Immobilien Mangelware Wohnraum: In diesen Städten stockt die Neubauoffensive

In Deutschlands Städten werden zu wenig neue Wohnungen gebaut. Quelle: dpa

In vielen deutschen Städten sinkt die Zahl neu genehmigter und fertiggestellter Wohnungen. Steigende Zinsen und Baukosten torpedieren die Neubauziele der Politik. Vor allem eine Region hinkt hinterher.

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Eindeutiger könnte das Resümee von Axel Gedaschko, Präsident des Gesamtverbands der deutschen Wohnungswirtschaft, nicht ausfallen: „Es droht ein Absturz mit Ansage, die Regierung wird ihr Wohnungsziel krachend verfehlen“, sagte er vor wenigen Tagen der „Bild“. Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien zum Ziel gesetzt, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen – und unterschritten dieses im vergangenen Jahr um mehr als ein Viertel.

Eine neue Analyse des Maklerunternehmens von Poll Immobilien, die der WirtschaftsWoche vorab vorliegt, zeigt nun, in welchen Städten es besonders an neu gebauten Wohnungen mangelt. Das Ergebnis: In elf von 21 analysierten Städten wurden 2021 weniger Wohnungen fertiggestellt als im Vorjahr. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Denn in mehr als zwei Dritteln der untersuchten Städte wurden im vergangenen Jahr auch weniger Baugenehmigungen erteilt.

Die neue Realität am Immobilienmarkt dürfte die Neubauziele der Bundesregierung zusätzlich belasten. Auf mehreren Ebenen haben sich die Rahmenbedingungen verschlechtert. Die Hypothekenzinsen stiegen seit Jahresbeginn von einem auf mittlerweile 3,6 Prozent für zehnjähriges Baugeld. Die Baukosten haben sich immens verteuert. Laut Statistischem Bundesamt lagen sie im August 16,5 Prozent überm Vorjahresniveau. Und hinzu kommen neue energetische Anforderungen an Gebäude und Handwerkermangel.

Diese Gemengelage kommt zu einer Unzeit. Wohnungen sind weiterhin ein knappes Gut. Erstmals seit zwei Jahren ist der Leerstand wieder gesunken, um 2,8 Prozent auf 607.000 Wohnungen in Deutschland. In einigen Großstädten wie München oder Frankfurt gibt es mit 0,2 beziehungsweise 0,3 Prozent faktisch keine freie Wohnung am Markt. Das zeigt eine neue Studie des Analysehauses Empirica.

Vor allem im Ruhrgebiet gibt es wenig Neubau

„Die Politik muss endlich handeln und mit schnelleren Genehmigungsverfahren, Ausweisung von Bauland und Bausubventionen gegensteuern“, sagt Daniel Ritter, geschäftsführender Gesellschafter bei von Poll Immobilien. „Nur so kann die Schere zwischen Bevölkerungswachstum und Wohnungsbedarf verringert werden.“



Die Untersuchung seines Maklerunternehmens zeigt nämlich: Selbst in Großstädten werden zu wenig neue Wohnungen gebaut. Um die Situation in verschiedenen Städten miteinander vergleichen zu können, hat von Poll die Zahl der Genehmigungen und Fertigstellungen neuer Wohnungen in Relation zur Einwohnerzahl gesetzt.

Dabei zeigt sich: Besonders im Ruhrgebiet stockt die Neubauoffensive, allen voran in Duisburg. Dort wurden in den Jahren 2017 bis 2021 pro 1000 Einwohner bloß 7,7 neue Wohnungen fertiggestellt. Auch in Essen (10,4) und Bochum (13,9) sieht es nicht viel besser aus.

Zwar gehen Demographen schon seit Jahren davon aus, dass die Bevölkerung im Ruhrgebiet schrumpfen wird. Der Regionalverband Ruhr beziffert den Rückgang gar mit 3,9 Prozent bis 2050. Zuletzt aber verzeichneten auch die Ruhrgebietsstädte wachsende Einwohnerzahlen. Trotzdem wurden 2021 in manchen Städten – wie in Essen – deutlich weniger neue Wohnungen genehmigt als im Vorjahr.

In Metropolen wie Frankfurt, München oder Hamburg werden pro 1000 Einwohner viel mehr Wohnungen fertiggestellt und genehmigt. Spitzenreiter ist die Bankenmetropole mit 29,2 neuen Wohnungen pro 1000 Einwohner. Prognosen zufolge soll die Einwohnerzahl bis 2030 um mehr als 50.000 auf über 813.000 Menschen steigen. Mehr Wohnraum wird in Frankfurt also durchaus benötigt.



Wie sehr der Neubau stockt, zeigt sich auch im Neubauanteil am Wohnungsbestand. Hier dominiert ebenfalls Frankfurt: 5,9 Prozent aller Wohnungen wurden in den Jahren 2017 bis 2021 gebaut. Am Ende der Liste rangiert erneut Duisburg. Nur 1,2 Prozent der knapp 250.000 Wohneinheiten dort wurden in dem Zeitraum gebaut.

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Die Bundesregierung jedenfalls will an ihrem Ziel, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, festhalten. Experten halten diese Ambitionen für wenig realistisch und gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren immer weniger Wohnungen fertiggestellt werden. Neubauten würden damit in Städten wie denen im Ruhrgebiet zur Rarität werden.

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