
Überall in Europa entstanden im vorigen Jahrhundert Arbeitersiedlungen aus einfachen Reihenhäusern. Energetisch sind sie eine Katastrophe. Es zieht und im Winter ist es kalt. Was aber tun? Abreißen – und damit gewachsene soziale Strukturen und billigen Wohnraum vernichten? Architekturstudenten der Technischen (TU) Universität Delft in den Niederlanden haben eine bessere Idee. Sie wollen den Energieschleudern eine Art Glashaube mit integriertem Sonnenkraftwerk überstülpen. Der Effekt: Der Energieverbrauch sinkt drastisch, es entsteht zusätzlicher Wohnraum – und die Investition soll sich selbst finanzieren.
In Versailles bei Paris, beim Wettbewerb Decathlon, mit dem das US-Energieministerium herausragende Solarprojekte auszeichnet, begeisterten die jungen Holländer kürzlich das Publikum mit ihrer Erfindung. Die niederländische Regierung will sie schon bald in mehreren Siedlungen erproben und gewährt dafür Zuschüsse.
Das Konzept ist technisch einfach: Die Rundum-Einhüllung mit Isolierglas ersetzt die klassische Dämmung. Das Glas hält die Wärme im Winter drinnen; im Sommer hält es das Haus kühl. Zur Sonne hin haben die Nachwuchs-Ingenieure Solarpaneele eingebaut, die den Bewohnern tagsüber den Strom liefern. An deren Unterseite streicht in Kanälen Luft entlang. Sie fängt die Wärme ein, die bei der Stromproduktion entsteht, und nutzt sie, um das Duschwasser zu temperieren oder die Heizung zu unterstützen. Dämmung und Eigenerzeugung können die Energierechnung halbieren, haben die Delfter ausgerechnet. Über die Einsparung hat sich die Glaskonstruktion, die nach vorläufigen Berechnungen rund 80.000 Euro kosten wird, nach rund zwei Jahrzehnten selbst finanziert.





Das ist aber noch nicht alles. Unter dem Solardach entsteht ein Wintergarten, der zusätzlichen Wohn- und Lebensraum bietet. Und in dem die Bewohner Salate, Gemüse und Obst ziehen können. Im Sommer lässt sich die Glasfassade öffnen, so dass die Nachtluft das Haus auskühlen kann.
Nach Schätzungen der TU Delft könnten mit dem System allein in Holland 1,4 Millionen Reihenhäuser energetisch saniert werden – in ganz Europa wären es mehrere Millionen. Auch in Deutschland ist der Nachholbedarf riesig: Mehr als zwei Drittel der 18,2 Millionen Wohngebäude hier zu Lande wurden gebaut, als sparsamer Energieverbrauch noch keine Rolle spielte.
Jetzt rücken überall auf der Welt Architekten, Forscher und Ingenieure der Verschwendung zu Leibe – ob im Bestand oder Neubau. Wir stellen einige der interessantesten Projekte vor und zeigen, mit welchen Maßnahmen jeder selbst in seinem Haus Energie sparen kann.