Immobilien Wann sich Wärmedämmung lohnt

Fassadendämmung, Dachisolierung, moderne Heiztechnik und Solaranlage: Die Kosten für energetische Gebäudesanierung sind hoch und müssen sich über die Energieersparnis amortisieren. Das klappt nicht immer.

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Wärmebild eines unsanierten Einfamilienhauses Quelle: fotolia.de

Wann sich Dämmen und Sanieren als Gesamtpaket lohnt, hat IWU in Darmstadt exklusiv für die WirtschaftsWoche anhand von zwei Musterhäusern, eines selbst genutzt, das andere vermietet, durchgerechnet. Das IWU hat sich dabei bewusst für Gebäude aus den Baujahren 1969 bis 1978 entschieden. Bei diesen Häusern ist das Energiesparpotenzial für Dämmmaßnahmen vergleichsweise groß. Gebäude aus den Jahren um 1900 sind meist so solide gebaut, dass Dämmen weitaus weniger bringt als bei den in den Jahren 1969 bis 1978 billig hochgezogenen Bauten. Diese Wohnblocks und Einfamilienhäuser machen immerhin 15 Prozent der Wohnfläche in Deutschland aus. Häuser jüngeren Datums sind dagegen bereits so gut isoliert, dass sich die Investitionen deutlich seltener rentieren.

Da es noch keinen gesetzlichen Dämmzwang gibt, hat das IWU nicht die vollen Kosten für die Rundum-Sanierung angesetzt, sondern nur den Aufwand für Dämmplatten, neue Heizungen und Fenster sowie die anteiligen Handwerkerleistungen. Für Selbstnutzer ist das Verhältnis von eingesparter Energie zu den Investitionskosten entscheidend. Je effektiver die Maßnahme ist und je stärker der Energiepreis in den kommenden Jahren steigt, desto lohnender ist es, zu dämmen.

Statt 6000 nur 2100 Liter Heizöl im Jahr

Der Eigentümer des Muster-Einfamilienhauses des IWU müsste 80.412 Euro investieren. Davon entfallen 48.439 Euro auf Instandsetzung und 31.973 Euro auf Dämmung und Modernisierung der Heizung. Sollten die Energiepreise in den kommenden 25 Jahren im Durchschnitt um drei Prozent jährlich steigen und sich damit mehr als verdoppeln, dann bliebe für den Eigenheimer ein Überschuss von 18.896 Euro hängen. Das Dämmprojekt hätte sich nach elf Jahren amortisiert. Zinserträge, die der Immobilienbesitzer alternativ auf sein eingesetztes Kapital erzielt hätte, bleiben bei der Berechnung außen vor. Sie fallen in der derzeitigen Niedrigzinsphase ohnehin geringer ins Gewicht als in Hochzinsphasen, in denen sich pro Jahr fünf, sechs oder sieben Prozent verdienen lassen. Zusätzlich verändern die im Einzelfall sehr unterschiedlichen Finanzierungskosten und staatlichen Fördermittel Überschuss und Amortisationsdauer positiv oder negativ.

Beim Stuttgarter Arzt Matthias Reuter und seiner Frau Simone fällt die Bilanz positiv aus. Die Reuters ließen 2007 ihr 160 Quadratmeter großes Einfamilienhaus  mit Einliegerwohnung, Baujahr 1936, für 150.000 Euro sanieren. Davon steuerten die Reuters 100.000 Euro aus eigener Tasche bei, die übrigen 50.000 Euro stammten aus einem zinsgünstigen Kredit der KfW Bankengruppe. Zuschüsse der Stadt Stuttgart sowie Fördermittel des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) minderten rechnerisch den Eigenanteil auf 81 .00 Euro. „Statt 6000 Liter Heizöl pro Jahr verbrauchen wir nur noch 2100 Liter“, sagt Matthias Reuter.

Kreditkosten gegen Energieersparnis

Bei einem Marktpreis von derzeit 68 Cent je Liter Heizöl würden der Stuttgarter Arzt und seine Familie in diesem Jahr 2652 Euro sparen, weil sie vor drei Jahren saniert haben. Zusätzlich erhalten sie aus der Einspeisevergütung 2700 Euro pro Jahr für ihren Solarstrom. Für den Kredit müssen Reuters pro Jahr 3207 Euro Zins und Tilgung zahlen. Unter dem Strich bleiben 2145 Euro Ertrag pro Jahr. Hätten die Reuters die 81.200 Euro Kapital im Sommer 2007 in eine langlaufende Bundesanleihe investiert, hätten sie jährliche Zinsen von rund 3650 Euro kassiert.

Grafik: Energieverbrauch nach Baujahr

Auf den ersten Blick sieht es nach einem Verlustgeschäft aus. Tatsächlich sparen sich die Reuters durch die Sanierung aber Instandhaltungskosten von 34.705 Euro, die auch ohne Dämmung angefallen wären. Die Mehrkosten für Heizung, Solaranlage und Dämmung betragen jedoch netto nur 46 495 Euro. Hätten die Hausbesitzer diese Summe in Bundesanleihen gesteckt, wären Zinserträge von nur 2092 Euro aufgelaufen. Dieser Betrag ist geringer als die 2145 Euro Ertrag aus der Modernisierung des Hauses. So gerechnet, lohnt sich das Energiesparpaket fürs Haus doch.

