Interhyp-Vorständin Mohr „Verbraucher müssen unfassbar schnell zusagen, wenn sie sich für ein Objekt interessieren“

Mirjam Mohr ist Vorstandsmitglied beim Kreditvermittler Interhyp. Quelle: Interhyp/Fotograf: Andreas Pohlmann

Interhyp-Vorständin Mirjam Mohr beobachtet eine beginnende Trendwende am Zinsmarkt. Immobilienkäufern rät sie aber trotzdem ruhig zu bleiben. Denn die Zinsen seien historischen betrachtet noch immer günstig.

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Die Bauzinsen ziehen seit einiger Zeit an – und haben sich binnen eines Jahres deutlich verteuert. Das hat Folgen für Immobilienkäufer, die nun schlechtere Kreditkonditionen bekommen. Mirjam Mohr ist Vorstandsmitglied von Interhyp, Deutschlands größtem Vermittler privater Baufinanzierungen – und bleibt entspannt. Im Interview erklärt sie, mit welchen Zinsen Immobilienkäufer demnächst rechnen müssen und warum sie sich nicht aus der Ruhe bringen lassen sollten.

WirtschaftsWoche: Frau Mohr, die beginnende Zinswende belastet die Märkte und verunsichert Immobilienkäufer. Wie berechtigt sind die Sorgen?
Mirjam Mohr: Seit September vergangenen Jahres sind die Bauzinsen merklich angestiegen. Neben den Zentralbanken und der Inflation beeinflusst momentan Omikron die Lage als Unsicherheitsfaktor. Was man aber trotz allem nicht vergessen darf: Die Zinsen sind im historischen Kontext aktuell immer noch auf niedrigem Niveau. Spannend aber ist, was jetzt perspektivisch passieren wird. Unser Interhyp-Bauzinsbarometer befragt einmal im Monat namhafte Kreditinstitute, wie sie die Entwicklung am Zinsmarkt bewerten. Im Januar hatten wir ein klares Votum: Selten zuvor waren sich alle Experten so einig über den anstehenden Zinsanstieg. Die magische Schwelle von einem Prozent haben wir ja bereits überschritten. Und im Jahresverlauf erwarten wir weiter leicht steigende Zinsen in der Größenordnung von mehreren Zehntelprozentpunkten.

Manche Experten äußern sehr konkrete Zinsprognosen und erwarten einen Anstieg auf 1,75 Prozent. Halten Sie dieses Niveau für realistisch?
Ich würde mich nicht auf eine Zahl festlegen – das wäre nur eine Scheingenauigkeit. Fest steht aber: Die Zinsen werden erst mal nicht wieder sinken. Der langsame Zinsanstieg markiert eine beginnende Trendwende. Die Richtung ist klar vorgegeben. Zinsen von zwei Prozent sind in den nächsten Jahren nicht auszuschließen.

Die BaFin will die Anforderungen der Banken für die Kreditvergabe anheben. Wie könnte sich das auf Hypothekenkredite auswirken?
Perspektivisch könnten sich die Konditionen durch die Entscheidung der BaFin tatsächlich erhöhen. In welchem Maß die Zinsen dadurch steigen werden, ist aber noch offen. Genauso wie die Frage, ob das wiederum zu einer geringeren Nachfrage am Immobilienmarkt führen wird. Entscheidender ist unserer Meinung nach jedoch, wie risikoaffin die jeweiligen Banken sind. Aus den Gesprächen mit unseren Bankpartnern wissen wir, dass diese die Preisentwicklung unabhängig von regulatorischen Vorgaben derzeit sehr genau beobachten.

Endet jetzt die Ära der Billig-Kredit?
So eine Aussage wäre ziemlich reißerisch. Die Zinsen haben sich ja nicht verdoppelt oder verdreifacht.

Aber sie haben sich auf niedrigem Niveau deutlich verteuert – binnen eines Jahres um etwa 50 Prozent.
Das stimmt. Schon ein Zinsanstieg von ein paar Zehntelprozentpunkten lässt die monatliche Belastung für Verbraucher steigen. Ich warne aber trotzdem vor reißerischen Prozentrechnungen, weil die Zinsen immer noch sehr niedrig sind. Wir erleben keine explodierende Zins-Rally. Die Diskussion um steigende Zinsen muss sich beruhigen.

Sind Immobilienkäufer nach Jahren der Niedrigzinsen mittlerweile zinsverwöhnt?
Das niedrige Zinsniveau hat die Nachfrage nach Immobilien deutlich befeuert und die Preise stark steigen lassen. Erst die günstigeren Kreditkonditionen machen die Monatsrate für viele leistbar.

Die niedrigen Zinsen haben die gestiegenen Immobilienpreise also ein Stück weit kompensiert. Jetzt ziehen die Bauzinsen an, aber ein Gros der Experten geht nicht davon aus, dass die Preise demnächst sinken. Wird das für Verbraucher mittelfristig zum Problem?
Steigende Zinsen wirken sich auf die Leistbarkeit aus. Wir erwarten dennoch, dass sich für die meisten Kunden keine Probleme ergeben. Die meisten Verbraucher, die bereits eine Immobilienfinanzierung abgeschlossen haben, finanzieren ihre Immobilie vollkommen solide. Nach dem Ablauf der ersten Zinsfestschreibung haben diese schon viel getilgt, das Zinsänderungsrisiko ist für sie also niedrig. Nur die allerwenigsten Verbraucher finanzieren Spitz auf Knopf – und diese können sehr wohl in Schwierigkeiten geraten, wenn die Zinsen steigen und sie am Ende der Zinsbindung noch eine hohe Restschuld haben.



Wie verhält es sich mit Kunden, die noch eine Immobilie suchen. Beobachten sie da eine 'Jetzt-oder-nie'-Mentalität?
Die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen ist weiterhin hoch. Und Verbraucher müssen unfassbar schnell zusagen, wenn sie sich für ein Objekt interessieren. Es gibt viel Konkurrenz, sodass Käufer kaum Verhandlungsspielraum haben. 'First come, first served' ist oft die Devise. Und klar: Die Zinskosten sind ein wichtiger Faktor. Aber wir merken in unserer täglichen Beratungspraxis nicht, dass auf einmal mehr Käufer noch schnell auf Biegen und Brechen eine Finanzierung durchpeitschen. Zwar klären viele ihre Finanzierung schon vor der Besichtigung, um eher den Zuschlag zu erhalten. Sie kalkulieren aber weiterhin wohlüberlegt.

Die Deutschen finanzieren also lehrbuchmäßig?
Die allermeisten Kunden bringen 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenmittel zusätzlich zu den Kaufnebenkosten in die Finanzierung ein und tilgen viel. Viele Kunden, die viel Eigenkapital einbringen, haben geerbt oder werden von der Familie unterstützt – anders wäre es für viele nicht möglich. Wir registrieren außerdem, dass die gewählten Sollzinsbindungen in den letzten Monaten im Vergleich zum Jahresbeginn 2021 länger werden.

Ihre Kunden reagieren also auf die steigenden Zinsen durchaus?
Absolut. Das gilt nicht nur für Neukunden. Die Zahl der Forwarddarlehen, bei denen sich Kreditnehmer schon Jahre im Vorfeld das aktuelle Zinsniveau sichern können, steigt. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2021 haben wir eine starke Nachfrage gemerkt. Das impliziert, dass viele Kunden von steigenden Zinsen ausgehen.

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