Für Pessimisten ist es keine Frage, ob es eine Preisblase am Wohnimmobilienmarkt gibt. Sie fragen sich nur, wann diese platzt. Die jüngsten Zahlen des Marktplatzes für Immobilienfinanzierungen Europace, über den monatlich nach eigenen Angaben über vier Milliarden Euro an Immobilientransaktionen abgewickelt werden, könnten auf die Trendwende hindeuten. Der Gesamtindex für Wohnimmobilien (der sich auf bestehende und neu gebaute Häuser sowie Wohnungen bezieht) ist im September um 0,24 Prozent zum Vormonat gefallen. Doch vor Preiseinbrüchen müssen sich Immobilieneigentümer deshalb noch lange nicht fürchten: Der Rückgang ist gering und der Index steht immer noch ordentliche 4,7 Prozent über seinem Niveau von September 2014.
Völlig von der Hand zu weisen sind Sorgen um die Nachhaltigkeit des Immobilienbooms trotzdem nicht. "Die Liquidität steigt, die Zinsen sinken. Damit steigt aber auch das Risiko von Vermögenspreisblasen an - nicht zuletzt am Immobilienmarkt", sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret schon zu Jahresbeginn. Wie gefährlich Exzesse bei der Immobilienfinanzierung noch werden können, hat die WirtschaftsWoche jüngst ausführlich anhand zahlreicher echter Beispielfälle beschrieben.
Die typischen Anzeichen einer Preisblase, etwa massenhafte kreditfinanzierte Käufe in der Hoffnung auf weitere starke Preisanstiege, sind bislang aber nicht zu beobachten. Laut Kreditvermittler Dr. Klein finanzieren Käufer derzeit einen etwas geringeren Anteil des Immobilienpreises auf Kredit als vor einem Jahr, sie tilgen anfangs deutlich mehr und sichern sich die niedrigen Kreditzinsen genauso lang. Auf Harakiri-Finanzierungen deuten diese Zahlen insgesamt nicht hin.
2014 eine halbe Million Wohnimmobilien verkauft
Die steigenden Preise am Immobilienmarkt sind auch nicht darauf zurückzuführen, dass kaum Eigentümer bereit sind, zu verkaufen. Ein nur von wenigen Transaktionen getriebener Preisaufschwung stünde auf besonders wackligen Füßen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Im vergangenen Jahr wurden laut dem Institut für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen in Deutschland 540.000 Wohnungen und Einfamilienhäuser verkauft. Das waren 3,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt flossen dafür 95 Milliarden Euro.
Die WirtschaftsWoche hat Immobilienpreise, Mietrenditen und Kreditzinsen genauer analysiert. Vor allem die regionale Differenzierung ist wichtig. Während in vielen Großstädten und Universitätsstädten in den vergangenen Jahren Preissprünge in teils zweistelliger Prozenthöhe zu beobachten waren, stagnieren die Preise in vielen Provinzlagen - bestenfalls.
Unsere Kartengrafiken zeigen, wie viel Käufer durchschnittlich je nach Landkreis für bestehende Wohnungen zahlen müssen. Ausgewertet wurden vom Datendienstleister Empirica die inserierten Angebotspreise. Besonders hohe Preise - auf Landkreisebene fangen die schon bei durchschnittlich 3000 Euro an - werden vor allem in größeren Städten aufgerufen und in Süddeutschland. Von den Spitzenpreisen in den Großstädten, wo im Durchschnitt für Wohnungen teils doppelt so viel anfällt, sind diese Preise aber weit entfernt. Das zeigt, dass Interessenten etwas abseits der Städte durchaus günstiger zum Zuge kommen können.
Interessante Rückschlüsse zum Immobilienmarkt lassen Daten zu Mieten und Mietrenditen zu. Würden Immobilien in ganz Deutschland für gleich zukunftstauglich gehalten, müssten sich die Kaufpreise theoretisch direkt aus den vor Ort anfallenden Mieten ergeben: Vermieter wären bei 10 Prozent mehr Miete vor Ort bereit, 10 Prozent mehr zu zahlen. Schließlich wären ihre Mieterträge entsprechend höher. Auch Selbstnutzer müssten ihre Zahlungsbereitschaft indirekt aus den Mieten ableiten. Schließlich sparen sie sich durch den Immobilienkauf die sonst als Mieter fällige Miete. Je höher diese Miete ist, desto mehr sparen die Käufer, desto mehr müssten sie also auch zu zahlen bereit sein.
