Immobilien in Deutschland „Wir müssen vor einer Überhitzung aufpassen“

Die Wohnungspreise in Großstädten steigen ungebremst. Kritiker sehen bereits eine erneute Blase. Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank, hält im Interview dagegen – kritisiert aber einen anhaltenden Trend.

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Die Wohnungspreise in deutschen Großstädten enteilen den Mieten. Die Bundesbank warnte jüngst vor Überhitzung am Immobilienmarkt. Quelle: dpa

Frankfurt Stefan Bielmeier behält das große Ganze im Blick. Muss er auch. Denn als Chefvolkswirt der DZ-Bank, dem zentralen Institut der Genossenschaftsbanken, liegt es in seiner Verantwortung, den Überblick über die globalen Finanzmärkte zu wahren. Was er von Trends hält oder auch nicht, schreibt er regelmäßig auf seinem Blog. Jüngst nahm er einen neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung unter die Lupe, der die Blasenbildungen am Immobilienmarkt möglichst verhindern soll. Der Experte warnt insgesamt vor einer Marktüberhitzung, die mit hohen Risiken verbunden sei.

Herr Bielmeier, laut einem neuen Gesetzentwurf sollen die Finanzaufsicht Bafin und die Bundesbank im Falle einer drohenden Immobilienblase eingreifen dürfen und beispielsweise die Kreditvergabe einschränken. Woran erkennen wir denn eine Blase?
Dafür gibt es kein genaues Maß. Genau das ist ja das Schwierige. Steigende Preise allein sagen noch nichts darüber aus, ob ein Immobilienmarkt überhitzt ist. Für eine Überhitzung braucht es zum Beispiel auch einen deutlichen Anstieg der Verschuldung der privaten Haushalte.

Ein Anstieg ist im Moment aber noch nicht zu erkennen. In der Regel finanzieren die Deutschen ihre Wohnung oder ihr Haus noch mit 20 Prozent Eigenkapital.
Auf dem Markt spielt natürlich auch das niedrige Zinsniveau eine Rolle. Das macht die Finanzierung von Immobilien erschwinglicher. Je höher die Preise aber steigen, umso stärker könnten dann die Eigenkapitalquoten sinken. Gleichzeitig könnten einige Kreditgeber aufgrund des starken Wettbewerbs bereit sein, geringere Anforderungen an die Kreditnehmer zu stellen. Wir müssen aufpassen, dass wir hier nicht in eine Spirale hineingeraten, die mit deutlich höheren Risiken im privaten Sektor und einer Überhitzung am Immobilienmarkt endet.

Die Bafin könnte ja künftig die Hürden für neue Kreditvergaben erhöhen.
Es ist gut, dass ein Instrument bereitgelegt wird, mit dem im Notfall eine solche Negativspirale gestoppt werden kann. Wobei die nun vorgeschlagenen Maßnahmen nur bei Neufinanzierungen greifen und nicht bei Anschlussfinanzierungen eines schon bestehenden Hauskaufes.

Sehen Sie denn heute auf dem deutschen Immobilienmarkt Parallelen zu Blasen wie etwa in den USA oder Spanien vor acht Jahren?
Noch nicht wirklich. Bislang haben sich die Banken sehr vernünftig verhalten. Aber durch den steigenden Wettbewerbsdruck sieht man in Teilen schon langsam eine Erosion der Kreditstandards. Ein Grund dafür liegt sicherlich in den deutlich gestiegenen Preisen in einigen Großstädten.

In Frankfurt sind die Preise für Eigentumswohnungen allein im vergangenen Jahr um ein Fünftel gestiegen. In München haben sie sich seit 2004 mehr als verdoppelt. Sehen Sie dort aktuell Überhitzungen?
München, Frankfurt oder Hamburg sind die klassischen Beispiele, wo die Preise sehr stark angestiegen sind. Wir stellen auch fest, dass der Preisdruck mittlerweile auch in das Umland dieser Städte abstrahlt – bis dorthin, wo noch eine Nahverkehrsverbindung besteht. Wir dürfen bei der Debatte aber nicht vergessen, dass wir bislang keineswegs flächendeckend Überhitzungen sehen. Es gibt auch einige wirtschaftlich schwache Regionen, meist ländlich, wo wir Preisrückgänge sehen.


Verschiebungen bei den Marktakteuren sind möglich

In einem ihrer Blogeinträge schreiben Sie, dass sich Immobilienpreise zunehmend von einem „fundamental gerechtfertigten Niveau“ entfernen. Was ist denn noch fundamental gerechtfertigt?
Besonders in Großstädten sind die Immobilien bereits ziemlich teuer. Das mag die hohe Nachfrage derzeit zwar erklären. In einigen Regionen jedoch werden heute Wohnungen zu einem Preis verkauft, der zum Teil beim 30-fachen der Jahresmiete oder noch darüber liegt. Da, glaube ich, sind wir schon über fundamentale Rechtfertigungen hinaus. [Anm. d. Red.: bei einer monatlichen Kaltmiete von 1.000 Euro entspräche dies einem Kaufpreis von 360.000 Euro]

Falls strengere Eigenkapitalanforderungen gelten, können sich weniger Durchschnittsverdiener eine Immobilie leisten. Vermögenden und institutionellen Anleger dürfte es hingegen leichter fallen, ihren Eigenkapitalanteil zu erhöhen. Besteht nicht die Gefahr, dass die Sorge vor privater Überschuldung die Ungleichheit am Wohnungsmarkt verschärft?
Es stimmt sicherlich, dass es zu einer Verschiebung kommen könnte. Doch selbst wenn der Gesetzentwurf in Kraft tritt, wird er ja nicht sofort angewendet. Die Instrumente sollen erst dann genutzt werden, wenn sich abzeichnet, dass die private Verschuldung zu stark steigt. Ja, institutionelle Investoren könnten dann theoretisch davon profitieren. Andererseits wären die Bewertungen am Immobilienmarkt in einem solchen Fall wahrscheinlich schon so hoch, dass auch diese Investoren überlegen, ob sie in diesem Umfeld wirklich weiter zukaufen wollen.

Der Gesetzentwurf soll helfen, ein erneutes Platzen einer Immobilienblase zu verhindern – und damit auch die gesamtwirtschaftlichen Folgen. Stellt der Immobilienmarkt auch heute noch ein systemisches Risiko dar?
Die Geschichte hat ja gezeigt, dass platzende Immobilienblasen in der Regel immer zu starken realwirtschaftlichen Verwerfungen führen. Genau das soll verhindert oder zumindest gedämpft werden. Die Probleme einer Immobilienkrise sind zweierlei: Erstens lässt eine zu hohe Verschuldung privater Haushalte den Konsum einbrechen. Zweitens kann der Bankensektor unter Druck kommen, wenn die Kredite ausfallen.

Wie groß ist aktuell die Gefahr dafür?
Zurzeit sehe ich kein systemisches Risiko im deutschen Markt. Aber es ist gut, mit den neuen Instrumenten für den möglichen Fall in der Zukunft gewappnet zu sein.

Herr Bielmeier, vielen Dank für das Gespräch.

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