Das ehemalige Mietshaus in der Düsseldorfer Moltkestraße hat schon bessere Zeiten gesehen. Im ersten Stock der schmucklosen Immobilie aus den späten Sechzigerjahren ist ein Loch in der Fassade notdürftig mit Brettern zugenagelt, hier hatten Bauarbeiter Trümmer aus den Wohnungen in einen Container gekippt. Wie es nach der Modernisierung aussehen soll, zeigt ein Plakat, das der Makler an ein Fenster im Erdgeschoss gepinnt hat:
Sechs kernsanierte Eigentumswohnungen über je eine Etage sollen entstehen, mit bodentiefen Fenstern, Fußbodenheizung, Eichenparkett, Natursteinwaschbecken. Ab 522.000 Euro können Käufer einsteigen. Angesichts solcher Verkaufspreise, 4400 Euro je Quadratmeter und mehr, kommen Wohnungseigentümer, die ihre vermietete Immobilie als Kapitalanlage halten, ins Grübeln. Ihr Geschäft wird nicht einfacher, vor allem dank der Mietpreisbremse. In begehrten Gebieten dürfen Vermieter die Miete bei Neuvermietung maximal zehn Prozent über das ortsübliche Niveau anheben. Was ortsüblich ist, gibt der oft inaktuelle Mietspiegel vor.
Mieterhöhungen sollen sich laut Plan des Bundesjustizministeriums künftig nicht nur am Mietspiegel, sondern auch am Einkommen der Mieter orientieren. Hinzu kommen immer kompliziertere Dämm- und Energiesparregeln. „Die wachsende Regulierungswut frustriert die Vermieter“, sagt Carsten Brückner, Vorsitzender des Verbands Haus & Grund in Berlin.
Viele fragen sich daher: Weiter vermieten oder doch lieber verkaufen? Derzeit gibt es in Deutschland rund neun Millionen Eigentumswohnungen, die Hälfte davon ist vermietet. Hinzu kommen Tausende Mietshäuser, deren Mietwohnungen sich — wie im Fall der Düsseldorfer Immobilie — in Eigentum einzelner Besitzer wandeln lassen.
Noch gibt es keine Verkaufswelle frustrierter Vermieter. Das könnte sich allerdings ändern. So will das Bundesjustizministerium den Mietspiegel zulasten der Vermieter reformieren. Bisher bildete der Mietspiegel die in den vergangenen vier Jahren erhöhten und neu vereinbarten Mieten ab. Künftig sollen die gleichen Daten aus den vergangenen zehn Jahren einfließen.
Folge: Die Mietspiegelwerte steigen langsamer, der Spielraum für Mieterhöhungen wird kleiner. Schon jetzt wird in begehrten Wohnlagen mehr verkauft als vermietet. In Berlin etwa, wo seit Juni 2015 die Mietpreisbremse greift, hat sich laut Analyseinstitut Empirica der Vorsprung der Kauf- gegenüber den Mietinseraten zuletzt deutlich vergrößert. Die Mietpreisbremse beschleunigt den Verfall der Mietrenditen. Eine Wohnung in guter Lage kostet in Berlin im Schnitt 3550 Euro pro Quadratmeter. Bei einer Kaltmiete von 10,80 Euro je Quadratmeter kommen Vermieter auf eine Bruttorendite (vor Steuern und Kosten) von 3,7 Prozent. 2013 lag diese noch bei 4,1 Prozent.
„Der Kaufmarkt läuft dem Mietmarkt in der Regel zwei bis drei Jahre hinterher“, sagt die Berliner Maklerin Marina Buchmann. Zwischen 2008 und 2010 seien nach dem Umzug von Behörden und Verbänden nach Berlin die Mieten angestiegen. Seit 2013 zögen die Kaufpreise für Eigentumswohnungen nach.
Objekte in erstklassigen Lagen halten
Sinnvoll ist ein Verkauf derzeit aber nur unter bestimmten Bedingungen:
Schlechte Lage. Wegen des Runs auf Immobilien erzielen selbst Objekte in drittklassigen Wohnlagen hohe Preise. Fehlt der Immobilie Potenzial, lohnt sich ein Verkauf mehr. „Wer dagegen vermietete Wohnungen in erstklassigen Lagen besitzt, sollte diese besser halten“, sagt Lars Follmann, Geschäftsführer von ImmobilienWerte Hamburg. Zwar seien die Bruttomietrenditen in Toplagen auf 3,0 bis 3,5 Prozent gesunken, das fange der nachhaltige Wertzuwachs aber mehr als auf.