Niedrige Preise, hohe Mietrenditen
Doch in der Realität sieht das Bild völlig anders aus, wie die ebenfalls von Empirica ausgewerteten Mietrenditen zeigen. Generell sind die Renditen aus der Vermietung eher dort hoch, wo die Preise niedrig sind. Das ist vor allem in der Mitte Deutschlands und im Osten der Fall. Hier können Vermieter vor Kosten und Steuern Renditen von über acht Prozent pro Jahr erzielen. In teuren Regionen, vor allem in den Städten und im Süden, kassieren Vermieter oft nur vier Prozent Rendite. Wohlgemerkt vor Kosten und Steuern und im Durchschnitt des Landkreises - in den Top-Städten wie München sind die Renditen oft noch deutlich geringer.
Selbstnutzer und Vermieter sollten günstig kaufen
Kaufinteressenten können daraus in einer kurzfristigen Perspektive verschiedene Dinge ableiten. Als Selbstnutzer lohnt sich der Kauf vor allem an Standorten mit relativ niedrigen Kaufpreisen, weil die sonst fälligen Mieten im Vergleich zu den Kaufpreisen hier hoch sind. Auch Kapitalanleger, die Gewinn aus der Vermietung erzielen wollen, sollten eher in solchen Lagen kaufen. An den eher teuren Standorten mit extrem niedrigen Mietrenditen muss die kurzfristige Empfehlung für Kapitalanleger heißen: Finger weg! Selbstnutzer sollten an diesen Standorten eher mieten - rein finanziell betrachtet.
Wohnraumnachfrage vor allem Süden und Westen steigend
Langfristig kommt aber ein anderer Faktor hinzu: Wie werden sich Preise und Mieten vor Ort künftig entwickeln? Prognosen dazu sind mit Unsicherheit behaftet. Doch Einschätzungen zur künftigen Nachfrage nach Wohnraum können durchaus erklären, warum die Kaufpreise in günstigen Lagen im Verhältnis zu den dort erzielbaren Mieten so niedrig sind. So geht das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung davon aus, dass die nachgefragte Wohnfläche bis 2030 vor allem im Süden und weiten Teil des Westens deutlich ansteigen wird (um 7,5 Prozent und mehr). In der Mitte Deutschlands und im Osten dürfte künftig hingegen sogar weniger Wohnfläche nachgefragt werden.
Dass in den vergangenen Monaten in zunehmendem Maße Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, die untergebracht werden müssen, ist dabei noch nicht berücksichtigt. Doch tendenziell zieht es auch Flüchtlinge eher in die Städte und in wirtschaftlich prosperierende Regionen, so dass das Auseinanderdriften eher noch verstärkt werden dürfte.
Schwierige Standorte sind was für Kapitalanleger
Dass Käufer derzeit in der Mitte Deutschlands und im Osten zu niedrigeren Vielfachen der erzielbaren Jahresmiete kaufen können, ist so betrachtet durchaus logisch: Die niedrigeren Preise in Relation zu den aktuellen Mieten nehmen bereits vorweg, dass die Mieten hier künftig sinken oder zumindest weniger stark steigen dürften. An bevorzugten Standorten zahlen Käufer hingegen auch dafür, dass die Mieten in Zukunft eher noch stärker zulegen könnten.
Der Kauf an eher schwierigen Standorten eignet sich insofern vor allem für Kapitalanleger, die allein aus den regelmäßigen Mieterträgen relativ schnell einen Großteil des Kaufpreises wieder hereinholen. Sie dürfen aber nicht davon ausgehen, später den gezahlten Kaufpreis wieder selbst herauszuholen oder gar einen Gewinn dank Wertzuwachs einstreichen zu können. Auch Selbstnutzer können an solchen Standorten durchaus kaufen, wenn sie allein durch die gesparte Miete verhältnismäßig schnell einen Großteil ihrer Investition wieder hereinholen.
Finanzierung bestimmt die Rendite
Wie schnell sich der gezahlt Kaufpreis über Mietersparnis oder die Rendite des Vermieters amortisiert, hängt maßgeblich an den Finanzierungskonditionen - und die sind fraglos so günstig wie noch nie. So liegt etwa die standardisierte monatliche Kreditrate für ein Darlehen über 150.000 Euro, 80 Prozent Beleihung, zehn Jahren Zinsbindung und einer Tilgungsrate von zwei Prozent nach Angaben von Dr. Klein bei durchschnittlich 499 Euro - und damit nochmals 20 Euro niedriger als vor einem Jahr.
