Auf der Bank keine Zinsen, die Börse zu riskant, die Inflation sehr niedrig – Geld und Gold bereiten Sparern kaum noch Freude. Was liegt da näher, als in den Sachwert Immobilie zu investieren – sei es als Vermieter oder als Eigenheimkäufer, der auf günstiges Wohnen im Alter hofft. Weil immer mehr Deutsche so denken und die Zinsen für Baufinanzierungen kaum noch günstiger werden können, hält der Boom am Immobilienmarkt unvermindert an. Ja, er beschleunigt sich sogar.
Im Nachgang zur bedeutenden Immobilienmesse Expo Real in München hagelt es neue Zahlen, die den Megatrend zur Immobilie belegen: Immobilienverband IVD und das Analyseunternehmen Empirica berichten nach Abschluss des dritten Quartals von hohen Preissteigerungen. Demnach sind laut IVD die Preise für Eigentumswohnungen aus dem Bestand im Durchschnitt von 370 untersuchten Städten gegenüber dem Vorjahr um gut sechs Prozent angestiegen – ein Prozentpunkt mehr als im Vorjahr.
In den Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern stiegen die Preise sogar durchschnittlich 9,4 Prozent. 2015 betrug das Plus hier bereits stolze 7,5 Prozent. Noch stärker sind die Anstiege bei Wohnungen mit höherem Wohnwert und bei Neubauwohnungen.
München ist die teuerste Stadt Deutschlands
Generell gilt: Je größer die Stadt und gehobener und neuer die Immobilie, umso größer die Preissteigerungen. Hinzu kommen die regionalen Angebots- und Nachfrageverhältnisse, die die dafür sorgen, dass in einzelnen Städten die Kaufpreise für Wohnungen sogar deutlich zweistellig wachsen.
Für Eigentumswohnungen im Bestand (kein Neubau) und mit mittlerem Wohnwert sind die Preise im vergangenen Jahr in Essen um zehn Prozent, in Bremen um 10,6, in Stuttgart und 11,3 Prozent, in Köln um 15 Prozent und in Frankfurt sogar um 18,9 Prozent gestiegen. In der teuersten Stadt Deutschlands, in München, stiegen die Preise binnen Jahresfrist immer noch um 7,7 Prozent. Dort kostet der Quadratmeter mittlerweile 4200 Euro. In Essen sind es noch günstige 1100 Euro pro Quadratmeter.
Bei solchen Zahlen und den fehlenden Anzeichen für eine Normalisierung des Immobilienmarkts fragt sich so mancher, wie lange das noch gut gehen kann. Tatsächlich werden die Warnungen vor einer sich aufbauenden Immobilienblase und der Gefahr dramatischer Preiskorrekturen immer lauter. „Der Immobilienboom nimmt immer mehr Züe einer Blase an“, sagt etwa Ralph Solveen von der Commerzbank. Gefährlich sei insbesondere die ungleiche Entwicklung am Mietmarkt. „Seit 2010 steigen die Preise schneller als Mieten, Verbraucherpreise und das Einkommen der privaten Haushalte“, sagt Solveen.
Laut Empirica stiegen die Mieten im Lauf nur eines Quartales im Gesamtdurchschnitt um 0,9 Prozent, bei Neubauten ging es 1,2 Prozent aufwärts. Es sei jedes Quartal dieselbe Prozedur, sagt Reiner Braun, Geschäftsführer von Empirica, und „ein Ende ist nicht absehbar“. Seit 2004 seien die Mieten für Neubauten im Durchschnitt um fast 24 Prozent gestiegen.
Übertreibungen im Markt
Die Durchschnittwerte dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor die größten deutschen Städte sind, die besonders hohe Preissteigerungen verzeichnen und den Durchschnitt so in die Höhe treiben. In diesen Märkten sieht die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) Übertreibungen im Markt. Damit sind die Metropolen sicher auch anfälliger für scharfe Preiseinbrüche als der ländliche Raum.
Für eine Ausbreitung einer Immobilienblase spricht hingegen, dass zunehmend auch Kleinstädte vom Immobilienboom erfasst werden. Städte mit 30.000 bis 50.000 Einwohnern einen Anstieg der Immobilienpreise um durchschnittlich sieben Prozent erfuhren. Lediglich in Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohner nahm die Preisdynamik mit einem Plus von 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr um einen halben Prozentpunkt ab. In allen anderen Städtegrößen haben sich die Preissteigerungen deutlich beschleunigt.
Landflucht und Zuzug aus dem Ausland haben neben dem wachsenden Interesse von Investoren sicher dazu beigetragen, dass die Immobilienpreise auf breiter Front steigen. Helaba-Experte Stefan Mitropoulos sind trotz der Neubauaktivitäten auf Rekordhoch auch auf längere Sicht ein Unterangebot an Wohnraum. „Die angespannte Situation am deutschen Wohnungsmarkt wird noch einige Zeit andauern“, sagt er.
Eigentumswohnungen am begehrtesten
Damit wird der Markt zwar anfälliger für Preiskorrekturen, aber das Angebotsdefizit dürfte die Preise noch eine Weile weiter in die Höhe treiben. So stiegen die Einwohnerzahlen in Frankfurt um 15.000, in Hamburg um 25.000 und in Berlin um rund 50.000. „Hier zeigt sich, dass das Angebot die Nachfrage nicht decken kann. Insbesondere in Großstädten ab 250.000 Einwohnern ist dringend mehr Neubau erforderlich“, resümiert Jürgen Michael Schick, Präsident des IVD.
Die hohe Nachfrage führt dazu, dass auch die Preise für Reihen- und Einfamilienhäuser deutlich steigen, wenn auch nicht so stark wie bei Eigentumswohnungen. Für eine anhaltend hohe Nachfrage der Immobilienkäufer spricht zudem, dass Baufinanzierungen noch immer so günstig wie nie sind und die Geldpolitik der europäischen Zentralbank eine Zinserhöhung bis auf Jahre hinaus nicht erwarten lässt. Die Voraussetzungen für ein weiteres Aufpumpen der Immobilienblase sind also gegeben.
Nur ein Faktor, der typisch für eine Immobilienblase ist, fehlt bislang: Eine stark zunehmende Vergabe von Immobilienkrediten durch die Banken. Die aber sind dank Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie eher zurückhaltender geworden und achten streng auf ausreichendes Einkommen und angemessenen Eigenkapitalanteil seitens der Kreditnehmer.
Noch ist also die Gefahr einer platzenden Immobilienblase beherrschbar und mit der Immobilienblase in den USA als Auslöser der weltweiten Finanzkrise nicht einmal entfernt vergleichbar.