Immobilienkrisen nebenan Dänen tilgen nicht - und Niederländer auch nicht

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Holländische Hauseigentümer „unter Wasser“

2008 platzte die Immobilienblase schließlich. Die Finanzkrise hielt auch in den Niederlanden Einzug, der Arbeitsmarkt knickte ein und Hausbesitzer konnten ihre Kredite nicht bedienen. Die Hypothekenbanken ABN Amro, ING und SNS Reaal mussten vom Staat gerettet werden.

Seitdem sind die Immobilienpreise um nominal 20 Prozent gefallen, real sogar um 30 Prozent. Wer sein Haus mit deutlichem Abschlag verkaufen musste, blieb so auch nach dem Verkauf auf einem Berg Schulden sitzen, nicht selten 100.000 Euro und mehr.

Die Banken hielten sich mit der Kreditvergabe zurück, der Immobilienmarkt brach weiter ein. Die Umsätze im Bausektor sanken und der private Konsum fiel. Die niederländische Wirtschaft war in der Schuldenfalle.

Hier droht die nächste Immobilienblase
SchwedenBilliges Geld und die Möglichkeit, einen Teil der Hypothekenzinsen vom zu versteuernden Einkommen abzusetzen, haben das Schuldenmachen in Schweden gefördert. Finanzminister Anders Borg spricht seit längerem von „ernsthaften Risiken“ der zu hohen privaten Verschuldung. Durch verschiedene Maßnahmen versucht die schwedische Regierung, die Gefahr der Blasenbildung zu entschärfen. Sie senkte die erlaubte Beleihungsgrenze für Darlehen von 95 Prozent auf 85 Prozent des Marktwerts der Immobilie. Doch die Preise steigen weiter, allein zwischen März und Mai diesen Jahres um zwei Prozent, wie das Statistische Zentralamt am Donnerstag mitteilte. Und die nächste Gefahr lauert bereits in Form von noch billigerem Geld: Im Juli, so prognostizieren die meisten Analysten, wird die Zentralbank den Leitzins auf 0,5 Prozent senken. Quelle: ZB
KanadaAngesichts der hohen Verschuldung der kanadischen Privathaushalte bei etwa 160 Prozent des verfügbaren Einkommens beobachten Regierung und Bank of Canada auch den Immobilienmarkt genau. Brennpunkte sind die Pazifikstadt Vancouver, die Ölmetropole Calgary und die Finanzmetropole Toronto (Bild), wo selbst die Finanzkrise den Boom kaum unterbrochen hat. "Der kanadische Immobilienmarkt marschiert unermüdlich weiter", stellt die BMO Capital Markets in einer Analyse fest. Quelle: dpa
In den vergangenen Jahren hatte der mittlerweile verstorbene Finanzminister Jim Flaherty vor der Verschuldung der Privathaushalte gewarnt. Als kanadische Banken im Frühjahr 2013 begannen, die 5-Jahres-Hypothekenzinsen unter 3 Prozent zu senken, pfiff er sie zurück. Sein Nachfolger Joe Oliver scheint dagegen weniger geneigt zu sein, in die Geschäftsentscheidungen von Banken einzugreifen. Die Zentralbank befürchtet, dass der hohe Grad an Schulden und die üppigen Hauspreise im Vergleich zum Einkommen die Privathaushalte anfällig für wirtschaftliche Schocks machen. Die Warnungen scheinen beim Verbraucher angekommen zu sein: Der Zuwachs der Verschuldung hat sich zumindest verlangsamt. Quelle: dapd
NorwegenDie norwegische Zentralbank warnt immer wieder vor dem Platzen der Immobilienblase - geholfen hat es bislang nichts. In Norwegen sind die Immobilienpreise zwischen 2005 und Ende vergangenen Jahres um stolze 71 Prozent gestiegen. Nach einer kurzen Verschnaufpause bewegen sie sich in diesem Jahr wieder nach oben. Gleichzeitig ist die Verschuldung der Privathaushalte weiter gestiegen: Mittlerweile ist der durchschnittliche Norweger mit dem Fünffachen seines Jahreseinkommens verschuldet. Schärfere Kreditvergaberegeln haben bisher kaum gewirkt. Quelle: REUTERS
AustralienDie dramatisch gestiegenen Immobilienpreise entwickeln sich in Australien zu einem gesellschaftlichen Problem. In den 1980er-Jahren lebten noch bis zu 70 Prozent der Bevölkerung in ihrem eigenen Haus, heute können sich das immer weniger junge Menschen leisten. "Wir kommen in eine Situation, in der sich die Gesellschaft in zwei Teile spaltet", meint ein Soziologe, "die Immobilienbesitzer - und alle anderen". Der Trend begann 1993, als bekannt wurde, dass im Jahr 2000 die Olympischen Sommerspiele in Sydney ausgetragen werden. Innerhalb weniger Jahre verdoppelten sich die Immobilienpreise in Sydney - heute kosten sie bis zu siebenmal so viel. Quelle: REUTERS
Doch auch in anderen Metropolen steigen die Preise: Perth und Darwin profitierten von generös bezahlten Arbeitern in der boomenden Bergbauindustrie. Melbourne (Bild) spürt die Nachfrage kapitalstarker chinesischer Investoren. Immer weniger Australier können mit den Chinesen mithalten. Weil die Nachfrage nach Immobilien schlicht zu groß sei, scheint es eher unwahrscheinlich, dass in Australien die Blase nächstens platzen werde. Andererseits türmen sich die Schulden der Australier aber auch immer höher. Viele Familien stecken bis zu 60 Prozent ihres Einkommens in die Hypothek für das Eigenheim. Ein Einknicken des wirtschaftlichen Wachstums könnte dann schnell zu höherer Arbeitslosigkeit gefolgt von einer Welle von Privatbankrotten führen. Quelle: REUTERS
GroßbritannienIn Großbritannien schlagen Experten schon länger Alarm und warnen, dass eine Immobilienblase den Aufschwung gefährden könnte. Eine Erhöhung der Leitzinsen, wie von einigen gefordert, lehnt die Bank of England bisher allerdings ab. Doch Finanzminister George Osborne hat am Donnerstagabend verkündet, dass die Notenbank mehr Einflussmöglichkeiten bekommt, um auf anderen Wegen die Hypothekenvergabe zu bremsen. So könnte die Bank of England Grenzen setzen, damit Haushalte im Vergleich zu ihrem Einkommen keine übermäßig hohen Kredite aufnehmen. Quelle: REUTERS

