Immobilien Baugenehmigungen für Wohnungen sinken im ersten Halbjahr 2019 um 2,3 Prozent

Immobilienverbände mahnen schnellere Verfahren an. Das Gros der Rückgänge entfällt jedoch auf Wohnheime – und daran besteht auch weniger Bedarf.

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Union und SPD streben im Koalitionsvertrag an, bis 2021 rund 1,5 Millionen Wohnungen zu bauen. Quelle: dpa

Wiesbaden In den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 wurde in Deutschland der Bau von 164.600 Wohnungen genehmigt. Das teilt das Statistische Bundesamt mit. Die Zahl liegt 2,3 Prozent unter dem ersten Halbjahr 2018.

Angesichts der sinkenden Baugenehmigungszahlen bei anhaltender Wohnungsknappheit in den Großstädten spart die Immobilienbranche nicht an Kritik. Der Verband der Wohnungsunternehmen GdW spricht von einem „Alarmsignal für die Zukunft des bezahlbaren Wohnens“. „Von den jährlich notwendigen neuen Wohnungen in Deutschland bleiben wir meilenweit entfernt“, kommentiert Axel Gedaschko, Präsident des GdW die Zahlen.

Die große Koalition möchte in der laufenden Legislaturperiode bis zu 1,5 Millionen Wohnungen bauen lassen, das entspricht 375.000 Wohnungen pro Jahr. Experten hielten das Ziel von Beginn an für überambitioniert.

Andreas Ibel, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, weist laut Deutscher Presseagentur auf ein weiteres Problem hin: „Der Grundstücksmarkt, der den Flaschenhals für mehr Baugenehmigungen bildet, ist nahezu ausgetrocknet.“ Kommunen müssten nun ausreichend bezahlbares Bauland ausweisen, damit der Wohnungsbau nicht auf der Strecke bleibe.

Hauptverantwortlich für die rückläufigen Baugenehmigungen sind allerdings die Wohnheime. Sie brachen um ein Drittel ein. Nach 2015 kamen deutlich weniger Flüchtlinge in Deutschland an (waren es 2015 noch knapp 750.000, fiel diese Zahl 2018 auf 185.000), was zu einem deutlich geringeren Bedarf an Wohnheimen führte. Rechnet man diesen Effekt heraus und betrachtet die Zahlen, dann sind im ersten Halbjahr nur ein Prozent Wohnungen weniger genehmigt worden als im Jahr zuvor. Der vermeintlich große Rückgang gemessen an den Gesamtzahlen relativiert sich.

Ohnehin ist fraglich, wie stark sich der Wohnungsbau noch ausweiten lässt. Im vergangenen Jahr wurden 285.900 Wohnungen fertiggestellt, so viele wie zuletzt vor 16 Jahren. Der Bauüberhang, also die Differenz zwischen den genehmigten aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen beläuft sich auf knapp 700.000 Wohnungen.

Neubaulücke bei Eigenheimen auf rund 400.000 gewachsen

Die Baubranche arbeitet schon seit Monaten an der Kapazitätsgrenze. Dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes zufolge scheitere eine noch höhere Bautätigkeit in vielen Unternehmen am Fachkräftemangel. „Zwar gelingt es den Unternehmen auch wieder, mehr Ausbildungsplätze zu besetzen, insgesamt aber nicht in dem erhofften Umfang“, heißt es in einer Mitteilung des ZDB von Anfang der Woche.

Der Immobilienverband IVD moniert indes die stagnierenden Zahlen bei den Genehmigungen für Eigenheime. Die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser ist bei 44.500 annähernd gleichgeblieben (- 0,1 Prozent). „Es bedürfte jährlich rund 150.000 neuer Einfamilienhäuser, um die Nachfrage zu decken. Davon sind wir leider weit entfernt“, sagt IVD-Präsident Jürgen Michael Schick. Er bezieht sich auf eine Studie des Immobilienanalysehauses Empirica. Laut dieser Studie ist die Neubaulücke bei Eigenheimen seit 2012 auf rund 400.000 Eigenheime gewachsen.

Schick zufolge habe der Angebotsmangel bei den Eigenheimen Rückkopplungseffekte: Können Familien nicht in Eigenheime ziehen, blieben sie gezwungenermaßen in Mietwohnungen, die wiederum den Familien, die sich ein Eigenheim nicht leisten können, nicht zur Verfügung stünden. „Eine spezifische Förderung für den Eigenheimbau würde daher nicht nur Familien beim Eigentumserwerb helfen. Es würde auch zu einer Entlastung im Marktsegment der großen familientauglichen Wohnungen gerade in den Ballungsräumen führen“, sagt Schick.

Das im vergangenen Jahr eingeführte Baukindergeld gilt als eine Maßnahme, die den Eigenheimbau fördern könnte. Tatsächlich wird die Förderung auch angenommen: Bislang haben laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau 112.000 Familien das Baukindergeld beantragt. Mehr als drei Viertel der Anträge entfallen jedoch auf den Erwerb eines Eigenheims, nicht den Neubau, moniert Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. Das treibe die Preise für Eigentumswohnungen in die Höhe. „Viel schlimmer aber ist, dass insbesondere in Großstädten jetzt wieder verstärkt Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt und die bisherigen Mieter aus ihren Wohnungen verdrängt werden“, sagt Siebenkotten.

Mehr: Kaufpreise und Mieten von Büroimmobilien steigen stark, in Deutschland und in Europa. Eine neue Studie soll zeigen, wo bereits Überbewertungen drohen.

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