Investitionsstau. Bei vielen Wohnanlagen ist die Infrastruktur noch auf dem Stand der Siebziger- oder Achtzigerjahre. Den Eigentümern drohen in den kommenden Jahren hohe Umlagen für die Modernisierung. Wer die nicht stemmen will, sollte an Verkauf denken.
Zerstrittene Eigentümer. Ein schwieriges Verhältnis der Eigentümer untereinander kostet Zeit und Geld; ein Argument für den Verkauf.
Steuern. Nur wenn die Immobilie mindestens zehn Jahre im Besitz der Eigentümer ist, bleibt der Gewinn beim Verkauf steuerfrei. Der Steuereffekt ist erheblich: Vor Ablauf der Spekulationsfrist muss der Verkäufer den Gewinn mit dem persönlichen Einkommensteuersatz versteuern.
Exit-Strategie. Wer verkauft, sollte eine Anlagealternative haben, davon gibt es derzeit wenig. Am Zinsmarkt sind die Renditen mickrig, die Börsen sind momentan im Achterbahnmodus. Oft bleibt mangels Alternative nur die Option, die alte Immobilie zu verkaufen und sich eine neue zuzulegen. Doch sowohl die Kaufpreise als auch die Grunderwerbsteuer sind in vielen Gemeinden gestiegen. Diese Mehrkosten muss der Eigentümer mit der neuen Immobilie erst einmal wieder hereinholen. „Mit einem Tausch zwischen zwei Münchner Eigentumswohnungen ist das nicht möglich“, sagt Wulff Aengevelt, Immobilienunternehmer aus Düsseldorf. Sinnvoller sei es, auf mittelgroße Städte mit Wachstumspotenzial auszuweichen. Dazu zählten Leipzig oder Dresden. Laut Immobilienscout24 liefern Eigentumswohnungen in guten Lagen Leipzigs oder Dresdens im Schnitt 4,7 Prozent Mietrendite. In München sind es dagegen nur noch drei Prozent. Wer an seinem vertrauten Standort bleiben will, sollte sich Immobilien suchen, die nicht unter die Mietpreisbremse fallen.
Wie Vermieter die Mietpreisbremse umgehen können
Eigentümer können befristete Mietverträge mit Arbeitnehmern abschließen, die etwa für die Dauer eines Projekts eine Bleibe suchen. Vorteil: Die Miethöhe kann der Vermieter unabhängig von der Mietpreisbremse vereinbaren. Nachteil: Eine reguläre Kündigung vor Vertragsende ist nicht möglich. Für möbliertes Wohnen gibt es nur begrenzte Nachfrage.
Die Miete steigt mit den allgemeinen Lebenshaltungskosten. Nur die erste Miete unterliegt der Mietpreisbremse. Danach steigt die Miete mit der Inflationsrate. Vorteil: Die Miete ist nicht gedeckelt. Nachteil: Derzeit ist die Inflationsrate so niedrig, dass die Mieten kaum steigen.
In den touristisch interessanten Großstädten werden Mietwohnungen vermehrt in Feriendomizile umgewandelt. Vorteil: Die Mietpreisbremse greift nicht. Nachteil: Kommunen verhindern, dass Wohnungen in Touristenquartiere umgewidmet werden.
Dazu zählen beispielsweise Ferienwohnungen oder möblierte Apartments für Studenten und Pendler. Beide Kategorien versprechen künftig höhere Renditen als klassische Mietwohnungen. Allerdings ist wegen der hohen Mieterfluktuation meist ein Verwalter für den Papierkram nötig – und auch dessen Gebühren drücken die Rendite.
Aufteilen und verwerten
Ganze Mietshäuser statt einzelne Eigentumswohnungen zu verkaufen ist deutlich aufwendiger. Denn ob Eigentümer verkaufen dürfen, darüber entscheiden auch Politiker. So wollen viele Kommunen verhindern, dass frustrierte Eigentümer ihre Mietshäuser aufteilen und versilbern. Sie fürchten, dass finanzschwache Mieter aus ihren Vierteln verdrängt werden, und richten daher im Stadtgebiet Schutzzonen ein, im Behördendeutsch Milieuschutzsatzungen genannt. Stadt und Vermieter liegen wegen dieser Satzungen häufig im Clinch. In München etwa hat der Immobilieneigentümer GBW die Stadt im Dezember vergangenen Jahres verklagt, weil die eine Umwandlung von 400 Mietwohnungen untersagt hatte.
