Immobilienmarkt Jährlich ein bisschen mehr Blase

Zumindest Großstadtbewohner haben sich an diese Zahlen gewöhnt: Jahr für Jahr steigen Mieten und Immobilienpreise kräftig. Die Preissteigerungen gewinnen sogar noch an Dynamik. Das ist schlecht - auch für Investoren.

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In diesen Städten kauft der deutsche Geldadel
Platz 10: New York City Quelle: AP
Platz 9: Marbella Quelle: dpa
Platz 8: Dubai Quelle: AP
Platz 7: Palma Quelle: dpa
Platz 6: Saint-Tropez Quelle: dpa
Platz 5: Rio de Janeiro Quelle: REUTERS
Platz 4: Ibiza Quelle: dpa

Auf der Bank keine Zinsen, die Börse zu riskant, die Inflation sehr niedrig – Geld und Gold bereiten Sparern kaum noch Freude. Was liegt da näher, als in den Sachwert Immobilie zu investieren – sei es als Vermieter oder als Eigenheimkäufer, der auf günstiges Wohnen im Alter hofft. Weil immer mehr Deutsche so denken und die Zinsen für Baufinanzierungen kaum noch günstiger werden können, hält der Boom am Immobilienmarkt unvermindert an. Ja, er beschleunigt sich sogar.

Im Nachgang zur bedeutenden Immobilienmesse Expo Real in München hagelt es neue Zahlen, die den Megatrend zur Immobilie belegen: Immobilienverband IVD und das Analyseunternehmen Empirica berichten nach Abschluss des dritten Quartals von hohen Preissteigerungen. Demnach sind laut IVD die Preise für Eigentumswohnungen aus dem Bestand im Durchschnitt von 370 untersuchten Städten gegenüber dem Vorjahr um gut sechs Prozent angestiegen – ein Prozentpunkt mehr als im Vorjahr.

In den Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern stiegen die Preise sogar durchschnittlich 9,4 Prozent. 2015 betrug das Plus hier bereits stolze 7,5 Prozent. Noch stärker sind die Anstiege bei Wohnungen mit höherem Wohnwert und bei Neubauwohnungen.

München ist die teuerste Stadt Deutschlands

Generell gilt: Je größer die Stadt und gehobener und neuer die Immobilie, umso größer die Preissteigerungen. Hinzu kommen die regionalen Angebots- und Nachfrageverhältnisse, die die dafür sorgen, dass in einzelnen Städten die Kaufpreise für Wohnungen sogar deutlich zweistellig wachsen.

Die zehn besten Städte Deutschlands
Hamburg Quelle: dpa
Ulm Quelle: dpa
Darmstadt Quelle: DPA/Picture-Alliance
Wolfsburg Quelle: dpa
Regensburg Quelle: Dpa
Stuttgart Quelle: dpa
Frankfurt

Für Eigentumswohnungen im Bestand (kein Neubau) und mit mittlerem Wohnwert sind die Preise im vergangenen Jahr in Essen um zehn Prozent, in Bremen um 10,6, in Stuttgart und 11,3 Prozent, in Köln um 15 Prozent und in Frankfurt sogar um 18,9 Prozent gestiegen. In der teuersten Stadt Deutschlands, in München, stiegen die Preise binnen Jahresfrist immer noch um 7,7 Prozent. Dort kostet der Quadratmeter mittlerweile 4200 Euro. In Essen sind es noch günstige 1100 Euro pro Quadratmeter.

Bei solchen Zahlen und den fehlenden Anzeichen für eine Normalisierung des Immobilienmarkts fragt sich so mancher, wie lange das noch gut gehen kann. Tatsächlich werden die Warnungen vor einer sich aufbauenden Immobilienblase und der Gefahr dramatischer Preiskorrekturen immer lauter. „Der Immobilienboom nimmt immer mehr Züe einer Blase an“, sagt etwa Ralph Solveen von der Commerzbank. Gefährlich sei insbesondere die ungleiche Entwicklung am Mietmarkt. „Seit 2010 steigen die Preise schneller als Mieten, Verbraucherpreise und das Einkommen der privaten Haushalte“, sagt Solveen.

