Gentrifizierung in Frankfurts Bahnhofsviertel Explodierende Mieten im verruchten Viertel

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Rotlichtgrößen haben Lust auf großen Reibach

Wer neu investieren will, kommt aber nicht leicht zum Zug. Wohnimmobilien aus privater Hand gelangen kaum auf den Markt. „Es wird nicht viel verkauft“, sagt James Ardinast, Betreiber der Restaurants Stanley Diamond und der Bar Maxie Eisen. „Die Preise werden so hoch angesetzt, dass meist gar nicht gekauft wird.“ Wenn dies dann doch der Fall ist, kocht schnell die Diskussion über Gentrifizierung auf. So wurde Ende 2012 das Gebäude verkauft, in dem sich die Kneipe Terminus-Klause, ein beliebter Studenten-, Künstler- und mittlerweile auch Banker-Treff, befindet. Der neue Besitzer Harry Schnabel, der auch diverse Hotels betreibt, konnte sich im vergangenen Jahr mit dem Kneipenbesitzer zunächst nicht über die Weiterführung des Mietvertrags einigen. Gerüchte, nach denen es neue Pläne für die Lokalität gebe, kamen auf. Eine Zeit lang stand die Zukunft der Kneipe auf wackligen Beinen, mit Parolen wie „Je suis Terminus-Klause“ setzten sich die Stammgäste für den Erhalt ein. Mittlerweile ist offenbar eine Lösung gefunden.

Hier steigen die Mieten am stärksten
Platz 8: Frankfurt Quelle: DPA
Platz 7: StuttgartIn der baden-württembergischen Landeshauptstadt lagen die Angebotsmieten im ersten Halbjahr 2016 bei durchschnittlich 12,55 Euro pro Quadratmeter im Monat – ein Anstieg von 5,2 Prozent zum Vorjahr. Der Zwölfjahresvergleich zeigt: Gegenüber 2004 müssen Mieter heute 44 Prozent mehr zahlen – des bringt Stuttgart die Bronzemedaille unter den acht untersuchten Städten ein. Quelle: DPA
Platz 6: Berlin Quelle: REUTERS
Platz 5: München Quelle: DPA
Platz 4: Leipzig Quelle: DPA
Platz 3: Hamburg Quelle: DPA
Platz 2: Köln Quelle: DPA

Wenig Bewegung ist aber vor allem auch deshalb im Markt, weil viele Immobilien im Besitz alteingesessener Großinvestoren sind, die mit weiter steigenden Preisen rechnen. „Rund 40 Prozent der Häuser gehören den Paten des Rotlichtmilieus“, sagt ein Neuinvestor. „Mit diesen Leuten kommt man nur schwer ins Geschäft. Sie sind extrem spekulativ unterwegs, und es fehlt ihnen oft auch das Verständnis dafür, dass von einem Geschäft beide Seiten profitieren sollten.“ Die Altinvestoren haben häufig auch kein Problem damit, Häuser unbewohnt herunterkommen zu lassen – warum soll man sich mit Mietern herumschlagen, wenn allein die Wertsteigerung genug Geld einbringt?

Vom Vorzeigeobjekt zur No-go-Area

Die erste große Spekulationswelle erfasste das Viertel bereits in den Siebzigerjahren, als sich in Frankfurt Hausbesetzer Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Vor allem das Westend stand im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen. Ende der Sechzigerjahre, als die Claims hier abgesteckt waren, entdeckten die Immobilieninvestoren das benachbarte Bahnhofsviertel. Unter Kaiser Wilhelm als Flanier- und Geschäftsviertel noch ein Vorzeigeobjekt der Stadt, hatte es nach 1945 bereits einen etwas anrüchigen Ruf bekommen: Hier blühte der Schwarzhandel, hier wurden Schmuggelwaren umgeschlagen, hier amüsierten sich die GIs mit Prostituierten – all das aber in einem ausgewogenen Rahmen. 1969 bekam hier der Bauunternehmer Willi Schütz die erste Genehmigung für ein Großbordell – die Stadt wollte die Straßenprostitution aus den Wohngebieten zurückdrängen und versprach sich von festen Anlaufstellen eine bessere Kontrolle.

Spekulanten merkten dann, dass sich mit der Vermietung an Bordelle, Animierbars und Spielhallen viel Geld verdienen lässt. Zu den Investoren im Bahnhofsviertel gehörte unter anderem Immobilientycoon Josef Buchmann, der bereits Ende der Fünfzigerjahre an der Moselstraße die New York City Bar und das Imperial aufgemacht hatte. Ihm gehörte auch zeitweise das Grundstück, auf dem heute die beiden Türme der Deutschen Bank stehen.

In der Folge veränderte sich das Gesicht des Viertels dramatisch: Das bürgerliche Milieu wurde zunehmend vom Rotlicht verdrängt, es folgten Drogenbanden und Spielhallen, das Bahnhofsviertel wurde zur kriminalitätsgeschüttelten No-go-Area, in der sich internationale Banden ihre Fehden lieferten.

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