Immobilienvermittlung Sind digitale Immobilienmakler gescheitert?

Modellhaus auf einer Hand Quelle: imago images

Erst galten sie als Bedrohung, nun als Flop: neue, digitale Immobilienmakler. Gründer Björn Bialon erklärt, warum beide Sichtweisen falsch sind. Und wie Makler eine Zukunft haben. Ein Gastbeitrag.

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Zum Autor: Björn Bialon, 41, ist Gründer und Geschäftsführer von Caleo Advisors. Der auf gewerbliche Immobilien spezialisierte Makler bietet eine IT-Serviceplattform an. Bialon ist seit mehr als 20 Jahren in der Immobilienbranche tätig.

Hausgold, McMakler, Homeday: Vor ein paar Jahren hatte manch klassischer Immobilienmakler noch Sorge, dass die neue digitale Konkurrenz ihn bald überflüssig machen könnte. Die Digitalisierung schien auch die Immobilienbranche zu erfassen. Nun aber hat sich der Wind offenbar gedreht. So liest man von Stellenabbau oder gar Insolvenzen bei den Hybridmaklern – Hybrid, weil sie Mensch und Maschine in optimierten Prozessen zusammenbringen. Zinswende, Inflation, steigende Energie- und Baukosten, Ukraine- und Coronakrise dämpfen die Erwartungen der Neomakler deutlich. Hinzu kommt, dass die Prozesse zäher und komplexer geworden sind. Zusätzlich machen Investoren Druck, schneller profitabel zu werden. 

Hören, riechen – warum virtuell nicht ausreicht

Dabei gilt die Immobilienbranche nach wie vor als sehr konservativ, behäbig und althergebracht. Die Finanz- und Versicherungsbranche hat es vorgelebt und sieht in rein digitalen Lösungen den ultimativen Gamechanger. Lässt sich aber alles zu 100 Prozent digitalisieren? Nein, auch die gehypten Neobanken haben Probleme, wenn die ganze Kommunikation plötzlich auf Chatbots verlagert werden soll. Die Folge: Nach einem Aufschrei der Kunden bieten viele nun wieder reale Gesprächspartner an, wenn teilweise auch nur in höherpreisigen Modellen.

Björn Bialon, 41, ist Gründer und Geschäftsführer von Caleo Advisors

Die Hürden für digitale Lösungen im Immobiliengeschäft waren von Anfang an höher. Versicherungsverträge, also Papierdokumente, lassen sich einfach digitalisieren und in einer App übersichtlich zusammenfassen. Die Immobilie ist im Vergleich zu einem Versicherungsvertrag aber ein sehr emotionales Produkt. Zudem ist die Immobilie ein statisches Produkt, das sich nicht komplett digital erlebbar machen lässt.

Eine virtuelle Begehung mag ein nettes Feature sein. Aber vor Kauf oder Miete wollen viele Räume doch auf sich wirken lassen. Wollen die Umgebung sehen – und vielleicht auch hören, riechen… Interessenten wollen wie in der Automobilbranche so etwas wie eine „Probefahrt“ machen. Es braucht also Menschen zur Besichtigung, für die Instandhaltung und eine Reihe anderer Services. Und sicherlich möchte die Mehrzahl der Kunden nicht mit einem Chatbot über Angebot und Mietvertragsabschluss verhandeln müssen. 

Echte Antworten auf individuelle und teils komplexe Problemfälle können nur Menschen geben. Deshalb wird sich der Immobilienmakler auch durch keine noch so intelligente, rein digitale Plattformlösung ersetzen lassen. Für Gewerbeflächen ist dies noch wichtiger als im Wohnsegment. Denn in den allermeisten deutschen klein- und mittelständischen Unternehmen treffen Mitarbeiter, die ansonsten wenig bis gar nichts mit Immobilien zu tun haben, die Entscheidung über die Anmietung von Flächen. Auf der Vermieterseite hingegen sitzt in aller Regel ein Profi. 

Krempelt Google bald die Branche um?

Die Tech-Riesen haben zwar eine große wirtschaftliche Schlagkraft und ein enormes digitales Know-how. Dennoch besteht der große Erfolgsfaktor dieser Unternehmen darin, rein digitale Ökosysteme zu schaffen. Auch Google wird trotz vieler Features wie „Streetview“, „Property Search“ oder der „Neighborhood Discovery“-Funktion nicht zur Bedrohung für Makler. Google Real Estate gibt es zwar, aber eher als Bestandshalter für die eigenen Nutzflächen, seien es Büros oder Rechenzentren. Und ansonsten beschränkt sich Google Real Estate bislang darauf, rund um die eigene Zentrale etwas bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Bei Googles digitalen Tools zu Immobilien handelt es sich bislang sonst eher um Ergänzungen, die Immobilieninteressenten Entscheidungen erleichtern. Aber sie reichen nicht, um den Maklerberuf von heute auf morgen (oder auch bis übermorgen) abzuschaffen. Von Disruption kann hier nicht gesprochen werden. Die künstliche Intelligenz wird trotz rasanter Entwicklung noch Zeit brauchen. Ihr fehlt die Emotionalität. Entsprechend unwahrscheinlich ist es, dass Google direkt in die Immobilienvermittlung einsteigt. Und ganz sicher wird der Internetriese keine Makler einstellen, wenn es irgendwann doch soweit sein sollte.

Makler sollten sich jedenfalls nicht zu früh freuen. Sich auf eine rein analoge Zukunft zu verlassen, könnte genauso ein Fehler sein, wie die bisherige Furcht vor der bevorstehenden Disruption der Maklerzunft. Ohne Digitalisierung werden es Makler, ob klein, ob groß, künftig schwer haben. Einige werden zum Aufgeben gezwungen sein.

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Viele haben es schlichtweg verschlafen, in einem gesunden und sinnvollen Maß zu digitalisieren. Während Hybridmakler verstanden haben, dass es beides braucht – Mensch und Maschine – und dass sich der Faktor Mensch nicht einfach wegdigitalisieren lässt, wie in anderen Branchen. Aus meiner Sicht kommt es darauf an, die perfekte Symbiose aus On- und Offlinewelt zu bieten. Dann haben Makler eine gute Zukunft, trotz Krise.

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