In diesen Großstädten ist Wohnen besonders teuer
Wohnen in Großstädten ist teurer geworden Quelle: dpa
Mietkostenanstieg Quelle: dpa
Berlin mit enormer Mietkostensteigerung Quelle: REUTERS
Preissteigerungen im mittleren Wohnwert Quelle: dpa
Duisburg und Bochum mit günstigen Mieten Quelle: dpa
Durchschnittliche Kaltmieten im Städtevergleich Quelle: dpa
Durchschnittskosten für Großstadt-Quadratmeter Quelle: dapd

Laut Empirica stiegen die Mieten im Lauf nur eines Quartales im Gesamtdurchschnitt um 0,9 Prozent, bei Neubauten ging es 1,2 Prozent aufwärts. Es sei jedes Quartal dieselbe Prozedur, sagt Reiner Braun, Geschäftsführer von Empirica, und „ein Ende ist nicht absehbar“. Seit 2004 seien die Mieten für Neubauten im Durchschnitt um fast 24 Prozent gestiegen.

Übertreibungen im Markt

Die Durchschnittwerte dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor die größten deutschen Städte sind, die besonders hohe Preissteigerungen verzeichnen und den Durchschnitt so in die Höhe treiben. In diesen Märkten sieht die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) Übertreibungen im Markt. Damit sind die Metropolen sicher auch anfälliger für scharfe Preiseinbrüche als der ländliche Raum.

Für eine Ausbreitung einer Immobilienblase spricht hingegen, dass zunehmend auch Kleinstädte vom Immobilienboom erfasst werden. Städte mit 30.000 bis 50.000 Einwohnern einen Anstieg der Immobilienpreise um durchschnittlich sieben Prozent erfuhren. Lediglich in Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohner nahm die Preisdynamik mit einem Plus von 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr um einen halben Prozentpunkt ab. In allen anderen Städtegrößen haben sich die Preissteigerungen deutlich beschleunigt.

Landflucht und Zuzug aus dem Ausland haben neben dem wachsenden Interesse von Investoren sicher dazu beigetragen, dass die Immobilienpreise auf breiter Front steigen. Helaba-Experte Stefan Mitropoulos sind trotz der Neubauaktivitäten auf Rekordhoch auch auf längere Sicht ein Unterangebot an Wohnraum. „Die angespannte Situation am deutschen Wohnungsmarkt wird noch einige Zeit andauern“, sagt er.

Eigentumswohnungen am begehrtesten

Damit wird der Markt zwar anfälliger für Preiskorrekturen, aber das Angebotsdefizit dürfte die Preise noch eine Weile weiter in die Höhe treiben. So stiegen die Einwohnerzahlen in Frankfurt um 15.000, in Hamburg um 25.000 und in Berlin um rund 50.000. „Hier zeigt sich, dass das Angebot die Nachfrage nicht decken kann. Insbesondere in Großstädten ab 250.000 Einwohnern ist dringend mehr Neubau erforderlich“, resümiert Jürgen Michael Schick, Präsident des IVD.

Die hohe Nachfrage führt dazu, dass auch die Preise für Reihen- und Einfamilienhäuser deutlich steigen, wenn auch nicht so stark wie bei Eigentumswohnungen. Für eine anhaltend hohe Nachfrage der Immobilienkäufer spricht zudem, dass Baufinanzierungen noch immer so günstig wie nie sind und die Geldpolitik der europäischen Zentralbank eine Zinserhöhung bis auf Jahre hinaus nicht erwarten lässt. Die Voraussetzungen für ein weiteres Aufpumpen der Immobilienblase sind also gegeben.

