Wie schnell sich der Wind am Immobilienmarkt gedreht hat, merkt man daran, dass sich Käufer nun über einen Zinssatz freuen, der in der Niedrigzinsära vor eineinhalb Jahren noch in weiter Ferne schien. Zuletzt lag der Zins für einen Hypothekenkredit mit zehnjähriger Festschreibung im Schnitt bei knapp 3,8 Prozent. Das sind etwa 0,2 Prozentpunkte weniger als noch vor gut zwei Monaten.
Am Zinsmarkt kehrt gerade also etwas Ruhe ein – vor allem, weil die Europäische Zentralbank (EZB) ihre geldpolitischen Zügel im Kampf gegen die Inflation weniger stark anzieht. Anfang Mai hatten die Währungshüter zum nunmehr siebten Mal in Folge den Leitzins erhöht, wie erwartet um 0,25 statt 0,5 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent.
Michael Neumann, Geschäftsführer des Kreditvermittlers Dr. Klein, wertet das gedrosselte Tempo der EZB als Vorsichtsmaßnahme: „In der Gemengelage zwischen hoher Staatsverschuldung einzelner Euro-Länder, drohender Rezession und fragiler Stabilität einiger Banken ist der Handlungsspielraum der EZB derzeit eingeschränkt.“
Um keine größeren Verwerfungen zu verursachen, müsse die EZB nun behutsamer agieren. Laut Neumann können Hauskäufer davon nun profitieren: „Die Zinsen für Baufinanzierungen zeigen keine größeren Reaktionen auf die Entscheidung der EZB und verlaufen derzeit relativ ruhig seitwärts.“
Immobilienpreise sind gesunken
Das heißt: Wer ohnehin den Kauf einer Immobilie geplant hat, könnte nun einen relativ guten Zeitpunkt erwischen. Vor allem drei Gründe sprechen dafür, dass Kaufwillige nun zuschlagen sollten – vorausgesetzt, die Finanzierung ist solide aufgestellt.
Erstens: Während sich in den USA ein Ende der Zinserhöhungen abzeichnet, hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits weitere Schritte angekündigt. Die Inflation im Euroraum schwächt sich zwar tendenziell ab, doch befindet sich noch immer auf hohem Niveau.
Die EZB steht also unter Zugzwang, die Zinsen weiter anzuheben. Experten rechnen damit, dass die Zinsen für Hypothekenkredite in der Folge noch weiter steigen dürften. Der Dr.-Klein-Experte Neumann hält auch eine Entwicklung „deutlich über der 4-Prozent-Grenze“ nicht für ausgeschlossen.
Zweitens: Die Preise für Häuser und Wohnungen sind in den vergangenen Monaten gesunken. Laut Zahlen des Verbands deutscher Pfandbriefbanken gaben die Kaufpreise in den letzten zwei Quartalen nach, zuletzt um 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Tipps für die Hausbesichtigung
Wer eine Immobilie besichtigt, sollte dies unbedingt bei hellem Tageslicht tun. Dann lassen sich nicht nur Mängel besser entdecken, sondern auch die Lichtverhältnisse insgesamt beurteilen. Wer wissen will, ob Verkehrslärm oder Gewerbe in der Nähe nerven, sollte werktags besichtigen – vor oder nach der Mittagszeit.
Ein gründliche Immobilienbesichtigung benötigt Zeit – und die sollten sich Verkäufer und Kaufinteressierte auch nehmen. Lassen Sie jeden Raum in Ruhe auf sich wirken, achten sie auf Details wie Heizkörper, Fenster, Türen und Beschläge. Lassen Sie sich alles in Ruhe zeigen und machen Sie abschließend noch einen zweiten Rundgang. Dann fallen Ihnen sicher noch offene Fragen ein und sie bekommen einen nachhaltigeren Eindruck.
Auch bei einem ersten Besichtigungstermin empfiehlt es sich, sich einen Begleiter mitzunehmen. Das Vier-Augen-Prinzip macht jeden Besichtigungstermin doppelt so ergiebig, da jeder Mensch auf andere Dinge achtet. Die Gefahr, etwas Wesentliches zu übersehen, ist so deutlich geringer.
Wenn Sie zu zweit eine Immobilie besichtigen, sollte einer unbedingt Fotos von allen Räumen und von außen machen. Sie helfen dabei, später das Gesehene nochmals zu reflektieren und eventuell Details zu klären. Auch ein kurzer Videorundgang mit dem Smartphone kann wertvoll sein, um der Erinnerung auf die Sprünge zu helfen – vor allem, wenn mehrere Immobilien besichtigt werden.
Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Vorstellungen und Wünsche am Objekt überprüfen. Dabei hilft eine Liste der wichtigsten Kriterien, die das Haus erfüllen soll, sowie eine Liste der wichtigsten Fragen, die mit dem Verkäufer geklärt werden müssen. Solche Listen vereinfachen den Besichtigungstermin erheblich und nehmen Stress.
Lassen Sie sich im Anschluss an die Besichtigung einen Bauplan oder eine Grundrisszeichnung nebst Wohnflächenberechnung aushändigen oder fotokopieren Sie diese. Ein digitales Foto tut es zur Not auch. Dann können Sie sich in Ruhe überlegen, ob die Raumaufteilung Ihren Anforderungen entspricht und ob die gewünschten Möbel auch ihren Platz finden würden.
Insbesondere bei gebrauchten Immobilien sollten Sie Wände, Fenster, Türen, Dachstuhl und Keller so genau wie möglich unter die Lupe nehmen. Haben sich irgendwo Fäulnis oder Feuchtigkeit ihren Weg gebahnt, kann es bei einer Sanierung schnell teuer werden. Achten Sie auf möglichen Schimmelbefall in Zimmerecken oder hinter gestellten Möbeln, probieren sie Fenster, Rollläden und Türen auch aus. Nehmen Sie auch die Haustechnik unter die Lupe: Wie alt ist der Heizkessel? In welchem Zustand sind die Strom- und Wasserleitungen?
Wer eine Immobilie verkauft, muss zwingend einen Energieausweis vorlegen. Käufer sollten darauf bestehen. Nur dann erhalten sie einen Vergleichswert für den Energiehunger einer Immobilie, vor allem was den kostspieligen Heizbedarf betrifft. Aber Achtung: Es gibt zwei Varianten, den Bedarfs- und den Verbrauchsausweis. Letzterer informiert nur darüber, wie viel Energie die vorherigen Bewohner im Durchschnitt von drei Jahren verbraucht haben – und das ist abhängig vom individuellen Heizverhalten. Der Bedarfsausweis richtet sich nur nach Gebäudesubstanz und Durchschnittswitterung und ist objektiver.
Kommt die Immobilie nach der ersten Besichtigung ernsthaft in Frage, lohnt es sich, einen weiteren Termin mit einem Bausachverständigen zu vereinbaren. Dieser Baugutachter sollte in der Lage sein, wesentliche Mängel aufzuspüren, die für den Laien kaum erkennbar sind, und notwendige Sanierungskosten oder Mängelbeseitigungskosten zu schätzen. Geeignete Architekten oder Bauingenieure finden Sie etwa bei der Dekra (dekra.de), dem Verband privater Bauherren (vpb.de), oder dem Bundesverband freier Sachverständiger (bvfs.de).
Zu einer Immobilienbesichtigung sollte immer auch eine Spaziergang durch die Nachbarschaft gehören. So werden Sie sich klar darüber, wie gut die Infrastruktur in direkter Umgebung ist, ob von irgendwo eine Lärmquelle stört und die Entfernungen zu Einkaufsmöglichkeiten, Schulen oder Haltestellen für Bus und Bahn abzuschätzen. Nicht zuletzt spielt auch die Atmosphäre in einem Wohnquartier eine wichtige Rolle.
Preisverhandlungen sind wieder möglich
Zwar kompensiert der Preisrückgang seit Anfang 2022 den Zinsanstieg noch immer nicht, doch die Situation hat sich – verglichen mit der vor einigen Monaten – zumindest etwas aufgehellt. „Für Käufer könnte das die Chance bieten, sich den Wunsch nach der eigenen Wohnung zu erfüllen," meint Felix Kusch vom Vergleichsportal Immowelt. Weil es weniger Konkurrenz am Immobilienmarkt gibt, können Käufer nun auch wieder in Preisverhandlungen gehen.
Drittens: Die Mieten sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Laut dem Immobilienspezialisten JLL haben sich die Mieten in den Metropolen im zweiten Halbjahr 2022 im Schnitt um 6,3 Prozent verteuert, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Wegen der gestiegenen Zinsen strömen gerade noch mehr Menschen auf den Mietmarkt und verschärfen die angespannte Lage.
Daran dürfte sich vorerst wenig ändern, auch weil der Neubau weiter stockt. Die zwischenzeitliche Flucht auf den Mietmarkt ist für Kaufwillige also immer schwieriger, wegen höherer Mieten und des knappen Angebots.
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