




Das nennt man geschicktes Timing: Die allgemeine Aufregung über die Zinsentscheidung der EZB vom 5. Juni hatte sich gerade gelegt, da preschte der Internationale Währungsfonds (IWF) gerade mal sechs Tage später mit einer brisanten Studie an die Öffentlichkeit. Der zufolge droht ein Crash an den Immobilienmärkten. Der Clou: Die Daten dazu waren schon vor der EZB-Entscheidung einem kleinen exklusiven Kreis bekannt, wurden aber bewusst unter Verschluss gehalten, denn ihre Veröffentlichung hätte den EZB-Rat beeinflussen können.
Wie ernst soll man die IWF-Studie nehmen? Lassen wir dazu einige Kernaussagen Revue passieren: Das Ende des Häuserbooms in den USA und dann auch anderswo war eine wesentliche Ursache der Finanzkrise in den Jahren danach. Die Immobilienblase hat entscheidend speziell zur Krise der Banken beigetragen, deren vielfache Verknüpfung untereinander sich als sehr gefährlich erwiesen hat. Politiker und Notenbanker wissen nicht, wie sie die nächste Krise an den Immobilienmärkten verhindern sollen, weil ihnen dafür keine Instrumente zur Verfügung stehen. Die Komplexität des Problems schreckt sie von Lösungsansätzen ab. Gefährdete Länder sind vor allem Belgien, Norwegen, Schweden, Kanada und Australien. Die expansive Geldpolitik lässt die Blase immer größer werden. Am Ende verlagern sich die Lasten von den Schuldnern zu den Gläubigern.
Wo sich der Immobilienkauf noch lohnt
Ein wichtiger Grund sind die seit Jahren niedrigen Zinsen. Wenn Sparbuch, Festgeld und Staatsanleihen fast nichts abwerfen und Aktien als zu riskant erscheinen, stecken Anleger ihr Geld in Immobilien. Die Euro-Schuldenkrise hat zudem wohlhabende Ausländer aus Südeuropa und Asien angelockt, die im „sicheren Hafen“ Deutschland ihr Vermögen parken wollen.
„Lage, Lage, Lage“ war bislang das Motto beim Immobilienkauf. Die Studie des Beratungsunternehmens Empirica kommt zu dem Ergebnis: „Region, Region, Region“ ist in Zukunft der Trumpf. Will sagen: Es wird in den nächsten Jahren vor allem darauf ankommen, in Gebiete mit Bevölkerungswachstum zu investieren. Regionen, die schrumpfen, sollten gemieden werden. Es wird „Schwarmstädte“ geben, in die junge, aufstrebende Menschen strömen, und alternde Städte, die immer weiter ausbluten.
Innerhalb der Großstädte wandeln sich die Viertel und ihre Bewohner schneller als bisher. Stadtteile können auf- und abwerten, die Trends sind unberechenbarere als bisher. Die Empirica-Studie sieht auch Chancen für Kleinstädte oder manchen Landstrich in Ostdeutschland. Fazit der Studie: Investitionen lohnen, wo es schön ist, wo man gut hinkommt, wo etwas geboten wird und wo man einen Job findet. Bei der Immobilienauswahl müsse man „höllisch aufpassen“.
Ohne Kredite keine Blase, lautet das Credo unter Wirtschaftswissenschaftlern: Werden Darlehen verstärkt auch an Normalverdiener mit teils geringer Bonität vergeben, steigt die Nachfrage nach Wohnimmobilien. Der gleiche Mechanismus funktioniert bei billigen Finanzierungskosten durch etwa niedrige Zinsen. Die Folge: Das steigende Interesse rechtfertigt höhere Kaufpreise, Mieten und Einkommen bleiben hinter dieser Entwicklung jedoch zurück. Der Markt überhitzt sich, eine Blase entsteht. Erst der massive Einsatz von Fremdkapital macht eine Blase also für die Gesamtwirtschaft gefährlich.
Die Gefahr spekulativer Übertreibungen ist aus Sicht von Forschern zwar für einzelne Regionen gegeben, eine Blase aber noch nicht entstanden. „Trotz historisch niedriger Zinsen ist in Deutschland keine massive Ausweitung der Kreditvergabe für den Erwerb von Wohnraum zu beobachten“, heißt es in einer aktuellen Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Seit 2009 wiesen aber mehrere Indizien auf einen deutlichen Preisanstieg für Wohnimmobilien vor allem in Großstädten hin. Das sieht auch die Bundesbank so: Wohnungen in besonders attraktiven Ballungsräumen kosteten inzwischen zu viel. In Teilen von München, Frankfurt oder Hamburg seien die Preise um ein Fünftel zu hoch.
Wer eine Immobilien kauft und sie mit einem regelmäßigen Einkommen abzahlen kann, hat im Alter ein sicheres Dach über den Kopf oder eine monatliche Mieteinnahme, vorausgesetzt es gibt einen Mieter. Die Rendite von Wohneigentum liege langfristig nur bei ein bis zwei Prozent pro Jahr, sagt der Empirica-Studienautor Reiner Braun. Viel wichtiger sei aber das Sparen an sich: Wer über Jahre diszipliniert einen Kredit tilge, der habe am Ende wirklich etwas fürs Alter beiseite gelegt. Bei allen anderen Sparformen sei die Verlockung groß, zwischendurch einen Teil auszugeben.
Eine gefährliche Kombination von Immobilien- und Schuldenblase
Der IWF konnte natürlich nicht in jedes Detail gehen, und im Gegensatz zum geschickten Timing aus Anlass der Veröffentlichung ist das Crash-Timing nicht steuerbar. Dennoch vermittelt die Studie genug Stoff zum Nachdenken über Immobilienblasen im Allgemeinen sowie über die vergangene und die aktuelle Entwicklung im Besonderen. Es geht ja nicht um einen Crash an den Aktienmärkten, der, so schlimm er enden mag, irgendwann wieder von einem Kursaufschwung abgelöst wird. Sondern es handelt sich wegen der riesigen aufgepumpten Volumina und wegen des hohen Einsatzes von Fremdkapital um eine Kombination aus Immobilien- und Schuldenblase. Das Phänomen hat internationale Dimensionen, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Es ist gerade mal ein knappes Vierteljahrhundert her, als die japanische Immobilienblase platzte und Aktien mit in die Tiefe riss. Die Folgen sind bis heute nicht ausgestanden, sondern nur flüchtig vom letzten Anstieg der japanischen Aktienkurse überdeckt. Kaum hatten deutsche Anleger das Problem der Japaner wahrgenommen, da besorgten sie ihr eigenes: mithilfe des Finanzmarktförderungsgesetzes. Dahinter verbargen sich Sonderabschreibungen von 50 Prozent auf Immobilien in den neuen Bundesländern einschließlich West-Berlin. Die dadurch entstandene Blase platzte in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Dann ging es rund um den Globus weiter: Erst amerikanische Häuserblase, 2006 peng, besonders Ausländer bliesen Immobilienpreise in Spanien und Irland auf, 2007 peng, Londoner Preise für Gewerbe- und Wohnimmobilien gleichermaßen kräftig rauf und runter, jetzt wieder oben, schließlich deutsche und chinesische Häuserblase, Ende offen.