe Folgekosten bis hin zum kompletten Abriss und anschließenden Neubau der gedämmten Bauwerke führen.