Immobilienmarkt Der Nachholbedarf ist noch lange nicht gedeckt

Die Preisentwicklung am deutschen Häusermarkt bringt selbst manch altgedienten Immobilienbanker zum Staunen. Doch bislang spricht nach Meinung der Pfandbriefbanken mehr gegen als für eine Immobilienblase.

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Der Nachholbedarf am deutschen Wohnimmobilienmarkt ist groß. Nach Einschätzung des Verbands der Pfandbriefbanken könnte die Lücke sich erst 2025 schließen. Quelle: dpa

Frankfurt Louis Hagen hat fast sein ganzes Berufsleben der Baufinanzierung gewidmet. Mal als Banker, mal als Lobbyist der deutschen Hypotheken- und Pfandbriefbanken, mittlerweile ist er nicht nur Chef der Münchner Hypothekenbank, sondern auch Präsident des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp), der Interessenvertreter der wichtigen Immobilienfinanzierer im Land. Und das, was er im Herbst seiner Berufslaufbahn nun am deutschen Immobilienmarkt erlebt, bringt ihn zum Staunen.

„Als altgedienter Hypothekarier hätte man so eine Entwicklung für Deutschland nie erwartet“, sagte er am Mittwochabend vor Pressevertretern. Denn in den vergangenen Jahren sind die Preise für Immobilien in einem Ausmaß gestiegen, wie es in vielen Jahrzehnten davor undenkbar schien. Er frage sich manchmal schon, wie es weitergehen werde am Markt, bekennt Hagen und erzählt freimütig, dass er alle Jahre wieder davor warnt, nun müsse aber mal ein Plateau erreicht sein. „Und dann werde ich jedes Jahr wieder Lügen gestraft“, erzählt er.

Trotz seiner Vorsicht spricht aus seiner Sicht derzeit aber mehr gegen als für eine Blase am deutschen Immobilienmarkt. Zwar gebe es Anzeichen für Überbewertungen in manchen Segmenten des Wohnimmobilienmarkts, sicher auch beflügelt von der ultralockeren Geldpolitik. Doch insgesamt sei die Kreditvergabe der Banken „weiterhin eher konservativ geprägt“.

Und für den Boom und die Preisentwicklung nach Immobilien gibt es seiner Meinung nach ebenfalls gute Gründe, etwa dass die Neubauten bei weitem nicht die Nachfrage decken. Allein im vergangenen Jahr seien zwar 276.000 Neubauten fertiggestellt worden, doch das Käuferinteresse hätte für 400.000 Neubauten gereicht, berichtet Hagen.

„Das kann bis 2025 dauern, bis wir diese Unterversorgung aufgeholt haben, immer vorausgesetzt, dass wir weiter fleißig bauen“, berichtet Hagen. Auch im sozialen Wohnungsbau geschieht sehr wenig. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl solcher günstigen Wohnungen etwa halbiert. Das ist kritisch, zumal Hagen den Wohnungsbedarf der dauerhaft bleibenden Flüchtlinge auf rund 250.000 Wohnungen taxiert.

Mit dem Boom am Immobilienmarkt geht ein Boom bei den Baufinanzierungen einher. Das Kreditneugeschäft für den Wohnungsbau fällt seit 2010 Jahr für Jahr umfänglicher aus, wie eine Erhebung des vdp zeigt. Nach 209 Milliarden Euro im Vorjahr hält der Verband in diesem Jahr sogar ein Neugeschäft von 221 Milliarden Euro für möglich.

Die größte Sorge der Immobilienbanken ist derzeit eine Verschärfung der Regulierung - und damit ist nicht einmal die verhasste Wohnimmobilienkreditrichtlinie gemeint, die einschränkt, an welche Kunden die Banken Kredite überhaupt ausreichen dürfen. Der Name des Schreckgespenst lautet „Basel IV“ und ist ein Reformpaket, das derzeit auf internationaler Ebene verhandelt wird. Bislang mussten deutsche Banken nicht sehr viel Kapital einsetzen, um ihr Geschäft im Immobilienmarkt zu betreiben.


Ein Schreckgespenst namens Basel IV

Die Branche argumentiert, die Risiken seien nachweislich sehr gering. Dennoch hätten die ursprünglichen Pläne für das Reformpaket den Kapitalbedarf spezialisierter Immobilienfinanzierer wohl verdoppelt. Spätere Versionen des Pakets, die vor ein paar Monaten noch aktuell waren, würden den Bedarf in manchen Teilbereichen noch immer um 60 bis 80 Prozent nach oben treiben, warnt vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt.

Tolckmitt fordert, dass es eine günstigere Behandlung für Märkte - wie etwa den deutschen Markt - geben soll, wenn so genannte „Hard Tests“ belegen, dass die Risiken weit unter dem Niveau liegen, das die Bankenregulierer da unterstellen. Banken, die mit internen Risikomodellen die Gefahren aus solchen Krediten kalkulieren, sollen noch günstiger wegkommen sollen. Am besten ohne Limitierung.

Das hieße, dass eine Bank, die ihr Risiko selbst kalkuliert, im Zweifel weniger Kapital einsetzen darf als eine Bank, die nach einer Standardmethode kalkuliert. Bislang fordern vor allem die USA, deren Banken Immobilienkredite allerdings an staatlich finanzierte Spezialanbieter abtreten dürfen, dass solche Vorteile aus internen Risikokalkulationen begrenzt werden sollen. Von einer Deckelung des Vorteils von 20 Prozent ist die Rede. Deutschland wehrt sich gänzlich gegen eine Deckelung, aus Sicht von Tolckmitt wäre eine Begrenzung des möglichen Vorteils auf etwas mehr als 40 Prozent gerade noch erträglich.

Die Immobilienbanken wissen die Bundesbank bei dieser Debatte an ihrer Seite. Der für Bankenaufsicht zuständige Vorstand Andreas Dombret hatte kurz vor einer wichtigen Sitzung der Bankenregulierer Ende November in Chile betont, Deutschland werde nicht um jeden Preis neuen Regeln zustimmen.

Zu den Forderungen, die er damals aufstellte, zählte auch eine günstigere Behandlung von Immobilienkrediten. Außerdem wandte er sich auch dagegen, dass die Vorteile aus der Nutzung interner Risikomodelle gedeckelt werden. Ob und was die Regulierer Anfang Januar bei ihrer nächsten regulären Sitzung beschließen, ist noch unklar. Bis dahin müssen die Immobilienfinanzierer noch zittern.

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