Klar ist die Sache bei Vermietern: Sie profitieren nur eingeschränkt von steigenden Energiepreisen. Jeder Liter eingespartes Heizöl kommt zunächst nur den Mietern über geringere Nebenkosten zugute. Beim Eigentümer bleibt nichts hängen, solange er nicht die Kaltmiete dauerhaft erhöhen kann. Der Vermieter steht daher vor zwei Alternativen: entweder dämmen und die Miete erhöhen oder nichts tun und weiter eine niedrigere Miete kassieren. Solange der Vermieter seine Kosten voll abwälzen kann, fällt die Entscheidung für die Sanierung relativ leicht. Doch das ist in vielen Regionen nicht möglich. Die Berliner Mieter sind meist klamm, im Ruhrgebiet findet sich leicht eine günstigere Wohnung ein paar Hundert Meter um die Ecke.

Musterrechnung über 25 Jahre

Da die Mietentwicklung in den deutschen Städten sehr unterschiedlich ist, hat das IWU für den Muster-Vermieter zwei Szenarien über 25 Jahre kalkuliert. Im ersten Szenario kann der Vermieter die Kaltmiete von 4,70 auf 5,15 Euro erhöhen. Das sind weniger, als die 5,27 Euro, die er bräuchte, um die Mehrkosten für die Dämmung zu decken. Folge: Der zusätzliche Mietertrag ist zu klein, um die Dämmkosten zu tragen. Es läuft ein Verlust von 23.118 Euro auf. Ganz anders sieht es aus, wenn der Vermieter nach der Sanierung die ortsübliche Vergleichsmiete von 5,50 Euro je Quadratmeter durchsetzen kann. Dann hätte er nach 25 Jahren einen Überschuss von 50.059 Euro.

Selbst wenn Vermieter voraussichtlich mit einer schwarzen Null aus dem Dämmprojekt herauskommen würden, wäre dies prinzipiell kein Anreiz zum Investieren. Stattdessen könnten sie ihr Geld auf dem Tagesgeldkonto parken und ein bis zwei Prozent Zins kassieren. Dennoch hat beispielsweise die Deutsche Annington in diesem Jahr 120 ehemalige Eisenbahnwohnungen im Kölner Stadtteil Kalk für 521.000 Euro saniert. Davon entfielen 400.000 Euro auf Dämmung und andere Energiesparmaßnahmen.

Problem Mieterhöhung

Laut Gesetz hätte die Deutsche Annington die Miete um 3,67 Euro pro Quadratmeter erhöhen können. Im sozial benachteiligten Viertel Kalk wäre das aber nicht durchzusetzen gewesen. So muss sich die Eigentümerin mit plus 1,70 Euro pro Quadratmeter für Altmieter und 1,95 Euro mehr für neue Mieter bescheiden. Das decke gerade die Kosten.

Nichts zu tun könnte allerdings teurer kommen, denn unsanierte Altbauten mit hohem Energieverbrauch sind kaum noch verkäuflich, weiß Wijnand Donkers, Vorstandschef der Deutschen Annington: „Dauerhaft werden diese Immobilien unter massiver Abwertung leiden, deshalb werden wir alles daransetzen, möglichst alle Bestände auf einen für uns und die Mieter akzeptables Niveau, was Dämm- und Heiztechnik angeht, zu bringen.“

Isolier- und Dämmmaterial vor Quelle: AP

Nicht nur die Stärke oder Schwäche des jeweiligen Wohnungsmarkts, sondern auch das Mietrecht entscheidet darüber, ob sich Dämmen für Vermieter lohnt, oder nicht. Laut Gesetz dürfen Eigentümer die Miete über eine Modernisierungsumlage um bis zu elf Prozent der Investitionskosten pro Jahr erhöhen. „Allerdings gehen in die Umlage nur die Kosten für die Energiesparmaßnahmen und nicht die gesamten Sanierungskosten ein“, sagt Mietrechtanwalt Christoph Hamm von der Rechtsanwaltsgesellschaft Heussen in München.

Es könnten mehr dämmwillige Vermieter in die Gewinnzone fahren, wenn das Mietrecht höhere Umlagen zuließe. „Das geltende Mietrecht ist daher innovationshemmend“, sagt Jan-Marco Luczak, CDU-Mietrechtexperte. Nach Protesten von Eigentümerverbänden versprach die Bundesregierung den Hausbesitzern Entgegenkommen. Es war zwischenzeitlich die Rede davon, den Dämmzuschlag anders als nach bisher geltendem Recht nicht mehr bei elf Prozent der Sanierungskosten zu deckeln.

