Häuslebauer Gefangen in der Zinsfalle

Baugeld ist so günstig wie niemals zuvor. Viele Immobilienbesitzer haben aber vor Jahren abgeschlossen und zahlen doppelt so viel wie heute. Wie Banken die vorzeitige Kündigung blockieren - und was Kunden tun können.

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Baustelle: Wer jetzt finanziert, zahlt rekordverdächtig niedrige Zinsen. Quelle: dapd

Zinsen sind ein heikles Thema. Dafür gibt es viele Beispiele, die Lebensversicherer etwa. Weil das Zinsniveau derzeit so niedrig ist, wissen die Gesellschaften nicht, wie sie ausreichende Renditen für ihre Kunden erwirtschaften sollen. Oder die Bausparkasse Wüstenrot: Die drängt Kunden mit lukrativen Altverträgen in schlechter verzinste neue Tarife, wie das Handelsblatt berichtete. Allein Häuslebauer dürfen sich über die mickerigen Zinsen freuen, möchte man meinen. Doch ganz so einfach ist die Sache leider nicht.

Denn der Blick auf die Zinskurven treibt vielen Immobilienbesitzern zurzeit die Tränen in die Augen. Wer etwa vor fünf Jahren ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung und einer üblichen Beleihung von 80 Prozent abschloss, zahlte dafür einen Zins von rund 5,5 Prozent. Heute gibt es vergleichbare Kredite im Durchschnitt zu einem Satz von 2,5 Prozent. Die Mehrkosten summieren sich bei einem Darlehen in Höhe von 300.000 Euro über die zehn Jahre auf 90.000 Euro.

Altkunden können vom historischen Zinstief nicht profitieren. Bei Darlehen mit einer Zinsbindung von zehn Jahren können Kunden das Darlehen erst nach Ablauf der Zinsbindung kündigen. Wer eine längere Zinsbindung vereinbart hat, kann frühestens nach zehn Jahren ab Vollauszahlung des Darlehens mit sechs Monaten Kündigungsfrist kostenfrei ganz oder teilweise kündigen.

Bis dahin können Kunden mit Standard-Darlehen nur auf die Kulanz der Bank hoffen. Laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss die Bank einer vorzeitigen Tilgung nur zustimmen, wenn die Immobilie verkauft wird oder die Bank einer Nachfinanzierung nicht zustimmt, die eine andere Bank bei freiem Grundbuch durchwinken würde. Wer nur von den niedrigen Zinsen profitieren will oder sein Grundbuch bereinigen will, hat keinen Rechtsanspruch auf eine vorzeitige Darlehensrückzahlung.

Ein Urteil, was eigentlich den Kunden nutzen sollte, entwickelt sich dabei zum Bumerang. Die meisten Banken bieten ihren Kunden auch bei Standard-Darlehen seit einigen Jahren eine Option zur Sondertilgung. Kreditnehmer können damit einen bestimmten Betrag - meist fünf Prozent der Darlehenssumme pro Jahr- kostenfrei tilgen.

Kunden klagten vor Gericht, dass mögliche Sondertilgungen bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigt werden muss und erhielten Recht (LG Heidelberg Az. 1 O 219/05 oder LG Darmstadt Az. 25 S 43/06). „Da die Vorfälligkeitsentschädigung deshalb deutlich niedriger ausfällt, weigern sich viele Banken die Kunden aus den Kreditverträgen zu lassen, wenn das laut obigen BGH-Vorgaben nicht notwendig ist“, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH Finanzberatung.

Wie sich der Unterschied auswirkt, zeigt seine Rechnung. Wer etwa im Jahre 2011 ein Darlehen über 150.000 Euro zu einem Effektivzins von 3,92 Prozent und einer Tilgung von zwei Prozent abgeschlossen hat, müsste aktuell bei einer Zinsbindung von zehn Jahren eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 26.580 Euro bezahlen. Bei einer Option zur Sondertilgung in Höhe von fünf Prozent per annum müsste die Bank auf rund 8.500 Euro verzichten.


