Auf den ersten Blick sind Immobilienbesitzer in Deutschland nur zu beneiden. Die Preise sind auf einem Rekordhoch, gleichzeitig sorgen günstige Finanzierungskonditionen dafür, dass potenzielle Käufer Schlange stehen. Kein Wunder, dass Immobilien oft als tolle Altersvorsorge angepriesen werden. „Für Ihre Altersvorsorge“ prangt in großen Lettern über einer Wohnungsanzeige in einem der gängigen Online-Immobilienportale. Verkauft werden soll eine derzeit vermietete Eigentumswohnung in Dresden.
Das Problem: oft zeigt sich erst Jahre nach dem Kauf, ob die Immobilie auch tatsächlich für die Altersvorsorge geeignet ist. Denn auch die eigenen vier Wände sind als Kapitalanlage nicht so sicher, wie viele denken. Je näher es auf den Ruhestand zugeht, desto dringender werden die Fragen: soll die Wohnung behalten werden, um von den regelmäßigen Mieteinnahmen zu profitieren? Nutze ich die hohen Preise lieber für einen schnellen Verkauf? Oder kann ich die Wohnung selber beziehen und spare damit die Miete?
Wo die Immobilienpreise am stärksten fallen
Nettokaufpreis:
2012: 180.000 Euro
2013: 165.000 Euro
Preisveränderung: -8,3 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Quelle: Immobilienverband Deutschland IVD - Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Verwalter und Sachverständigen e.V.; veröffentlicht am 1. Oktober 2013
Nettokaufpreis:
2012: 175.000 Euro
2013: 160.000 Euro
Preisveränderung: -8,6 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Lüdenscheid
Nettokaufpreis:
2012: 220.000 Euro
2013: 200.000 Euro
Ohrdruf
Nettokaufpreis:
2012: 110.000 Euro
2013: 100.000 Euro
Preisveränderung in beiden Städten: -9,1 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Nettokaufpreis:
2012: 150.000 Euro
2013: 130.000 Euro
Preisveränderung: -13,3 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Nettokaufpreis:
2012: 190.000 Euro
2013: 160.000 Euro
Preisveränderung: -15,8 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Nettokaufpreis:
2012: 245.000 Euro
2013: 205.000 Euro
Preisveränderung: -16,3 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Nettokaufpreis:
2012: 270.000 Euro
2013: 220.000 Euro
Preisveränderung: -18,5 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Nettokaufpreis:
2012: 235.000 Euro
2013: 190.000 Euro
Preisveränderung: -19,1 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Nettokaufpreis:
2012: 105.000 Euro
2013: 80.000 Euro
Preisveränderung: -23,8 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Nettokaufpreis:
2012: 140.000 Euro
2013: 90.000 Euro
Preisveränderung: -35,7 Prozent
Preise beziehen sich auf Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit mittlerem Wohnwert
Eins vorweg: eine pauschale Antwort auf derartige Fragen gibt es nicht. „Ob es sinnvoll ist, die Immobilie zu verkaufen, oder sie als Mietwohnung mehr abwirft, kommt immer auf die individuelle Situation an“, erklärt Dirk Scobel, Immobilien-Experte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Nicht nur die Lage der Immobilie spiele dabei eine entscheidende Rolle, sondern auch die persönliche finanzielle Situation.
Preis allein ist kein Argument
Denn wer denkt, die hohen Immobilienpreise seien per se ein guter Grund zum Verkauf, hat möglicherweise zu kurz gedacht. „Wer aktuell Geld braucht, kann natürlich verkaufen“, sagt Scobel. Von einem Verkauf nur aufgrund der hohen Preise rät der Verbraucherschützer allerdings ab. „Das Geld muss ja auch wieder irgendwo angelegt werden“. Und auf Sparbüchern oder mit Tages- oder Festgeld sei eben im Moment aufgrund der niedrigen Zinsen kaum Rendite möglich.
Wer sich dennoch für den Verkauf entscheidet, muss die Einnahmen entsprechend aktiv anlegen und verwalten. Einfach auf einem Sparkonto geparkt werden sollte das Geld nicht. Mit dem reinen Verkauf ist es also nicht getan, viel Zeit und Aufwand muss investiert werden, um das frei werdende Kapital sinnvoll und altersgerecht wieder anzulegen.
