
Alte Weisheit, immer noch gerne ignoriert: „An einer Wohnung gehört dem Eigentümer nur die Luft zwischen den Wänden. Die Wände sind schon Gemeinschaftseigentum.“ Das ist der eine Teil der Wahrheit, der andere lautet: Wohnungskäufer sind nicht nur für die eigene Bleibe, sondern für die gesamte Wohnanlage verantwortlich. Denn die zählt zum Gemeinschaftseigentum, an dem der Käufer anteilig zur Größe seines Eigentums zwingend beteiligt ist. Ob er will oder nicht.
Das übersehen vor allem Interessenten gerne, die zum ersten Mal in eine Eigentumswohnung investieren. Sie durchkämmen die potenzielle Wohnung auf die kleinste Unregelmäßigkeit, gerne auch um den Preis zu drücken. Aber außerhalb geht es dann schneller: Schauen, ob der Keller gefühlt trocken, der Dachboden dem Augenschein nach gut gedämmt und der Garten einigermaßen gepflegt ist – das reicht vielen. Und ist ein grober Fehler, warnt der Verband der Privaten Bauherren (VPB). „Käufer interessieren sich in der Regel nur für ihre künftige Wohneinheit. Aber das Gemeinschaftseigentum ist bautechnisch ungleich wichtiger und wird technisch nicht geprüft“, so Volker Lenz, Ingenieur des Frankfurter VPB-Büros.





Ein Blick in die lange Liste des Gemeinschaftseigentums: Dazu gehören zum Beispiel die Aufzüge, Sanitär- und Elektrotechnik, Brand- und Schallschutz, Heizung, Wärmedämmung, Keller, Tiefgarage, Müll, Fahrradkeller, Haustüren und Statik. Wann immer an einem Gewerk auch Jahre nach dem Kauf der eigenen Wohnungen Kosten anfallen, muss die Eigentümergemeinschaft die bezahlen. Das so genannte Sondereigentum, für die nur der Käufer selbst zuständig ist, sind lediglich die Wohnung plus Keller- oder Bodenraum oder der Stellplatz fürs Auto.
Ärger beim Neubau
Wer sich in einen Neubau einkauft, hat zumindest theoretisch einen Vorteil. In den ersten Jahren nach Erstellung gilt noch die Gewährleistung auf alle neu entdeckten Problemzonen eines Gebäudes. Das heißt, die beim Bau beauftragten Handwerker müssen nacharbeiten und für die Eigentümergemeinschaft fallen dadurch in der Regel keine Kosten an. Dafür müssen sich Neubau-Käufer durch die Kinderkrankheiten eines Hauses quälen und die kommen unausweichlich, trotz Bauabnahme. Setzrisse sind noch das Harmloseste.
Die Baumängel fallen umso heftiger aus, je liederlicher die Bauaufsicht und die Endabnahme ausgeführt wurden.
Urteil des BGH zur Wohnungssanierung
Eine Gemeinschaft von mehreren Wohnungseigentümern streitet um die Sanierungskosten: Der Klägerin gehört die Kellerwohnung, die beiden Beklagten sind Eigentümer der Wohnung im Erdgeschoss sowie der unter dem Dach. Die Kellerwohnung ist feucht und mittlerweile unbewohnbar. Die Klägerin wollte sie daher sanieren lassen. Als die anderen nicht mitziehen wollten, zog sie vor Gericht.
Das Amtsgericht Andernach entschied in erster Instanz, dass die anderen Eigentümer die Kosten mittragen und die erforderliche Summe dafür bereitstellen müssen. Ohne Renovierung könnte sich der Schaden im Keller weiter ausbreiten und zu einem Wertverlust des gesamten Hauses führen. Das Landgericht Koblenz hob diese Entscheidung 2013 in zweiter Instanz aber auf.
Die Richter sahen hier ausnahmsweise die "Opfergrenze" überschritten: Die Beklagten seien betagt und finanzschwach. Es würde sie wirtschaftlich daher schwer belasten, die Sanierung mitzahlen zu müssen. Das Gebäude muss den Richtern zufolge zwar schon im Wert erhalten werden. Doch dieser Grund wiegt in diesem Fall ihrer Ansicht nach nicht so schwer: Denn derzeit wolle keiner in dem Haus seine Wohnung verkaufen.
Bei derartigen sogenannten Wohnungseigentümergemeinschaften gilt normalerweise der Grundsatz: "Mitgehangen-mitgefangen". Das heißt, wer eine Wohnung in einem Haus besitzt, muss die Sanierung der Teile, die allen Eigentümern zusammen gehören wie etwa Dach, Fenster, Außenwände akzeptieren und mitbezahlen.
"Es könnte aber sein, dass der BGH von diesem Grundsatz jetzt abweichen will und Ausnahmen von der Sanierungs- und somit der Zahlungsverpflichtung zulässt", sagt Gerold Happ vom Eigentümerverbandes Haus & Grund. Er verweist darauf, dass das Landgericht den Fall wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache an den BGH verwiesen hat. Das ist bei Prozessen zwischen Wohnungseigentümern eher die Ausnahme.
Es betrifft all diejenigen, die eine Wohnung in einem Haus besitzen. Dabei ist gleich, ob sie selber darin wohnen oder vermietet haben. 2011 gab es in Deutschland nach Angaben von Haus & Grund knapp neun Millionen derartige "Wohneinheiten", das sind 22,1 Prozent aller Wohnungen in Deutschland.
Doch in diesen Kontrollprozess sind die künftigen Bewohner des Hauses in der Regel gar nicht eingebunden, da sie sich untereinander noch nicht kennen oder noch nicht alle Anteile am Haus verkauft wurden. Dann obliegt die Kontrolle dem Bauträger und seinem Verwalter. Lenz warnt: „Der Verwalter hat manchmal gar kein Interesse an kritisch nachfragenden Bauherren, denn der Verwalter wird in der Regel vom Bauträger eingesetzt.“
Wie viel Ärger es durch diesen Interessenskonflikt bereits gegeben hat, lässt sich schon daran erkennen, dass Bauträger den ersten Verwalter inzwischen nur noch für drei Jahre einsetzen dürfen. Die Gewährleistung der Handwerker läuft nach fünf Jahren ab, so hat ein neuer Verwalter dann ab dem vierten Jahr freiere Hand, falls Ärger dräut.
Für Neukäufer empfiehlt sich vor dem Kauf die Investition in einen neutralen Gutachter, der für einige Stunden auch das Gemeinschaftseigentum unter die Lupe nimmt. Die Stundensätze sind Peanuts gegen die Kaufkosten.