Entsprechend sind auch die Zinssätze noch immer im historischen Tief. Kredite mit fünfjähriger Zinsbindung liegen nach Berechnungen von Interhyp bei rund 1,1 Prozent, mit zehnjähriger Zinsbindung steigt in Richtung 1,5 Prozent bei den günstigsten Anbietern. Wer sich das Zinsniveau gleich für 15 Jahre sichert, zahlt nur 0,5 Prozentpunkte mehr, bei 20 Jahren Laufzeit sind es 0,75 Prozentpunkte mehr.
Das macht die Baufinanzierung erschwinglich und treibt zugleich vielerorts die Immobilienpreise in die Höhe - einfach, weil einige Käufer auch höhere Kreditsummen stemmen können.
Tilgung auf Rekordniveau
Gleichzeitig achten Immobilienkäufer zunehmend auf eine hohe Tilgungsrate. Sie ist binnen eines Jahres um einen halben Prozentpunkt auf gut drei Prozent gestiegen. "Wir raten Häuslebauern seit Jahren zu höheren Tilgungen", sagt Stephan Gawarecki, Vorstandschef von Dr. Klein & Co. "Denn bei gleichbleibender Tilgungshöhe verlängert sich die Zeit bis zur Schuldenfreiheit, je niedriger die Zinsen sind." Da dieser Effekt an der Konstruktionsweise der typischen Annuitätendarlehen liegt, seien insbesondere angesichts der niedrigen Zinsen höhere Tilgungssätze empfehlenswert und für die meisten dann auch bezahlbar.
Eine hohe Tilgung und möglichst viel Eigenkapital sind daher auch die Grundvoraussetzung für eine schnelle Amortisation der Immobilieninvestition. Wer jetzt eine Immobilie kauft, sollte die Tilgungsrate daher hoch ansetzen und möglichst auch noch flexibel gestalten. Viele Baufinanzierer ermöglichen ein einmaliges Heraufsetzen der Tilgung während der Zinsbindungsfrist ohne weiteren Zinsaufschlag.
"Für Eigennutzer wie für Kapitalanleger gilt im aktuellen Zinsumfeld gleichermaßen: Wer viel tilgt, hat die Darlehenslaufzeit unter Kontrolle und investiert sein Vermögen gewinnbringend", rät auch Michiel Goris, Chef beim Baufinanzierungsvermittler Interhyp. Er rät insbesondere Kapitalanlegern und künftigen Vermietern dazu, sich intensiv mit dem lokalen Immobilienmarkt zu beschäftigen. Wer die Wohnraumachfrage und die langfristige Entwicklungsprognose für die Region kennt, kann auch die Vermietbarkeit einer Immobilie einschätzen. Mietspiegel, Vermieterverbände, vergleichbare Mietangebote und Inserate helfen bei der Orientierung.
Die Beurteilung des lokalen Wohnungsmarktes schlägt sich auch in den Finanzierungskonditionen, ergo in der Zinshöhe nieder. Objekte in guten Lagen mit schlechter Mietprognose können vom Baufinanzierer mit einem Abschlag bewertet und entsprechend ungünstiger finanziert werden. Umgekehrt kann ein niedriges Preisniveau bei relativ hohen Mietrenditen eine Finanzierung aus Sicht der Bank risikoärmer machen, so dass sie auch günstigere Konditionen anbieten kann.
Regionale und überregionale Finanzierungangebote einholen
Die Zeiten, in denen einzelne Banken ausschließlich anhand der Objektbewertung die Konditionen festgezurrt haben, sind jedenfalls endgültig vorbei. Alle Immobilienfinanzierer interessieren sich heute außer für die Objektlage und den -zustand auch für den Kreditnehmer: Einkommen, Familienverhältnis, Haushaltsausgaben und vieles mehr fließen in das Finanzierungsangebot ein, oftmals an die 100 verschiedenen Faktoren.
Wer also die Rendite beziehungsweise die Amortisation seiner Immobilie optimieren will, sollte unbedingt die regionalen und überregionalen Finanzierungsangebote miteinander vergleichen. Da sich eine regionale Bank in der Regel mit der Beurteilung der Mikrolage leichter tut und auch die Einkommensstruktur und Wohnraumnachfrage auf dem lokalen Markt besser kennt, kann das im Einzelfall zu Vor- oder Nachteilen bei den Finanzierungkosten führen. Überregionale Banken nutzen dafür häufig Durchschnittwerte aus Datenbanken oder pauschale Ansätze. Auch dieses Vorgehen kann mal zum Vorteil und mal zum Nachteil des Kreditnehmers ausfallen.