Hinzu kommt die Crux mit der Lage. Denn längst nicht überall sind die Preise auf Rekordniveau. Wer eine Immobilie im ländlichen Raum besitzt, hat oft eher mit Wertverlust zu kämpfen als mit steigenden Verkaufspreisen. Dabei sind es gerade diese Gegenden, in die viele Immobilienkäufer zur Altersvorsorge gelockt wurden. Nicht nur in Ostdeutschland wurden Wohnungen als mögliche Renditeknaller gezielt als Altersvorsorge angepriesen, auch in anderen strukturschwachen Gegenden wie rund um Duisburg wurde mit dem Vorsorge-Verkaufsargument die Werbetrommel gerührt.
Verkaufen trotz Wertverlust?
Auch Bert Schneider* hat vor vielen Jahren in Magdeburg eine Zwei-Zimmer-Wohnung gekauft – als Absicherung fürs Alter. Die 55 Quadratmeter große Bleibe liegt am Stadtrand und ist derzeit vermietet. Immerhin 320 Euro bringt sie monatlich in die Kassen des Rentners. Nun überlegt Schneider, ob er die Wohnung nicht lieber verkaufen sollte. Mit dem Geld hofft er, mögliche Pflegekosten bezahlen zu können.
Landkreise mit dramatischem Bevölkerungsschwund
Bevölkerung 2011: 147.900 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 20301: 23,5 Prozent
Leerstandsquote 2011: 7,8 Prozent
1Prognose bei konstanter Pro-Kopf-Wohnfläche
Quelle: IW Köln, 5.9.2013
Bevölkerung 2011: 96.700 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 22,7 Prozent
Leerstandsquote 2011: 12,1 Prozent
Bevölkerung 2011: 37.000 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 22,6 Prozent
Leerstandsquote 2011: 8,2 Prozent
Bevölkerung 2011: 205.500 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 21,9 Prozent
Leerstandsquote 2011: 10,2 Prozent
Bevölkerung 2011: 172.100 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 21,7 Prozent
Leerstandsquote 2011: 9,1 Prozent
Bevölkerung 2011: 117.900 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,7 Prozent
Leerstandsquote 2011: 7,4 Prozent
Bevölkerung 2011: 86.000 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,4 Prozent
Leerstandsquote 2011: 14,0 Prozent
Bevölkerung 2011: 110.200 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,2 Prozent
Leerstandsquote 2011: 7,2 Prozent
Bevölkerung 2011: 189.700 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,0 Prozent
Leerstandsquote 2011: 10,1 Prozent
Bevölkerung 2011: 113.300 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,0 Prozent
Leerstandsquote 2011: 6,6 Prozent
Auch im Fall von Schneider ist der Wertverlust bereits immens. Durchschnittlich 1000 Euro pro Quadratmeter bekommen Verkäufer in Magdeburg laut einem Preisspiegel der Bausparkasse LBS. Gekauft hat Schneider für viel mehr. Trotzdem will er verkaufen. So kann zwar einerseits ein noch höherer Wertverlust verhindert werden. Allerdings entfallen auch die regelmäßigen Mieteinnahmen, welche durchaus ein Pfeiler der Altersvorsorge sein können.
Wie können Immobilienbesitzer trotz schlechterer Ausgangslage einen akzeptablen Preis erzielen? Oder sollten sie lieber Vermieter bleiben?
Steuerfragen beantworten
Zunächst gilt es zu klären, ob sich der Verkauf überhaupt lohnen kann. Zwar ist der Gewinn aus dem Verkauf der Immobilie grundsätzlich steuerfrei. Allerdings müssen dafür gewisse Bedingungen erfüllt sein – wer diese nicht einhält, zahlt Einkommensteuer auf den Verkaufserlös.
Wird eine Immobilie weniger als zehn Jahre besessen, geht der Fiskus davon aus, dass es sich um ein Spekulationsobjekt handelt. Bei der Frist gelten klare Grenzen. Es gilt jeweils das Datum des Notarvertrags, nicht das Datum, an dem die Eigentümer die Wohnung übernommen haben. Wichtig ist diese Frist vor allem für Immobilienbesitzer, die ihr Objekt vermietet haben. Wer dagegen ausschließlich oder zumindest im Jahr vor dem Verkauf selber in dem Haus oder der Wohnung gelebt hat, muss sich keine Sorgen machen, diese Immobilien sind von der Steuerpflicht befreit.
