Expo Real 2018 „Deutliche Preiskorrekturen gab es in Deutschland nie“

Aufwärts immer: Immobilienpreise in Deutschlands Großstädten kennen nur eine Richtung. Quelle: imago images

Auf der Münchner Immobilienmesse diskutieren Investoren, Bauherren und Politiker über die Preisentwicklung für Wohnungen und Häuser. Die schlechte Nachricht für Käufer und Mieter: Der Wahnsinn geht weiter.

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Für Wulff Aengevelt ist es zum Haare raufen. „Düsseldorf ist fast 220 Quadratkilometer groß“, sagt der Mitgründer und Geschäftsführer von Aengevelt Immobilien, einem der großen Makler im Rheinland, „ein Fünftel der Flächen sind aber Agrarland.“ Der Anbau von Salat und Tomaten sei sicherlich wichtig, findet Aengevelt, keine Frage. Baugrundstücke für Wohnungen und Häuser aber seien mindestens ebenso wichtig.

„Es gibt schlicht zu wenig Wohnungen“, sagt Aengevelt, „hätten wir mehr, stiegen auch die Mieten nicht so stark.“ Schon vor Jahren kritisierte der Düsseldorfer Makler das Verhältnis von Ackerflächen und Baugrundstücken in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt – und wurde dafür vor allem von der Grünen heftig angegriffen.

Auf der diesjährigen Expo Real, einer der größten Immobilienmessen der Welt, sind die Engpässe bei Grundstücken in den großen Städten, die Kontroversen um Nachverdichtung und schließlich die immer weiter steigenden Mieten und Kaufpreise für Wohnungen und Häuser die beherrschenden Themen. Dass die Preise und Mieten runtergehen, glaubt kaum jemand.

Vermieter nutzen Wohnungsnot aus

„Es wird sich festfressen auf hohem Niveau“, prognostiziert etwa Peter Jorzick, Geschäftsführer der Hamburg Team Gesellschaft für Projektentwicklung. Jorzick, der auf einer Diskussionsrunde am Rande der Expo Real neben Aengevelt Platz genommen hat, rechnet mit einer konstant hohen Nachfrage, „aber es wird immer schwieriger, die Nachfrage mit sinnvollen Objekten zu bedienen.“

Das zeigt auch eine aktuelle Erhebung des internationalen Maklerhauses von Poll. Fast 14 Prozent mehr als 2016 mussten Käufer von Wohn- und Geschäftshäusern im vergangenen Jahr hinblättern, ergab die Untersuchung in 22 deutschen Städten. Dabei sank 2017 zugleich die Zahl der Objekte, die den Besitzer wechselten, um 1,6 Prozent. „Der Rückgang an Transaktionen ist im Besonderen auf den Mangel an Angeboten zurückzuführen, denn die Nachfrage ist weiterhin hoch“, resümieren die Experten bei von Poll.

Dabei ist der Mangel sehr ungleich verteilt. In weiten Teilen Deutschlands gibt es reichlich Wohnungen und Häuser, viele stehen leer. Groß ist die Not vor allem in den so genannten Big Five, wie Aengevelt es formuliert. Auf Grundlage der Zahl der Haushalte fehlen in München 70.000 Wohnungen, in Hamburg 64.000, in Berlin 59.000, in Frankfurt 34.000 und in Düsseldorf 2300 Wohnungen. Insgesamt gut 230.000 Wohnungen zu wenig also - nur in diesen fünf Großstädten. Gebaut wird aber nur halb so viel. „Wir müssen einfach mehr bauen“, mahnt daher Aengevelt. Doch dass das geschieht, ist unwahrscheinlich.

Vielmehr dürften sich die Probleme in den kommenden Jahren verschärfen, herrscht doch beinahe an allen Fronten Mangel. So steigen etwa die Preise für Bauleistungen wie das Verlegen von Fliesen oder das Gießen von Fundamenten jedes Jahr um 10 bis 15 Prozent. Zement etwa, berichtet ein Bauträger, müsse man inzwischen ein Jahr im Voraus ordern und dem Lieferanten den exakten Termin nennen, zu dem geliefert werden soll. Ansonsten geht man leer aus. Ein Grund dafür: Es gibt kaum noch Lkw-Fahrer. „Wir kämpfen mit sehr ungewöhnlichen Rahmenbedingungen“, sagt Jorzick von der Hamburger Gesellschaft für Projektentwicklung. Trotz aller politischen Initiativen wie dem Wohngipfel werde es in den kommenden Jahren nicht gelingen, mehr Wohnungen zu bauen.

Mit sinkenden Preisen rechnet für die kommenden Jahre denn auch kaum jemand. „Deutliche Preiskorrekturen hat es in Deutschland ohnehin nie gegeben“, sagt Markus Cielebek, Head of Research bei Patrizia Immobilien. Meist sei es in Treppenstufen nach oben gegangen. Auch ein Anstieg der Zinsen dürfte kaum zu sinkenden Preisen führen. Vielmehr dürfte dann weniger gebaut werden, weil die zwei bis drei Prozent Rendite bei Bestandsmietwohnungen auf einmal nicht mehr zu erzielen seien.