Wo es bis 2030 in Deutschland noch teurer wird
Platz 15: BremenIn mehr als 80 Prozent der deutschen Großstädte haben sich die Preise für Wohnungen und Häuser in den vergangenen zehn Jahren nach oben entwickelt. Dazu hat vor allem die Urbanisierung beigetragen. Nach einer Auswertung der Postbank wird es in Bremen in Zukunft auch so weiter gehen. In den folgenden Städten wird es sogar noch teurer.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose bis 2030*: + 0,48 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen bis 2030**: + 0,21 Prozent * Annahme: Von 2015 bis 2030 migrieren 1 Million Flüchtlinge in die Bundesrepublik (Bleiberecht inkl. Familienzuzug); die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel, innerhalb der Bundesländer nach Bevölkerungsanteilen. * Prognostizierte Preisentwicklung auf Basis der angenommenen Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingszuzug; Veränderungen des Verkaufspreises in Euro pro Quadratmeter.Quelle: Postbank Quelle: dpa
Platz 14: KölnAuch in Köln werden die Preise steigen. Insgesamt werden sich in den kommenden 15 Jahren sich Städte und Regionen sehr unterschiedlich entwickeln: Weniger als die Hälfte der Städte werden noch wachsen, trotz Flüchtlingszuzug. Und: Die Bevölkerungsentwicklung einer Stadt und die Preise am Immobilienmarkt hängen eng zusammen, wie die Studie der Postbank zeigt.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 1,22 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 3,38 Prozent Quelle: dpa
Platz 13: LeipzigIn vielen Städten mildern neue Mitbürger, denen nach dem Asylverfahren ein Bleiberecht und damit eine Perspektive gewährt werden, den Bevölkerungsrückgang zumindest ab. Vor allem der Osten kann vom Zuzug durch Flüchtlinge profitieren, während er in prosperierenden Städten Engpässe auf dem Immobilienmarkt noch verstärken wird. Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 1,38 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 3,40 Prozent Quelle: dpa
Platz 12: DresdenDer Studie liegt die Annahme zugrunde, dass bis 2030 insgesamt etwa eine Million Menschen zuwandern – und der Zuzug damit etwa der Zahl der Flüchtlinge entspricht, die im Jahr 2015 ins Land kam. Die gegenwärtige Verteilung auf die Bundesländer nach dem Königsteiner Schlüssel wird fortgeschrieben, innerhalb der Länder wird eine Aufteilung auf Städte nach Bevölkerungsanteilen angenommen.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 1,57 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 4,06 Prozent Quelle: dpa
Platz 11: MünchenGrund für die erhöhte Wohnflächennachfrage in Städten wie München sind die steigende Anzahl von Haushalten, insbesondere Single-Haushalten, sowie der Wunsch nach mehr Wohnraum. „Der steigende Wohnflächenbedarf wird vor allem die Nachfrage nach Eigentumswohnungen ankurbeln“, erklärt Postbank-Experte Dieter Pfeiffenberger.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 1,58 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 4,39 Prozent Quelle: dpa
Platz 10: AaachenDie Preisstürze in den schrumpfenden Städten hingegen werden der Studie zufolge wahrscheinlich durch einen weiteren Trend abgemildert – nämlich durch die steigende Wohnflächennachfrage.Bevölkerungs-entwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 2,06 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 6,33 Prozent Quelle: dpa
Platz 9: DüsseldorfIn allen 36 untersuchten Städten sind die Immobiliengrößen pro Haushalt in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Wurde im Jahr 2005 noch auf 71,8 Quadratmetern gewohnt, sind es jetzt im Schnitt 73,3 Quadratmeter. Bis 2030 wird die Wohnflächennachfrage in drei Viertel der untersuchten Städte weiter steigen, prognostiziert die Studie.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 2,18 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 6,74 Prozent Quelle: dpa

Nur ein Faktor, der typisch für eine Immobilienblase ist, fehlt bislang: Eine stark zunehmende Vergabe von Immobilienkrediten durch die Banken. Die aber sind dank Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie eher zurückhaltender geworden und achten streng auf ausreichendes Einkommen und angemessenen Eigenkapitalanteil seitens der Kreditnehmer.

Noch ist also die Gefahr einer platzenden Immobilienblase beherrschbar und mit der Immobilienblase in den USA als Auslöser der weltweiten Finanzkrise nicht einmal entfernt vergleichbar.

Die Exklusivstudie von 2016 enthält alle Tabellen und Daten für alle 69 untersuchten Städte in den Kategorien Immobilienmarkt, Lebensqualität, Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstruktur – zum Download.

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