2008 platzte die Immobilienblase schließlich. Die Finanzkrise hielt auch in den Niederlanden Einzug, der Arbeitsmarkt knickte ein und Hausbesitzer konnten ihre Kredite nicht bedienen. Die Hypothekenbanken ABN Amro, ING und SNS Reaal mussten vom Staat gerettet werden.
Seitdem sind die Immobilienpreise um nominal 20 Prozent gefallen, real sogar um 30 Prozent. Wer sein Haus mit deutlichem Abschlag verkaufen musste, blieb so auch nach dem Verkauf auf einem Berg Schulden sitzen, nicht selten 100.000 Euro und mehr.
Die Banken hielten sich mit der Kreditvergabe zurück, der Immobilienmarkt brach weiter ein. Die Umsätze im Bausektor sanken und der private Konsum fiel. Die niederländische Wirtschaft war in der Schuldenfalle.
Rund 1,4 der insgesamt sieben Millionen Haushalte in den Niederlanden gelten nach Angaben des führenden staatlichen Wirtschaftsforschungsinstituts CPB derzeit als technisch überschuldet, weil ihre Kredite deutlich höher als der Marktwert ihrer Immobilien sind. In Holland spricht man von einer „Hypothek unter Wasser“.
Betroffen sind vor allem junge Familien. Weil sie erst spät im Boom gekauft haben und vergleichsweise wenig verdienen, gelten mehr als die Hälfte von ihnen als überschuldet.
Erzwungene Erholung und Marktberuhigung
Viele Hauseigentümer blieben in ihrer überschuldeten Immobilie sitzen, verzichteten auf Konsum und verwendeten ihre Ersparnisse für die Tilgung und die Bedienung der Raten.
Ein Verkauf deutlich unter dem einstigen Beleihungswert kommt für viele bis heute nicht in Frage. Oft dauert es selbst mit deutlichen Abschlägen Jahre, bis sich überhaupt ein Käufer findet. Wer dennoch verkauft, bekommt für die Restschuld aus der Hypothek besondere Kreditangebote mit deutlich niedrigeren Zinssätzen, als bei üblichen Krediten ohne Sicherheit. Derzeit beträgt der Zinsnachlass vier Prozentpunkte.
Hauseigentümer, die den Verkauf unbedingt verhindern wollten, kratzten für die Kreditraten jeden Euro zusammen. In vielen Fällen blieb es deshalb bei einer Überschuldung auf dem Papier. Auch eine staatliche Garantie für die Streichung der Restschulden beim Immobilienverkauf nahmen nach Angaben der CPB nur sehr wenige Holländer in Anspruch.
Inzwischen scheint das Schlimmste überstanden zu sein. Edwin van de Haar vom CPB spricht inzwischen von einer fragilen und schwankungsanfälligen Erholung. „Die Häuserpreise fallen nicht mehr. Aber noch immer hat die Immobilienkrise in den Niederlanden einen negativen Effekt auf den Konsum und die Mobilität der Arbeitnehmer“, so Ökonom van de Haar. „Die größten Risiken für die Niederlande gehen aber derzeit von anderen Ländern aus, mit deren Wirtschaft wir eng verbunden sind, etwa Großbritannien oder Frankreich.“
Moderate Gegenmaßnahmen und Spiel auf Zeit
Die Niederlande habe das Problem weitgehend ausgesessen. Dabei half vor allem das immer weiter sinkende Zinsniveau in der Euro-Zone und die vergleichsweise hohen Pensionsvermögen. Die niederländische Regierung steuerte selbst nur behutsam und in kleinen Schritten gegen.
So wurden seit 2010 die Beleihungsgrenzen für neue Immobilienkäufe auf zunächst 106 und später 104 Prozent begrenzt. Bis 2018 sollen sie bis auf 100 Prozent sinken. Die Steuervorteile für Neukäufe sinken ebenfalls schrittweise von maximal 52 Prozent auf bis zu 38 Prozent - allerdings erst in den kommenden 28 Jahren in Schritten von jeweils einem halben Prozentpunkt pro Jahr.
Für die Regierung ist es angesichts der vielen betroffenen Wähler schwierig, Änderungen am Immobilienmarkt durchzusetzen. Die alten Schuldner profitieren deshalb weiter von Steuervorteilen und tilgungsfreien Darlehen. Sie werden für ihre hohen Schulden noch belohnt.
Was aber am meisten erstaunt: Es bleibt weiterhin bei den nur sehr kurz laufenden Hypothekendarlehen mit variablem Zins. Offenbar glauben selbst die Banken, dass die Häuserpreise bald wieder steigen. Und die Hauskäufer hoffen, dass die Zinsen nicht so schnell steigen, damit Sie Zeit haben, für ihren Schuldendienst zu sparen.