Immobilienfirma Corestate Mehr Führungsorgane ausgetauscht als beim HSV

René Parmantier verlässt Corestate. Quelle: imago images

Bei der taumelnden Immobilienfirma Corestate wurde zuletzt alle paar Monate die Führungsriege ausgetauscht. Nun geht auch der bereits degradierte Ex-Chef René Parmantier von Bord.

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Anfang Juni traten die Chefs der Investmentfirma ConValue den Gang nach Canossa an, wie sie es selbst in einem Brief an ihre Anleger bezeichneten. Der Wert ihres Portfolios war seit Jahresanfang um 14 Prozent geschrumpft. Zu einem bedeutenden Teil lag das an der Immobiliengesellschaft Corestate.  Zu neun Euro war ConValue eingestiegen. Mittlerweile handelten Corestate-Aktien an der Börse zu weniger als zwei Euro. Heute steht der Kurs sogar nur noch bei etwa ein Euro. In zwölf Monaten hat das Unternehmen mehr als 90 Prozent an Börsenwert eingebüßt. Die ConValue-Chefs entschuldigten sich Anfang Juni mehr oder weniger für das Investment, weil sie sich bei Corestate „über eine Reihe unserer eigenen eisernen Anlagekritieren hinweggesetzt haben“. Eine dieser Regeln lautete: „Beteilige dich nicht an einem Unternehmen, wo in den letzten Jahren mehr Führungsorgane ausgetauscht wurden als beim HSV“.

Tatsächlich drehte sich das Personalkarussell bei Corestate extrem schnell: Ende 2020 trat etwa der gesamte Aufsichtsrat geschlossen zurück. Von den Nachfolgern ist mittlerweile auch nur noch einer da. Nicht anders sah es bei den Vorständen aus: Allein im vergangenen Jahr verließen drei Mitglieder das Gremium.  Von den Nachfolgern ist auch nur einer geblieben. Damit ist keiner  der aktuell vier Vorstände  länger als elf Monate dabei. Weil wohl allen Beteiligten klar gewesen sein dürfte, dass das bei Anlegern wenig Vertrauen weckt, wurde wenigstens  Corestate-Chef René Parmantier bei der letzten Rochade im Februar nicht gänzlich entfernt, sondern nur innerhalb des Unternehmens umplatziert. Formal leitete er nun die Konzerntochter Corestate Bank. Vielen innerhalb der Firma war klar, dass das nur eine kosmetische und keinesfalls eine langfristige Lösung war. Nun ist auch offiziell Schluss: Wie die WirtschaftsWoche von mehreren Insidern erfuhr, trennten sich Corestate und Parmantier gestern.  Corestate wollte sich hierzu auf Nachfrage nicht äußern. 

Dass Corestate heute am Boden liegt, hat viel mit dem Personal zu tun. Zum Geschäftsmodell des Unternehmens gehört es, Immobilieninvestitionen institutioneller Anleger zu begleiten, als Co-Investor mit rein zu gehen und Fonds zu managen, die etwa Darlehen an Immobilienfirmen ausreichen.

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Nur leider fokussierte sich das Management nicht immer auf das Geschäft: Über Jahre hinweg, glich Corestate vielmehr einem Selbstbedienungsladen. 2019 veröffentlichte das Manager Magazin einen Artikel über Corestate mit der Zeile: „Eine Clique von Investoren nutzte die im SDax gelistete Immobilienfirma Corestate als ganz persönlichen Geldautomaten für sich und ihre Gefolgschaft.“  Mehr muss man eigentlich nicht wissen. 

2020 kam es dann zu einem Wechsel im Gesellschafterkreis und Parmantier kam an Bord. Viel gebessert hat sich danach nicht. Der Banker kaufte für viel Geld eine Wertpapierhandelsbank, die mittlerweile zu einem bedeutenden Teil wertberichtigt wurde. Operativ kam nicht viel voran. Zuletzt war Corestate mehr oder weniger ein Sanierungsfall. Die Kreditsparte warf zwar ordentlich Gewinn ab, der aber vom Rest des Unternehmens fast komplett aufgezehrt wurde. Über Jahre hinweg hatte sich schlicht keiner so recht um das operative Geschäft gekümmert. 

Vor einigen Monaten kaufte sich der Immobilienprofi Stavros Efremidis bei Corestate ein und übernahm dann auch den Posten als Vorstandsvorsitzender. Mit ihm keimte unter den übrigen Aktionären die Hoffnung auf, dass es nun wieder bergauf gehen könnte. Doch bei allen Fähigkeiten, die Efremidis nachgesagt werden: Ihm rennt die Zeit weg. Denn Corestate hatte Anleihen begeben, die in diesem Jahr fällig werden. Diese Papiere mittels einer neuen Anleihe abzulösen, ist kaum mehr möglich. Ein Unternehmenssprecher führte die Refinanzierungsprobleme  auf Nachfrage vor einigen Wochen zwar auf die Zinswende und den Ukraine-Krieg zurück. Die Wahrheit dürfte aber wohl eher sein, dass Investoren sich schwer tun, einer Firma Geld zu geben, die so heruntergewirtschaftet wurde. Efremidis hatte das wohl unterschätzt. Aktuell verhandelt er mit den Anleihegläubigern eine Lösung. Zugute kommt ihm dabei, dass mehr als 50 Prozent der Schulden von einer einzelnen Investmentgesellschaft gehalten werden. Er muss also nicht mit 30 Firmenvertretern eine Lösung verhandeln, sondern nur mit einem. In Branchenkreisen ist zu hören, dass Efremidis sich einen drastischen Schuldenschnitt wünscht. Zudem soll im Gespräch sein, dass die Gläubiger die restlichen Forderungen in Unternehmensanteile tauschen.

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Für die Anleihegläubiger macht das aber nur Sinn, wenn sie davon ausgehen, dass Efremidis das Unternehmen erfolgreich macht, für sie also trotz Schuldenschnitt mehr abfällt, als bei einer Insolvenz. In der Branche gilt Efremidis als talentierter Verkäufer. Das kann er nun beweisen.

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