Gasverbrauch privater Haushalte Mal rauf, mal runter: Gasverbrauchmeldungen der Bundesnetzagentur sind unzuverlässig

Laut Bundesnetzagentur soll der private Verbrauch von Gas zuletzt deutlich gestiegen sein.  Quelle: imago images

Die Bundesnetzagentur meldet mal steigenden, mal sinkenden Gasverbrauch privater Haushalte. Die Zahlen, auf die sie sich beruft, sind wenig aussagekräftig.

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Und wöchentlich grüßt der Gasreport der Bundesnetzagentur. Klaus Müller, Chef der Netzagentur, sieht plötzlich Erfolge der Spar-Appelle an Verbraucher: In der 40. Kalenderwoche hätten private Haushalte und kleine Gewerbetreibende 29 Prozent weniger Gas verbraucht als im Durchschnitt der gleichen Woche in den Jahren 2018 bis 2021. Der niedrigere Verbrauch sei vor allem auf das mildere Wetter zurückzuführen. So lagen die Temperaturen um 0,7 Grad über dem Mittel der Jahre 2018 bis 2021. 

Natürlich beeinflusst das Wetter den Gasverbrauch. Wenn es warm ist, bleiben die Heizungen aus. Über den Sparwillen der Deutschen sagt das aber wenig aus. Müller schränkt denn auch die Aussagekraft der Meldungen über den Gasverbrauch gegenüber der Nachrichtenagentur dpa ein: „Das sind alles Momentaufnahmen.“ Die Netzagentur sehe dennoch erste Sparanstrengungen. Die seien auch nötig. „Wenn wir – auch wenn es wieder kälter wird – weiter mindestens 20 Prozent Gas sparen, können wir gut über den Winter kommen“, sagt Müller.

Die aktuellen Statements der Bundesnetzagentur sind nicht mehr als eine unzuverlässige Wasserstandsmeldung. Eine Woche zuvor hatte Deutschlands oberster Gasverbrauchsmelder Müller noch vor einem zu hohen Verbrauch gewarnt. In der 39. Kalenderwoche sei der private Gasverbrauch um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Müller schrieb beim Nachrichtendienst Twitter: „Die Lage kann sehr ernst werden, wenn wir den Gasverbrauch nicht deutlich reduzieren.“ Das klang bedrohlich. 

Aktuell scheint sich die Lage beim Gasverbrauch wieder entspannt zu haben. Das gilt zumindest, wenn man Müllers Ausführungen glauben darf. Die kurze Abfolge von Warnung und Entwarnung wirkt jedoch wenig glaubhaft. Müllers Eingeständnis, dass die Verbrauchsdaten nur Momentaufnahmen seien, ist entlarvend. Es stellt sich die Frage, welchen Wert solche Messungen haben, wenn sie so unzuverlässig sind.   

Ein Blick in die Zahlen, die die Bundesnetzagentur veröffentlicht hat, zeigt, dass sich diese gar nicht so eindeutig interpretieren lassen. Denn die Behörde kontrolliert nicht die Heizkörper in deutschen Wohnungen. Stattdessen misst sie den Gasverbrauch an Netzverteilpunkten. Vom gesamten Gasverbrauch zieht sie das ab, was die Industrie verfeuert. Übrig bleibt der Verbrauch privater Haushalte und Gewerbetreibender.

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von Julia Groth

Die Bundesnetzagentur begründet ihre Berechnung wie folgt: „Im Gegensatz zu dem Verbrauch der Industriekunden wird der Verbrauch kleinerer Unternehmen und Haushalte nicht fortlaufend gemessen.“ Auf Grundlage der auf Verteilnetzebene gemessenen Gasmengen abzüglich des Gasverbrauchs der auf dieser Ebene angeschlossenen großen Industriekunden lasse sich deren Verbrauch jedoch berechnen.

Allerdings sind die so berechneten Werte nur vorläufig wie die Bundesnetzagentur erklärt: „Die Daten werden bis zur finalen Abrechnung aktualisiert und können sich rückwirkend ändern.“

So wie die Bundesnetzagentur rechnet, umfasst der „private“ Verbrauch also mehr als nur das Beheizen von privaten Wohnungen. Darin enthalten ist zudem, was in Büros und Ladenlokalen an Gas genutzt wird. Hinzu kommt, dass Gas in vielen privaten Haushalten auch für die Warmwasser-Aufbereitung verwendet wird. Theoretisch könnten die Deutschen bei höherem Gasverbrauch etwa auch öfter warm geduscht haben, doch über das Heizverhalten privater Haushalte sagen die Zahlen der Bundesnetzagentur relativ wenig.

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Ein großes deutsches Unternehmen aus der Immobilienbranche zeigte sich wegen der Aussagen der Bundesnetzagentur zum Gasverbrauch denn auch verwundert. Ein Wettbewerber erklärt, dass erst seit Januar dieses Jahres ein Teil der Heizungen in deutschen Wohnungen digital überwacht werde. Ein seriöser Vergleich des Heizverhaltens privater Haushalte auf Monatsbasis sei derzeit gar nicht möglich, sagt das Unternehmen.

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