Neue Heizung Berlins Förderung: Wenn der Kesseltausch allein nicht genug ist

Heizkessel-Förderung für Gasheizungen: Anforderungen dürften für viele zu hoch sein Quelle: imago images

Die Regierung will den Einbau moderner Heizkessel stärker fördern. Wer genau in die Pläne schaut, erkennt aber: Um die Förderung nutzen zu können, müssen Verbraucher mehr investieren, als auf den ersten Blick vermutet.

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Deutsche Wohnimmobilien sollen klimafreundlicher werden und zwar in möglichst schnellen Schritten. Das ist der Plan der Bundesregierung, dessen Maßnahmen sie in ihrem „Klimaschutzprogramm 2030“ niedergeschrieben hat. Dazu zählt auch die Erneuerung von Heizungsanlagen. Aktuell heizen die Deutschen überwiegend fossil: Von den 20,7 Millionen Zentralheizungen werden 13,4 Millionen mit Gas und 5,5 Millionen mit Öl betrieben. 57 Prozent dieser Heizungen sind laut einer Erhebung des Bundesverbands des Schornsteinfegerhandwerks ineffizient. Der Grund: Sie sind nicht auf dem neusten Stand der Technik, arbeiten noch mit einer veralteten Heizwerttechnik statt einer deutlich effizienteren Brennwerttechnik. Schon wer nur seine alte Ölheizung gegen eine Gas-Brennwert-Anlage tauscht, spart 30 bis 40 Prozent CO2. Heizkörper und Rohre in den Wänden können bleiben, nur der Heizkessel selbst muss getauscht werden. Nichtsdestotrotz tun sich Eigentümer hierzulande bislang sehr schwer eine noch funktionstüchtige Heizung zu ersetzen, wie Erfahrungen der Branche zeigen.

„Viele Hauseigentümer haben in den vergangenen Jahren bereits am Energieträger Öl gezweifelt – sowohl wegen steigender Preise als auch der verstärkt diskutierten Umweltbilanz – letztlich aber beim Austausch gezögert, weil sie die Kosten scheuten“, sagt Reinhard Loch, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Trivial erklärt: Genau deshalb legt die Bundesregierung ihr Förderprogramm auf.“

Das sollte nach Plänen der Großen Koalition noch vor Jahresende auf den Weg gebracht werden und ab 1. Januar 2020 gelten. Nach zahlreicher Kritik am sogenannten Klimapaket der Bundesregierung – auch aus den Bundesländern – muss unter anderem gerade die Förderung für Haus-Sanierungen nun nachverhandelt werden. Der Bundesrat beschloss dazu am Freitag einstimmig, den Vermittlungsausschuss anzurufen, in dem Bundestag und Bundesrat nun nach Kompromissen suchen müssen. Entscheidender Streitpunkt: die Verteilung von Kosten zwischen Bund und Ländern. Nichtsdestotrotz hofft die Bundesregierung auch für diese Regelungen noch vor Weihnachten einen Kompromiss zu finden.

Um Hausbesitzern mehr Anreize für eine Klimasanierung in den eigenen vier Wänden zu geben, wurden entsprechende Beschlüsse für das „Klimaschutzprogramm 2030“ der Bundesregierung gefasst. Neben Fördermaßnahmen für energetische Sanierung von Türen, Fenstern und zusätzlichen Dämmmaßnahmen soll es durch die „Energetische Sanierungsmaßnahmen-Verordnung“, kurz ESanMV, ab 2020 für einen Zeitraum von zehn Jahren auch steuerliche Erleichterungen für den Austausch alter Heizkessel geben – durch einen prozentualen Abzug der Aufwendungen von der Steuerschuld. Je Objekt beträgt die Steuerermäßigung in der Regel 20 Prozent der Aufwendungen, maximal insgesamt 40.000 Euro.