Was die Kündigung kostet

Wenn sich Kreditberater stur stellen, wird es teuer und kompliziert. Diese Erfahrung musste eine Seniorin machen, die ihr Objekt an den Enkel verkaufen wollte. Der hatte bereits vor Jahren eine kleine Modernisierung des Objekts mit einem Bankvorausdarlehen über 20.000 Euro auf seinem Namen bei einer Bausparkasse finanziert.

Hätte es sich um ein Bauspardarlehen gehandelt, wäre die Ablösung problemlos möglich gewesen. Da es sich aber um ein Bankvorausdarlehen einer Bausparkasse handelte, für das nur Zinsen bezahlt wurden und das später mit dem anzusparenden Bausparvertrag abgelöst werden sollte, hatte der Enkel keinen Anspruch auf eine vorzeitige Kündigung.

Das Problem: Eine Kaufpreisfinanzierung wäre nur schwer möglich gewesen oder sogar geplatzt, weil das Vorausdarlehen in Höhe von 20.000 Euro im Grundbuch im ersten Rang stand und der viel größere Finanzierungsanteil für den Kauf des Objekts nur im zweiten Rang eingetragen würde. Banken tun sich mit Finanzierungen im zweiten Rang schwer, weil sie bei einer möglichen Zwangsversteigerung dem erstrangigen Schuldner den Vortritt lassen müssen.

Die Bausparkasse ließ die 90 Jahre alte Dame und den Enkel monatelang auf mehreren Hierarchieebenen abblitzen. Erst als sich Berater Herbst einschaltete, stimmte die Bausparkasse nach Einwirkung der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit einer vorzeitigen Kündigung gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach in Höhe von mehr als 2.000 Euro zu.

Bei allen Fällen, bei denen die Vorgaben des Bundesgerichtshofes nicht gelten, kann das Institut die Vorfälligkeitsentschädigung frei festlegen, auch Summen die den Schaden weit übersteigen sind erlaubt. Bedingung: Die Forderung darf nicht sittenwidrig hoch ausfallen. Damit liegt die Grenze beim Doppelten des tatsächlichen Verlustes der Bank.

Immerhin müssen die Banken für Transparenz zu sorgen, der Kunde muss die Berechnung der Ausfallforderung nachvollziehen können. Wie fair das Angebot der Hausbank ist, können Kunden im Internet auf der Seite www.fmh.de/VFE kostenfrei berechnen oder bei den Verbraucherzentralen gegen 70 Euro Gebühr berechnen lassen.

Anders sieht es aus, wenn Kunden ein berechtigtes Interesse nachweisen kann, etwa weil er sein Haus wegen eines Jobwechsels in eine andere Stadt verkaufen möchte oder das Darlehen aus Geldnot aufstocken muss. Hier zeigen viele Geldgeber Kulanz, sind aber nicht endgültig über BGH-Urteile dazu verpflichtet. Auch in diesen Fällen kann es sich lohnen die Kalkulation nachzuprüfen. Laut Verbraucherzentrale Bremen sind knapp 30 Prozent der Berechnungen falsch.

Verbraucherschützer raten dazu, die Berechnungen von Vorfälligkeitsentschädigungen nachprüfen zu lassen. „Wir müssen aktuell so viele Berechnungen überprüfen, wie seit Jahren nicht mehr“, sagt Christian Schmid-Burgk, Fachbereichsleiter Baufinanzierung bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Banken sollen etwa Sondertilgungsoptionen ignorieren, ersparte Risikokosten zu niedrig ansetzen oder Verwaltungskosten aufblähen. „Der Unterschied macht oft mehrere tausend Euro aus, oft berechnen die Institute bis zu 20 Prozent zu viel“.

Auch wenn die Vorfälligkeitsentschädigung längst gezahlt wurde, lohnt eine Prüfung. Ansprüche aus zu hoch veranschlagten Vorfälligkeitsentschädigungen verjähren erst nach drei Jahren. Wobei ab Ende des Jahres gerechnet wird, in dem der Anspruch entstand. Aus finanzieller Sicht lohnt eine vorzeitige Tilgung wegen niedriger Zinsen aber nicht. „Ich habe in diesem Jahr noch keine Rechnung gesehen, bei der der Kunde einen besseren Schnitt als die Bank gemacht hätte“, sagt Herbst. "Ein Forward-Darlehen wäre die bessere Empfehlung gewesen".

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