Gewerbeimmobilien Warum Eigentümer nun Mieter mit üppigen Extras locken

Mietfreie Quartale, Möbelzuschüsse, Gratis-Parkett: um leere Gewerbe-immobilien zu füllen, locken die Eigentümer Mieter mit üppigen Extras.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Opernturm in Frankfurt: Mit einem dicken Welcome-Paket warb Tishman Speyer der Konkurrenz den Großmieter ab Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Es ist im Krisenjahr 2009 einer der größten Vermietungsdeals in Deutschland. Im Juni teilt Immobilienentwickler Tishman Speyer stolz mit, die Juristenkanzlei Allen & Overy werde Anfang 2011 in das neue Frankfurter Edel-Hochhaus Opernturm einziehen. Mit zwölf Jahren ist die Vertragslaufzeit ungewöhnlich lang, mit 9000 Quadratmetern die Fläche ungewöhnlich groß. In den Top-Etagen der Immobilienbranche kursiert das Gerücht, Tishman habe den noch mehrere Jahre laufenden Mietvertrag von Allen& Overy im bisherigem Domizil, dem Japan-Tower, übernommen und opfere dafür drei bis vier Millionen Euro. „Da ist absolut nichts dran“, dementiert Markus Wiedenmann aus der Tishman-Geschäftsführung – bei dieser Premium-Immobilie habe man das nicht nötig. Ein anderer am Geschäft beteiligter Manager relativiert Gerücht und Dementi: Ein „super Welcome-Paket“ habe Tishman auf den Tisch gelegt, um die Anwälte an den Opernplatz zu locken.

Auf dem Immobilienmarkt werden Büros verramscht

Alles andere wäre ein Wunder. Denn die Mieter diktieren derzeit den Eigentümern von Gewerbeimmobilien die Konditionen. Verkäufe großer Objekte sind wegen der Finanzierungsprobleme und der Vorsicht der Banken selten. Der Büroflächenbedarf sinkt dank Wirtschaftsflaute und Stellenabbau. Gleichzeitig werden Immobilien bezugsfertig, die in besseren Zeiten geplant wurden. Unterm Strich: zu viel Angebot, zu wenig Nachfrage. Darauf reagiert der Immobilienmarkt nicht anders als die Autoindustrie. So wie diese Corsa und Fiesta mit viel Rabatt und wenig Marge in den Markt drückt, so werden nun Büros verramscht. Kreative Extras, sogenannte Incentives, sorgen dafür, dass die nominalen Mieten dabei weitgehend konstant bleiben.

Das Potpourri ist vielfältig. Mietfreie Monate gewährt der Vermieter nicht mehr einen oder zwei, sondern sechs oder mehr. Er übernimmt Umzugszuschüsse, Baukostenzuschüsse für das Interieur und Marketingzuschüsse, weil der Mieter ja die neue Adresse bekannt machen muss. Mancher kauft Interessenten aus Altverträgen heraus. Ist ein Makler im Spiel, zahlt der Vermieter die Courtage. „In guten Zeiten“, sagt Ulrich Höller, Vorstandschef des börsennotierten Gewerbeimmobilienspezialisten DIC Asset in Frankfurt am Main, „ist das andersherum.“

Mieterpflege wird immer wichtiger

„Viele unserer Mieter haben selber Probleme“, impft Höller den DIC-Spezialisten ein, die rund 1700 Mietverträge im eigenen Immobilienportfolio betreuen: „Entgegenkommen gehört zu einem schlauen Mietermanagement dazu.“ Umgekehrt zeichneten sich „smarte Mieter dadurch aus, dass sie sich das niedrigere Mietniveau für längere Zeit sichern und zum Beispiel um zehn Jahre verlängern“.

Intensive Mieterpflege ist unerlässlich geworden. Georg Glatzel, Vorstandschef des börsennotierten Projektentwicklers und Investors IFM Immobilien in Frankfurt, hat zum Beispiel 50 „wichtige Mieter definiert“ – etwa nach Größe, Image und Umsatz –, die er von sich aus fragt, ob sie zufrieden sind. „Manchmal stößt man darauf, dass man jemandem schon mit einfachen Dingen wie einem größeren Parkplatz für seinen neuen Dienstwagen helfen kann“, hat Glatzel erkannt.

Wer Sorge vor der Abwerbung eines Mieters hat, bemüht sich früh um Vertragsverlängerung. Aber auch das kostet. „Lieber gibt man mal einen Euro nach bei der Miete, als dass man den Mieter vertreibt“, beschreibt Finanzchef Wolfgang Schäfers vom angeschlagenen Bonner Immobilienkonzern IVG die Lage.

Zuvor muss in Bestandsimmobilien meist investiert werden: Energieeffizientere Haustechnik, Parkett statt Teppichboden, edle Entrées und modische Trennwandsysteme aus Glas stehen häufig auf der Wunschliste der Mieter. Seit dem heißen Sommer 2003, weiß Ferdinand Rock, Deutschland-Chef des Geschäftsbereichs Bürovermietung beim Großmakler Jones Lang Lasalle, sind auch Kühlung und Klimaanlagen beliebte Extras.