Soweit die Regeln für private Immobilienverkäufer. Gewerbliche Verkäufer dagegen – wer innerhalb von fünf Jahren mehr als drei Immobilien zeitnah nach dem Kauf wieder verkauft gilt beim Fiskus als gewerblich – zahlen Steuern auf ihren erzielten Wertzuwachs.
Auch die Mietsituation kann sich auf den Verkauf auswirken. „Ist die Wohnung vermietet, schmälert das in der Regel den Kaufpreis“, erklärt Scobel. Zwar sorgt der Mieter für Sicherheit. Andererseits sind dem neuen Eigentümer die Hände gebunden. Besteht ein alter Mietvertrag zu günstigen Konditionen für den Mieter, kann auch der neue Eigentümer da nicht einfach so dran rütteln.
*Name geändert
Nicht irgendwo kaufen
Da viele das als Nachteil sehen, warten einige mit dem Verkauf, bis der Mieter auszieht. Auch ein Verkauf an den aktuellen Mieter wäre möglich. Damit liebäugelt auch Bert Schneider. Dabei spielt allerdings die Angebotssituation am jeweiligen Ort eine große Rolle. Je größer das Angebot an bezahlbaren Mietwohnungen, desto geringer ist in der Regel das Interesse an einer eigenen Immobilie – insbesondere in Wohngegenden mit einer unklaren preislichen Perspektive.
Anders als in Frankfurt, Hamburg oder Köln könnte es in anderen Lagen also schwieriger werden, überhaupt einen Käufer für die Wohnung zu finden. Doch auch hier gilt: es kommt auf den individuellen Fall an. Einige B- und C-Lagen sind laut Experten immer stärker gefragt, weil die Käufer dahin ausweichen. Städte wie Fulda, Leipzig oder Marburg bieten Chancen. Das bestätigten zuletzt immer wieder Umfragen unter Käufern. Auch der Immobiliendatenanbieter empirica-systeme rät, sich in Universitätsstädten oder im Speckgürtel der gefragten Zentren umzusehen. Hier ließe sich noch eine attraktive Rendite erwirtschaften, so Sebastian Hein von empirica-systeme.
Selber umziehen?
Wer dagegen in einer wenig gefragten Lage gekauft hat und langfristig den Ärger mit Mietern scheut, kann sich lediglich überlegen, die Immobilie im Ruhestand selber zu nutzen. Bei der zum Verkauf stehenden Wohnung in Dresden wäre das kein Problem, sie ist im Erdgeschoss. Doch nicht nur die Ausstattung spielt dafür eine Rolle, auch die Lage. Gerade die als Renditeknüller angepriesenen Wohnungen zur Altersvorsorge haben oft keine seniorengerechte Infrastruktur oder sind nicht mit der persönlichen Lebenssituation vereinbar. Die Eigennutzung ist also in den seltensten Fällen eine Alternative zum verkaufen oder vermieten.
Ein einfaches richtig oder falsch gibt es also bei der Frage vermieten oder verkaufen nicht. Aber das Dilemma zeigt auf, warum viele Immobilien, die als Altersvorsorge gekauft werden, am Ende oft nicht die erhoffte finanzielle Absicherung im Ruhestand einbringen. „Wer seine Altersvorsorge teilweise aus einer Immobilie finanzieren will, sollte in Lagen kaufen, deren Qualität er einschätzen kann“, rät Verbraucherschützer Scobel.
Viele machen den Fehler, und denken beim Thema Immobilien und Altersvorsorge nur an die mögliche Rendite. Dort wo es günstig ist, weit weg vom eigenen Wohnort, wird gekauft. Das ist aber oft ein Fehler. Nicht nur, weil man das Preispotenzial der Lage häufig falsch einschätzt. Zudem wird es gerade im Alter beschwerlich, wenn man selber in Schwaben wohnt, die Immobilie sich allerdings in Hannover befindet.