Für den Wechsel zum energieeffizienteren Gas-Brennwertkessel klingt das erst einmal vielversprechend. Im aktuellen Verordnungsentwurf des Bundesfinanzministeriums sind allerdings auch sehr konkrete Bedingungen aufgelistet, die gewährleistet sein müssen, wenn Eigentümer ihren Kesseltausch vom Bund fördern lassen wollen – und die haben es durchaus in sich.

Manches ist keine Hürde: So muss die „jahreszeitbedingte Raumheizungseffizienz“ nachgewiesen werden – hier reicht der Effizienznachweis des Kessel-Herstellers aus. Andere Anforderungen könnten Eigentümer aber sehr schnell abschrecken.
Wohl das größte Problem: Wer von der Förderung Gebrauch machen möchte, muss seinen Gas-Brennwertkessel nämlich innerhalb von zwei Jahren hybridisieren. Das heißt zum einen, dass im neuen Kessel eine hybridfähige Steuerungs- und Regelungstechnik „für den künftigen erneuerbaren Anteil des Heizsystems installiert“ werden muss.

„Renewable Ready“ ist der Fachbegriff und bedeutet, dass die Anlage nicht nur mit Gas, sondern ohne größere Umbauten auch mit anderen umweltfreundlichen Energiegebern (meist Solarthermie, seltener Wärmepumpentechnik) betrieben werden kann. Zudem muss bereits bei Installation des neuen Kessels ein „Konzept für die geplante Auslegung der Maßnahme zur künftigen Nutzung erneuerbarer Energien in dem Heizsystem“ vorgelegt werden. Die Folge: Spätestens zwei Jahre nach dem Einbau (gerechnet ab dem Datum der Installation des Gas-Brennwertkessels) müssen 25 Prozent der Heizleistung aus erneuerbaren Energien eingespeist werden.

Ist das zu viel verlangt? „Die Bundesregierung läuft Gefahr, den gewünschten Heizungstausch nicht anzureizen, sondern zu blockieren“, kritisierte zumindest Timm Kehler, Vorstandschef des Vereins „Zukunft Erdgas“ das Vorhaben gegenüber dem „Handelsblatt“. Ganz so scharf bewerten andere Branchenkenner die Lage nicht, sehen aber großen Aufklärungsbedarf: „Aus unserer Sicht besteht die Notwendigkeit, gegenüber dem Verbraucher klar zu kommunizieren: die Zusatzinvestitionen machen die Heizungsanlage sicherlich teurer, erhöhen aber auch den Förderbeitrag“, kommentiert Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) gegenüber der WirtschaftsWoche die Pläne der Bundesregierung.

Berlin habe in dem nun vorgelegten Gesetzesbeschluss auf Kritik der Branche reagiert und den abzugsfähigen Höchstbetrag pro Steuerjahr verdoppelt. „Ein Restrisiko, dass so mancher Hauseigentümer angesichts der damit verbundenen Kosten lieber auf die Förderung verzichtet und schlimmstenfalls seine alte Heizungsanlage weiter betreibt, ist natürlich gegeben“, räumt aber auch Bramann ein.

Wer beispielsweise beim Gas-Brennwertkessel die Einbindung von Solarthermie zur Heizungsunterstützung und Warmwasserbereitung in einem Ein- oder Zweifamilienhaus plant, muss dadurch laut ZVSHK mit Zusatzkosten von schätzungsweise 5500 Euro rechnen. Für die spätere Installation der Solarkollektoren falle dann noch einmal ein Betrag ähnlicher Höhe an.

„Bei jeder Sanierung müssen sie letztlich erst einmal viel Geld in die Hand nehmen und hoffen, dass sich Ihre Investition bezahlt macht“, meint Energieexperte Loch zu den Ausgaben. „Mit der neuen Förderung zusammen kann sich der Einbau von Solar in Kombination mit der Gasheizung für einen Standard-Haushalt von drei bis vier Personen lohnen. Dann ist das eine sinnvolle Investition.“ Bei vielen sei eine andere Problematik wahrscheinlich viel größer: „Viele wissen vermutlich nicht, welche baulichen Veränderungen dieser Schritt mit sich bringt. Sie scheuen vor allem den baulichen Aufwand bei einem Energieträgerwechsel und die damit verbundenen aufwändigen Sanierungen, etwa dem Verlegen von Leitungen oder dem Entsorgen des alten Öltanks“.