Schon zwei, drei Jahre vor Auslauf der Verträge klopfen viele Unternehmen beim Vermieter an und drohen mit dem Abschied. Unterstützt werden sie dabei oft von Maklern, die vom Wechsel leben. IFM-Chef Glatzel attestiert einigen Vermittlern „bisweilen Wildwestmanier“.Einer habe einem Kunden, den er erst vor zweieinhalb Jahren in eine IFM-Immobilie vermittelt hatte, einen Umzug angeboten, was Glatzel dann abwenden konnte.

Spitzenmieten fallen um fünf Prozent

Die Spitzenmieten sind in der Krise offiziell erst um rund fünf Prozent gefallen. Sie liegen etwa in Düsseldorf und Hamburg zwischen 20 und 25 Euro, in Frankfurt bei 35 bis 40 Euro. Das ist zwar weit weniger Verlust als etwa in Spanien, weil deutsche Immobilien zuvor nicht so überschätzt wurden. Doch die Bilanzen und Statistiken geben nur einen Teil der Wahrheit wieder. DIC-Chef Höller schätzt, dass „Incentives unter dem Druck des gegenwärtigen Marktumfeldes real fünf bis zehn Prozent des aktuellen Mietwertes ausmachen“. Sie sind ein Weg, dem Mietinteressenten entgegenzukommen, ohne die Nominalmiete zu -senken. „Denn das würde zur Abwertung der Objekte und damit zu einer schlechteren Bilanz oder bei offenen Immobilienfonds zu Performance-Rückgängen führen“, erklärt Christof -Hardebusch, Chefredakteur des Fachmagazins „Immobilienmanager“.

Stefan Widmann, Mit-Geschäftsführer von BNP Paris Real Estate Consult, bestätigt: „Um den Anschein einer Preisreduzierung zu verhindern und um die Abwärtsspirale nicht zu beschleunigen, vereinbart man Vergünstigungen außerhalb des Mietvertrags.“ Denn der Wert gewerblicher Immobilien hängt vom Mietertrag ab. Widmann leitet in Frankfurt die Bewertung bei der Immobilientochter der größten französischen Bank und kennt die Tricks der Fondsgesellschaften und Immobilienkonzerne.

Finanzviertel in London: Quelle: AP

Zwar werden in seinen Gutachten alle Incentives berücksichtigt, die bei einem Mietvertrag bekannt sind. Doch die Bewertung ist stichtagsbezogen. „Zuschüsse werden gezielt als Einmalzahlung vor dem Stichtag ausgezahlt, damit sie nicht in die Bewertung einfließen und sie mindern“, sagt Widmann, dessen 18-köpfiges Team pro Jahr Immobilien im Wert von 28 Milliarden Euro einschätzt. Auch sogenannte Future-Incentives fallen bei der Bewertung nicht auf: wenn etwa bei einem Zehnjahresvertrag der Mieter ein Sonderkündigungsrecht hat und für jedes Jahr, das er länger bleibt, zwei mietfreie Monate bekommt. Widmann glaubt, dass vielen Gutachtern noch mehr entgeht: „Nicht jeder sieht die originalen Mietverträge. Oft wird einfach nach dem allgemeinen Marktlevel bewertet.“

Um nicht auf geglättete Werte hereinzufallen, empfiehlt Fachjournalist Hardebusch Anlegern und Investoren, „die Abwertungspotenziale von Immobilienanlagen zu prüfen, bevor sie sich entscheiden“. Büro- und Einzelhandelsobjekten stünden je nach Qualität und Standort weitere Wertverluste bevor. Am stärksten dürften durchschnittliche und schlechtere Qualitäten sowie Objekte in B-Lagen verlieren.

Mietern wird der rote Teppich ausgerollt

Nur wenige Unternehmen weisen von sich aus auf die wachsende Differenz zwischen nominaler und realer Miete hin. Zu den Ausnahmen gehört Polis Immobilien. Die 2009 vermieteten Polis-Flächen hätten „unter Berücksichtigung sämtlicher Incentives“ 10,76 Euro pro Quadratmeter erbracht, offenbart das Berliner Unternehmen im Halbjahresbericht.

Polis-Chef Matthias von Bodecker geht davon aus, dass der Büromarkt „auf absehbare Zeit ein Mietermarkt bleibt“. Erst 2011, schätzen die meisten Experten, kann sich die Machtbalance spürbar verändern. Ähnlich mieterfreundlich wie bei Büroflächen sei die Lage bei Logistikimmobilien sowie Einzelhandelsimmobilien in Stadtrandlage, sagt Robert Cervinka von RREEF, der Immobilienfondstochter der Deutschen Bank. Noch mindestens ein Jahr lang also wird den Mietern der rote Teppich ausgerollt. Doch das haben nicht alle mitbekommen: „Mehr als 50 Prozent der Immobiliennutzer schöpfen die derzeitigen Möglichkeiten der Kostenreduzierung nicht aus“, schätzt Jones-Lang-Lasalle-Manager Rock.

Total ausgereizt hat hingegen die japanische Investmentbank Nomura ihre Verhandlungsmacht. Im Londoner Finanzdistrikt mietete sie jetzt ihr neues europäisches Hauptquartier für 20 Jahre – die ersten sechs Jahre mietfrei und mit nominal rund 40 Pfund je Quadratfuß 43 Prozent unter dem Preis aus Boomzeiten. 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%