Immobilienboom in der Coronakrise Entsteht jetzt mehr bezahlbarer Wohnraum?

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Immobilienboom vorbei – und alles wird besser? 

Laut Henger könne das Preisniveau zurückgehen, wenn der Boom und die Nachfrage nachlassen: sowohl was die Flächen als auch die Baukosten angeht. Dann könnte der Bau von bezahlbaren Wohnungen wieder attraktiver sein. Die Immobilienmärkte reagieren jedoch sehr träge auf Nachfrageveränderungen. Wenn immer mehr gebaut wird, bricht vielleicht irgendwann die Nachfrage ein oder sie ist gedeckt. „Und dann kommt es ziemlich schnell zu einer Phase, die gab es in der Vergangenheit immer auf Immobilienmärkten: Wo zu viel gebaut wird in Relation zu dem Bedarf. Wenn zu viel gebaut wird, pendelt sich das sehr schnell ein – das kann schon in fünf Jahren sein.“ 

Thomas Meyer, Vorstandsvorsitzender des Immobilieninvestors Wertgrund Immobilien, glaubt hingegen nicht, dass ein Ende des Booms zu mehr bezahlbarem Wohnraum führt. Wenn der Boom nachlassen sollte, könnte er sich eher vorstellen, dass institutionelle Anleger wie Immobilienfonds vorsichtiger werden. Wenn sie investieren würden, dann eher in Produkte mit höheren Renditen. Und die erhoffen sich Investoren meist eher im hochpreisigen Wohnsegment. 

Ist ein Ende des Booms in Sicht? 

Damit der Immobilienboom wirklich endet, müssten Angebot und Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum sich stärker angleichen. Zum Beispiel, indem deutlich mehr Wohnraum geschaffen wird – oder bei einem wirtschaftlichen Abschwung, durch den die Nachfrage sinkt. „Wenn die Konjunktur einbricht und die Menschen uns verlassen, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, bricht der Markt ein“, sagt Meyer.  


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Ausgemacht ist aber selbst das nicht. Konstantin Lüttger vom Immobiliendienstleister CBRE könnte sich in diesem Fall sogar eine weitere Verschärfung der Situation auf dem Wohnungsmarkt vorstellen: „Ein wesentliches Element, welches man noch nicht absehen kann, ist, dass wir hier in Deutschland relativ gut durch die Corona-Pandemie kommen.“ Das könne zu einer ähnlichen Situation wie nach der Eurokrise führen, dass junge, gut ausgebildete Fachkräfte aus der EU nach Deutschland kommen – und zusätzlich Nachfragedruck erzeugen. „Faktisch spricht nichts für ein Ende des Booms – wir haben eine massive Unterversorgung, teilweise Leerstandsquoten unter ein Prozent. Wir haben weiter massiven Zuzug und es brennt an allen Ecken und Enden, was Wohnraum angeht.“ Durch Corona sei sogar eher nochmal eine stärkere Nachfrage entstanden. Nicht nur an den Topstandorten, sondern auch darüber hinaus. 

Was macht Hoffnung?

Ein Ende des Immobilienbooms sehen die meisten Experten insofern nicht. Die Hoffnung auf deutlich mehr bezahlbaren Wohnraum, und das schnell, ist damit gering. Es gibt aber durchaus auch positive Entwicklungen: „Die Landesregierungen haben gesehen, dass sie etwas tun müssen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt Meyer vom Immobilieninvestor Wertgrund. So setze die Politik bei der Regulierung zunehmend Anreize, sich stärker bezahlbarem Wohnraum zuzuwenden. „Und wir gehen davon aus, dass der Gesetzgeber hier noch mehr machen wird.“

Zudem ist bezahlbarer Wohnraum stärker gefragt denn je und die Nachfrage nicht gedeckt. „Bezahlbarer Wohnraum ist ein sehr attraktives Produkt. Weil natürlich jeder froh ist, eine preiswerte Wohnung zu haben. Der Mieter wird nicht ausziehen und der Vermieter hat Stabilität, was die Miete angeht“, sagt Lüttger. „Von Investorenseite herrscht daher ebenfalls großes Interesse.“

Auch der Rückgang des Einzelhandels und von Bürogebäuden in den Metropolen könnte eine Chance sein, wenn die freiwerdenden Flächen in Wohnraum umgewandelt werden. „Gemeinsam mit den Kommunen und Städten können die Fehler langfristig bereinigt werden, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten bei der Stadtentwicklung gemacht worden sind“, sagt Meyer. 

Mehr zum Thema: Der deutsche Immobilienmarkt wirkt immun gegen die Coronakrise. Tatsächlich aber überdecken einige Trends nur die bevorstehende Stagnation.

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