KfW fördert bereits den Kesselaustausch

Einzelne Schritte zu machen, wie es die ESanMV ansinnt, also erst die Umrüstung auf den Gas-Brenntwertkessel und dann innerhalb von zwei Jahren die Ausstattung mit Solarthermie bezeichnet Hans Weinreuter, Energiereferent der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz als „nicht sinnvoll“: „‚Renewable-Ready‘ bedeutet die Regelung muss bereits bei Installation sowohl den Gas-Heizkessel als auch die theoretisch geplante Solaranlage ansteuern können und der Warmwasserspeicher sollte ebenfalls bereits Solaranlagen-tauglich sein – rund ein Drittel der Investitionen ist damit ja bereits getätigt. Warum dann noch bis zu zwei Jahre warten, um dann die Kollektoren auf dem Dach nachzurüsten?“

Sein Rat: Wer sich für den Schritt entscheidet und seine Heizung so umrüsten möchte, dass die Förderung des Bundes genutzt werden kann, der sollte gleich das Komplettpaket planen und umsetzen. „Wahrscheinlich ist es im Gesamtpaket ohnehin günstiger als den Installateur eineinhalb Jahre später noch einmal kommen zu lassen.“

Wichtig für den Verbraucher: Bei der Förderung des Bundes muss jedem klar sein, dass es nicht um eine Förderung des reinen Kesseltauschs geht, sondern im Grunde um die Umstellung auf eine Hybridanlage – üblicherweise wahrscheinlich eben Gas und Solarthermie. Ab 2030 soll der Einbau von neuen Ölheizungen und anderen „ausschließlich fossil betriebenen Heizungsanlagen in Gebäuden“ dem Entwurf nach ohnehin verboten werden. Das könnte letztlich auch die reine Erdgasheizung treffen, die nicht als Hybrid arbeitet. Um umweltfreundlichere Systeme werden Immobilienbesitzer in der Bundesrepublik langfristig also ohnehin nicht herum kommen.

„Grundsätzliches Thema rund um die energetische Modernisierung: Die Leute sind sehr fixiert auf die Anfangsinvestition. Für viele ist dies das Hauptkriterium bei der Entscheidung für oder gegen bestimmte Maßnahmen“, sagt Weinreuter. „Entsprechend wird es Menschen geben, die nur scheinbar die billigste Lösung suchen, ohne die Gesamtkosten über 20 Jahre zu betrachten.“ Diese würden einfach schnell noch vor Inkrafttreten des Verbots eine neue Ölheizung einbauen. „Wer konstruktiver an die Veränderungen herangeht, wird auf energieeffizientere Alternativen blicken und sich womöglich für zukunftsfähigere Lösungen entscheiden.“ In diesem Fall könnte der Blick statt auf die Hybridanlage mit Gas und Solar am Ende auf Pelletheizung oder Wärmepumpenanlage fallen, die etwa von den Verbraucherzentralen als umweltfreundlichere Alternativen betrachtet werden. „Grundsätzlich sollte man auch die Dämmung der Gebäudehülle mit betrachten, um eine optimale Lösung zu finden“, meint Weinreuter.

Einen Effekt hatte die Ankündigung des Klimapaketes in der Heizungsbranche derweil aber bereits und dieser zeigt, „wie sensibel Anlagenbetreiber auf die bloße Ankündigung von Klimaschutzmaßnahmen im Heizungskeller reagieren“, meint ZVSHK-Chef Brammann: Die vom Verband vertretenen Betriebe hätten allein in den ersten vier Wochen nach Bekanntwerden des Klimapaketes Auftragsstornierungen in dreistelliger Millionenhöhe gemeldet. Viele warten also nun erstmal ab, was der Bund ihnen für ihre Sanierung im Heizungskeller bieten wird.

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