Keine Hochhäuser - und schon gar nicht vor meiner Haustür

Verantwortung für die Not trägt auch die Politik. So hat etwa die so genannte Mietpreisebremse das Problem nicht nur nicht entschärft, sondern so manchen Immobilienentwickler von neuen Investitionen abgehalten.

Dazu kommt: Die öffentliche Hand hat sich in den vergangenen Jahren nahezu komplett aus dem Wohnungsbau zurückgezogen. Dresden etwa hat seinen kompletten Wohnungsbestand verkauft. „NRW hat seine Landesentwicklungsgesellschaft an eine Heuschrecke abgetreten“, sagt Aengevelt. Und Bayern hat seine 32.000 Wohnungen schon vor fünf Jahren an die Immobiliengesellschaft Patrizia verkauft. Einen Grund für den Ausverkauf durch Länder und Kommunen sehen Fachleute darin, dass nach 30 bis 40 Jahren der Instandhaltungsbedarf bei Wohnungen stark zunehme. Da trenne man sich lieber von den Wohnungen. „Viele haben zum richtigen Zeitpunkt verkauft“, ätzt Aengevelt.

Bayern versucht nun immerhin umzusteuern. Im Juli gab Ministerpräsident Markus Söder von der CSU den Startschuss für die neue öffentliche Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim. Der Freistaat stattet die Gesellschaft zunächst mit 50 Millionen Euro Startkapital aus. Bis 2025 sollen die ersten 10.000 preisgünstigen Wohnungen fertigwerden.

Städte wie München oder der Rhein-Main-Raum rund um Frankfurt haben in den vergangenen Jahren zudem damit begonnen, noch freie Flächen in den Innenstädten zu bebauen. Nachverdichtung lautet die Zauberformel.

Das Problem: Die meisten der Vorhaben werden von heftigen Protesten der Anwohner begleitet. Bitte löst das Wohnungsproblem, aber baut keine Hochhäuser und schon gar nicht vor meiner Haustür, forderten viele Stadtbewohner, hat Cielebek festgestellt.

Besonders ausgeprägt ist dieser Zwiespalt in München. Jedes Jahr ziehen etwa 20.000 Menschen neu in die boomende bayerische Landeshauptstadt. Doch kaum wird ein neues Bauprojekt, etwa auf einem Acker im östlichen Stadtteil Trudering, bekannt, formieren sich die Demonstrationszüge. Der Münchner wünscht sich weiß-blaue Idylle mit freiem Blick über grüne Wiesen und Wälder mitten in der Innenstadt. Manche Bewohner forderten zuletzt gar, den Zuzug nach München gesetzlich zu verbieten. Nicht nur verwöhnt und selbstgefällig, auch noch realitätsfern seien sie, lästern Fachleute aus der Immobilienwirtschaft. Mag die Welt sich auch noch so rasch verändern, aber bitte nicht bei uns, denken sich wohl viele Bayern.

„Wir beobachten insgesamt eine Entsolidarisierung unter den Mietern“, sagt auch Sybille Wegerich, Vorstand der Bauverein AG. Das gehe oft nach dem Muster „wir brauchen hier nicht noch mehr Leute“. Die Bauverein AG ist die städtische Wohnungsbaugesellschaft in Darmstadt. Dabei haben Experten längst kreative Lösungen für die Nachverdichtung in deutschen Innenstädten entwickelt, auch wenn hierzulande eigentlich noch viel Platz ist. In Darmstadt etwa leben auf einem Quadratkilometer 1300 Menschen, in München 4400, in Paris kommen auf einen Quadratkilometer dagegen 22.000 Menschen.

Wegerich von der Bauverein AG hat etwa festgestellt, dass sich in Darmstadt beispielsweise auf Bauten aus den Fünfzigerjahren sehr gut zwei Geschosse aufpflanzen ließen. Dadurch ließen sich an den Häusern Aufzüge anbringen; insgesamt führe der Umbau zu einer Modernisierung, die wiederum auch jüngere Mieter anziehe. Insgesamt, so haben Experten errechnet, ließen sich durch Dachaufstockungen rund 1,5 Millionen Wohnungen schaffen.

Darüber hinaus gibt es in vielen Städten durchaus noch freie Flächen, man muss sie nur kreativ nutzen. In den 70 größten deutschen Städten etwa belegen Discounter wie Aldi und Lidl insgesamt 11.000 Flächen mit ihren meist fensterlosen Flachbauten und großzügigen Parkplätzen. „Da wird mit Flächen geaast“, kritisiert Karsten Tichelmann, Stadtplaner der TU Darmstadt. Zwischen 700.000 und einer Million Wohneinheiten ließen sich dort bauen, erklärt Tichelmann und fügt hinzu, in Städten wie Tokio erledigten die meisten Bewohner ihre Einkäufe längst unterirdisch in U-Bahn-Stationen.

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