Die Rechtslage ist bundesweit stark unterschiedlich.
In Düsseldorf etwa gibt es derzeit keinen Milieuschutz, in Hamburg, München und Berlin dagegen schon.
Umwandlungsverbot. Bundesländer können in Städten mit Milieuschutz verbieten, dass dort Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Berlin etwa hat im März vergangenen Jahres ein Umwandlungsverbot eingeführt. Etwa 160.000 Wohnungen sind davon betroffen. „In Berlin nutzen viele Eigentümer eine Ausnahme vom Verbot, die eine Umwandlung erlaubt, wenn der Vermieter innerhalb von sieben Jahren die Wohnung an einen Mieter verkauft“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Ob die Grundbuchämter kontrollierten, dass der Eigentümer tatsächlich an den Mieter verkauft, sei fraglich. Vermieter sollten aber nicht auf die Schlafmützigkeit der Ämter vertrauen. Besser ist es, erst die Mieter zu fragen, und dann Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln.
Vorkaufsrecht. Vermieter sind gesetzlich verpflichtet, eine Wohnung zuerst dem Mieter anzubieten. Das gesetzliche Vorkaufsrecht greift nicht, wenn das gesamte Haus verkauft oder die Wohnung an Angehörige veräußert oder verschenkt wird. Vermieter, die das Vorkaufsrecht aushebeln, müssen mit Schadensersatzforderungen der Mieter rechnen. Für Eigentümer ist es daher attraktiver, die Mieter mit Geld zum Auszug zu motivieren und dann das Haus aufzuteilen und als Eigentum zu verkaufen.
Eigenbedarf. Nach der Umwandlung einer Mietwohnung gilt bundesweit ein Kündigungsschutz für Mieter von drei Jahren. Kommunen können den in Schutzzonen auf bis zu zehn Jahre ausweiten, so geschehen etwa in einigen Hamburger Vierteln. In diesem Zeitraum können die neuen Eigentümer keinen Eigenbedarf anmelden. Eigentumswohnungen ohne Mieter erzielen daher am Markt höhere Verkaufspreise.
Erst sanieren, dann verkaufen
Vor einem Verkauf ihres Mietshauses sollten Eigentümer folgende Punkte beachten:
Verkaufsoptionen prüfen. Vermietete Immobilien lassen sich als Ganzes oder als einzelne Eigentumswohnungen verkaufen. Je begehrter die Lage, desto leichter lässt sich die Immobilie aufteilen. Wer aufteilt, muss mit Zusatzkosten rechnen, für Anwalt, Notar, Grundbuchamt und Makler. Hinzu kommen Sanierungskosten.
„In den B-Lagen der Großstädte dagegen lohnt es sich weit weniger, ein Mietshaus aufzuteilen, zumal die Preise in Zukunft dort kaum noch höher sein werden als jetzt“, sagt Oliver Moll von Moll & Moll Zinshaus in Hamburg.
Immobilie aufhübschen. Wer sein Mietshaus verkauft, um bald anstehende Investitionen zu vermeiden, sollte nicht in Eigentumswohnungen aufteilen. „Einzelne unsanierte Eigentumswohnungen sind kaum zu verkaufen“, sagt Andreas Ibel, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Ist ein Mietshaus erst auf viele Eigentümer aufgeteilt, lassen sich Sanierungen schwer durchsetzen. Das führt zu Preisabschlägen.
Ob die sechs Wohnungen in der Düsseldorfer Moltkestraße künftig von Eigentümern oder Mietern bewohnt werden, bleibt offen. Im März 2017 sollen die Bauarbeiten beendet sein. Danach könnten die ersten Bewohner einziehen. Besonders eilig hat es aktuell kaum ein Immobilienbesitzer, seine Wohnung zu vermieten. Viele spekulieren auf weiter steigende Kaufpreise. „Mietpreisregulierung produziert Wohnungsmangel“, sagt der Berliner Immobilienökonom Ramón Sotelo. Um diesen zu bekämpfen, müsste es mehr Anreize geben zu vermieten und nicht weniger.