Mieter-Widerstand ausgehebelt

Im Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist davon allerdings keine Rede mehr. Stattdessen soll der Katalog an Maßnahmen, die die Modernisierungsumlage abdeckt, erweitert werden. Beispielsweise sollen Eigentümer künftig auch die Kosten für den Austausch einer Ölheizung gegen eine Holzpelletheizung bei der Miete draufsatteln dürfen. Mieter sollen laut Gesetzentwurf neuerdings auch Dämmmaßnahmen und nicht nur die Instandhaltung des Hauses dulden müssen. Zudem dürfen die Mieter bei energetischer Sanierung nicht mehr automatisch die Miete kürzen, solange es sich um gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen handelt. Was gesetzlich vorgeschrieben ist und was nicht, lässt der Entwurf aus dem Justizministerium aber noch offen.

Selbst wenn das Mietrecht ausreicht und die Immobilie nicht in einem Problem-Viertel steht, bleibt das Risiko, dass die Energieersparnis nach der Sanierung geringer ausfällt als zuvor berechnet. Mit den Zahlen aus dem Energieausweis, der auf den Verbrauchsdaten der vergangenen drei Jahre basiert, der vorhandenen Bausubstanz und den geplanten Dämmmaßnahmen, lässt sich errechnen, wie hoch der voraussichtliche Energiebedarf sein wird. „Je weniger Parteien ein Wohnhaus hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der errechnete Energiebedarf falsch ist“, sagt Matthias Strehlke von der Energieberatung NRW in Wuppertal. Das liege am unterschiedlichen Heizverhalten der Mieter. Ein Rentnerpaar, das die Heizung rund um die Uhr aufdrehe, oder berufstätige Singles, bei denen die Wohnung häufig kalt bliebe, fallen bei wenigen Mietparteien stärker ins Gewicht als bei einem Wohnblock mit 20 oder 30 Mietern. Der bei Mustergebäuden unterstellte Energiebedarf geht von einem Durchschnittsmieter aus, der seine Wohnung in der kalten Jahreszeit regelmäßig aufheizt.

Technisch anspruchsvoll

Auch wer den Energiebedarf mit Sicherheitspuffer berechnet, hat für eine gute Isolierung noch drei weitere Probleme zu lösen. Sie muss die Wärme in den Innenräumen halten und verhindern, dass Feuchtigkeit von innen ins Mauerwerk eindringt. Zudem muss die Dämmung dafür sorgen, dass Feuchtigkeit in der kalten Außenseite wieder in die Luft entweichen kann. „Wenn die einzelnen Dämmschichten nicht sachgemäß verarbeitet wurden, kann dies im schlimmsten Fall zu Schimmel im Mauerwerk führen“, sagt Architekt Arold. Den in Einzelfällen auftretenden Schimmel an den Innenwänden führt er hingegen auf mangelndes Lüften zurück. Sinn des Dämmens sei es ja gerade, kalte Innenwände, an denen der Wasserdampf im Wohnraum leicht kondensieren kann, zu vermeiden. „In ungedämmten Häuser kommt es daher weit häufiger zu Schimmel und den damit verbundenen Gesundheitsgefahren als in bereits sanierten Häusern“, sagt Achim Fischer, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW.

Grafik: Anteil sanierter Häuser

Architekt Konrad Fischer aus Hochstadt am Main sieht das bei Dachkonstruktionen anders. Die eigentliche Ursache für Schimmel seien Dämmstoffe, die so weit abkühlen, dass in der im Material eingeschlossenen Luft Feuchtigkeit kondensiert und sich Tauwasser ansammelt. Dieses Tauwasser kann nicht mehr ausdünsten. Anders sehe es beim Massivholz aus, mit dem sich Dächer nachträglich dämmen lassen. Es sei langlebiger als Styropor, könne Wärme speichern und Nässe wieder abgeben. Allerdings sei Dämmen mit Massivholz deutlich teurer als mit konventionellen Verfahren.

Wie kostspielig es sein wird, synthetische Dämmstoffe nach deren Verfallsdatum zu entsorgen, ist noch unklar. Forscher des Instituts für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde der Universität Stuttgart sehen zumindest keine technischen Probleme. Die aus Erdöl gewonnenen, den Markt dominierenden Hartschaumplatten können verfeuert, Steinwolle in den Produktionsprozess zurückgeführt werden. Komponenten wie Glasgewebe oder der Putz lassen sich als üblicher Bauschutt recyceln. Doch ausführliche Studien zu den möglichen Kosten stehen noch aus.

Bei Instandhaltung mischt sich der Staat ein

Eigentümer, die zum Schluss kommen, dass sich für ihre Immobilie Dämmen nicht auszahlt, können keineswegs die Hände in den Schoß legen. Zwar gibt es noch keinen allgemeinen Dämmungszwang, aber spätestens bei der nächsten Instandsetzung hat der Gesetzgeber Eigentümer am Haken: So schreibt die derzeit geltende Energiesparverordnung EnEv seit 2009 vor, dass Eigentümer, die beispielsweise eine Fassade erneuern, auch gleichzeitig dämmen müssen.

Eigentümer Erich Arold weiß, wie verschärfte Dämmvorschriften ins Geld gehen können. 1975 reichte für das Vorderhaus noch acht Zentimeter dicke Mineralwolle fürs Dach. Vor zwei Jahren, als er das Flachdach des von ihm bewohnten Hinterhauses sanierte, mussten es schon 20 Zentimeter dicke Dämmplatten sein.

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