Rund 1,4 der insgesamt sieben Millionen Haushalte in den Niederlanden gelten nach Angaben des führenden staatlichen Wirtschaftsforschungsinstituts CPB derzeit als technisch überschuldet, weil ihre Kredite deutlich höher als der Marktwert ihrer Immobilien sind. In Holland spricht man von einer „Hypothek unter Wasser“.

Betroffen sind vor allem junge Familien. Weil sie erst spät im Boom gekauft haben und vergleichsweise wenig verdienen, gelten mehr als die Hälfte von ihnen als überschuldet.

Erzwungene Erholung und Marktberuhigung

Viele Hauseigentümer blieben in ihrer überschuldeten Immobilie sitzen, verzichteten auf Konsum und verwendeten ihre Ersparnisse für die Tilgung und die Bedienung der Raten.

Ein Verkauf deutlich unter dem einstigen Beleihungswert kommt für viele bis heute nicht in Frage. Oft dauert es selbst mit deutlichen Abschlägen Jahre, bis sich überhaupt ein Käufer findet. Wer dennoch verkauft, bekommt für die Restschuld aus der Hypothek besondere Kreditangebote mit deutlich niedrigeren Zinssätzen, als bei üblichen Krediten ohne Sicherheit. Derzeit beträgt der Zinsnachlass vier Prozentpunkte.

Hauseigentümer, die den Verkauf unbedingt verhindern wollten, kratzten für die Kreditraten jeden Euro zusammen. In vielen Fällen blieb es deshalb bei einer Überschuldung auf dem Papier. Auch eine staatliche Garantie für die Streichung der Restschulden beim Immobilienverkauf nahmen nach Angaben der CPB nur sehr wenige Holländer in Anspruch.

Inzwischen scheint das Schlimmste überstanden zu sein. Edwin van de Haar vom CPB spricht inzwischen von einer fragilen und schwankungsanfälligen Erholung. „Die Häuserpreise fallen nicht mehr. Aber noch immer hat die Immobilienkrise in den Niederlanden einen negativen Effekt auf den Konsum und die Mobilität der Arbeitnehmer“, so Ökonom van de Haar. „Die größten Risiken für die Niederlande gehen aber derzeit von anderen Ländern aus, mit deren Wirtschaft wir eng verbunden sind, etwa Großbritannien oder Frankreich.“

Immobilienpreise während Boom und Krise (indexiert für das Jahr 2000, zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: CPB Netherland Bureau for Economic Policy Analysis

Moderate Gegenmaßnahmen und Spiel auf Zeit

Die Niederlande habe das Problem weitgehend ausgesessen. Dabei half vor allem das immer weiter sinkende Zinsniveau in der Euro-Zone und die vergleichsweise hohen Pensionsvermögen. Die niederländische Regierung steuerte selbst nur behutsam und in kleinen Schritten gegen.

So wurden seit 2010 die Beleihungsgrenzen für neue Immobilienkäufe auf zunächst 106 und später 104 Prozent begrenzt. Bis 2018 sollen sie bis auf 100 Prozent sinken. Die Steuervorteile für Neukäufe sinken ebenfalls schrittweise von maximal 52 Prozent auf bis zu 38 Prozent - allerdings erst in den kommenden 28 Jahren in Schritten von jeweils einem halben Prozentpunkt pro Jahr.

Für die Regierung ist es angesichts der vielen betroffenen Wähler schwierig, Änderungen am Immobilienmarkt durchzusetzen. Die alten Schuldner profitieren deshalb weiter von Steuervorteilen und tilgungsfreien Darlehen. Sie werden für ihre hohen Schulden noch belohnt.

Was aber am meisten erstaunt: Es bleibt weiterhin bei den nur sehr kurz laufenden Hypothekendarlehen mit variablem Zins. Offenbar glauben selbst die Banken, dass die Häuserpreise bald wieder steigen. Und die Hauskäufer hoffen, dass die Zinsen nicht so schnell steigen, damit Sie Zeit haben, für ihren Schuldendienst zu sparen.

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