Welches wohl der größere Hype ist – die Digitalwährung Bitcoin oder sauteure Wohnungen und Häuser in überkauften Stadtgebieten? Deutsche und europäische Finanzaufseher haben beide Themen fest im Blick, geben sich trotz schwindelerregender Preise aber erstaunlich entspannt.
So leitet Bundesbankvizepräsidentin Claudia Buch mit schlüssig klingenden statistischen Argumenten her, warum der rasante Anstieg der Immobilienpreise in deutschen Städten derzeit noch keine unmittelbare Gefahr für das Finanzsystem darstelle. Und EZB-Vize Vitor Constancio sieht beim Rausch um den Bitcoin, der übrigens keine richtige Währung sei, kein Systemrisiko.
Damit ist das Thema explodierender Vermögenspreise aus gesellschaftlicher Sicht jedoch nicht erledigt. Die Finanzaufseher sehen Preisanstiege und die Gefahr von Blasen aus dem engen Blickwinkel der Systemstabilität. Das ist zunächst auch ihr Job. Bei der Finanzaufsicht bleiben die Alarmglocken solange still, wie rasante Preissteigerungen etwa am Häusermarkt von hoher Nachfrage und einem knappen Angebot herrühren – und solange die immer höheren Bewertungen mit genügend Eigenkapital finanziert sind und die Banken über Kreditsicherheiten verfügen. Beides ist am deutschen Immobilienmarkt der Fall. So dürfte das Finanzsystem sogar die zuletzt gemessenen Überbewertungen von 15 bis 30 Prozent wegstecken können.
Der Preisanstieg ist in der nüchternen Sprache der Statistiker also nachhaltig. Aber genau das ist die schlechte Nachricht für Privatleute, die gern mal in ein Eigenheim finanzieren würden, dies aber wegen der schwindelerregenden Preise derzeit nicht können und vielleicht nie dazu in der Lage sein werden. Die Entvölkerung der Stadtgebiete von London und Paris und die Verdrängung der Mittelschicht in immer entlegenere Randlagen sind nicht mehr nur mahnendes Beispiel, sondern auch in Deutschland vielerorts Realität.
Auch im digitalen Kreativzentrum, dem Silicon Valley an der US-Westküste, können sich Haushalte mit 50.000 Dollar Jahreseinkommen schon lange keine Wohnung mehr leisten. Kein Wunder bei Monatsmieten um die 4000 Dollar. Bei seriöser Finanzierung müssen solche Verhältnisse übrigens keine Gefahr für die Finanzstabilität darstellen. Trotzdem haben sie weitreichende Auswirkungen auf die Lebenssituation von Normalverdienern.
Wie wichtig der Immobilienmarkt für die Volkswirtschaft und damit für den breiten Wohlstand ist, zeigen beeindruckende Zahlen aus dem frisch gedruckten Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank. Rund zwei Drittel der gesamten Verschuldung der privaten Haushalte stammt aus Immobilienkrediten. Und diese machen mehr als die Hälfte der von Banken insgesamt vergebenen Kredite aus. Ein erheblicher Teil der Kaufkraft von Verbrauchern und Unternehmen geht also für die lebens- und produktionsnotwendigen Investitionen in oder Ausgaben für Immobilien drauf.
Die Nachfrage nach Immobilien als Wohnraum und Produktionsfaktor ist relativ starr, umgehen lassen sich diese Ausgaben also kaum. Daher fehlt das am boomenden Immobilienmarkt investierte Geld für zukunftsweisende Investitionen in Bildung oder technischen Fortschritt. Traurig, dass auch die Ökonomie des 21. Jahrhunderts immer noch so stark am Grund und Boden hängt.