IVD-Mietpreisspiegel Ein kleiner Lichtblick für ausgeblutete Mieter

In deutschen Metropolen kommen die Mieter an die Belastungsgrenze – das dämpft das Mietpreiswachstum. In Berlin hingegen steigt der Mietspiegel weiter in die Höhe. Und beim Neubau hängt Deutschland meilenweit zurück.

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Das Mietpreiswachstum in Berlin hat sich verlangsamt. Quelle: dpa

Düsseldorf Mieten bewegen sich ähnlich wie Wellen. Sie steigen stark an, werden flacher, erreichen ihren Höhepunkt, ebben ab. Dann folgt das Wellental. Das währte bei den Mieten allerdings nur kurz, etwa in den Jahren von 1996 bis 2000. Derzeit sind die Wohnungsmieten in Deutschland in der Phase, in der der Anstieg flacher wird. Das geht aus dem Wohnungsmietpreisspiegel 2017/2018 hervor, den der Maklerverband IVD am Freitag veröffentlichte. Darin heißt es: „Das Mietpreiswachstum in Deutschland verlangsamt sich gegenüber dem Mietpreiswachstum der vergangenen Jahre.“

„Erstmals trifft dies auch auf die sieben Metropolen zu“, stellt IVD-Präsident Jürgen Michael Schick fest. Dazu zählen die Städte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Teilweise sind dort die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit erreicht. Mieten von zehn Euro und mehr im Monat pro Quadratmeter für Neubauten, wie in den meisten dieser Städte, seien nur von etwa zehn Prozent der Haushalte bezahlbar, sagt Schick. Verglichen wurden in der Studie die Mietsteigerungen nach Mieterwechseln in Bestandswohnungen sowie die Erstvermietungen von Neubauwohnungen, jeweils im zweiten und dritten Quartal 2017 mit der gleichen Vorjahresperiode.

Wenn Deutschlands Vermieter an der Preisschraube drehen, dann am liebsten bei Mieterwechseln. Das führt in der Praxis dazu, dass neu in eine Stadt ziehende Menschen und Familien, für die die aktuelle Wohnung zu klein geworden ist, Mieten am oberen Ende der Skala zahlen müssen. Das wiederum bewirkt, dass die Menschen den Wohnungstausch verschieben. Früher wechselten im Schnitt jedes Jahr zwischen sieben und zehn Prozent der Mieter ihr Domizil. Heute liege die Fluktuation bei vier bis sechs Prozent, berichtet Schick.

Wohnungssuchende sollten sich auf jeden Fall nicht zu früh freuen. Auch im nächsten Jahr werden die Mieten steigen. Zwar habe der Neubau von Wohnungen den Markt entlastet, kommentiert Schick, fügt aber sofort hinzu: „Wir haben noch zu wenig Neubau.“ Immerhin hat er die Hoffnung, dass der Mietauftrieb im nächsten Jahr weiter gedämpft wird, wenn neue Wohnungen gebaut werden.

Zurzeit fehlen in Deutschland jährlich 400.000 neue Wohnungen. Dass der Neubau dort mithält, ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Die Zahl der Baugenehmigungen ist in diesem Jahr rückläufig – Schick bereitet das Sorge. In den ersten acht Monaten 2017 wurde der Bau von 230.000 Einheiten bewilligt, im vergangenen Jahr waren es zur gleichen Zeit mehr als 245.000. Ausreichend Wohnungen wurden auch in den vergangenen Jahren nicht gebaut. 2016 wurden lediglich 278.000 Einheiten fertiggestellt.

In diesen Tagen versuchen die Jamaika-Koalitionäre in spe Eckpunkte für ein Wohnungsbauförderprogramm auszuhandeln. Doch Marco Luczak, Immobilienexperte der CDU, bekannte am Mittwoch auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Immobilienwirtschaft 2017“ realistisch: „Wir werden in vier Jahren die Wohnungsnot nicht abschaffen können.“

Die Unterschiede in den Mietsteigerungen sind insgesamt erheblich. Am geringsten waren die Zuwächse in Kleinstädten mit bis zu 30.000 Einwohnen für Wohnungen mit mittlerem Wohnwert – weniger als ein Prozent. Schick hat dafür zwei Erklärungen: Eine ist der Sog der Großstädte. Die andere ist der Neubau von Einfamilienhäusern in diesen meist ländlichen Regionen, wo Bauplätze billiger und somit leichter zu bezahlen sind als in Ballungsgebieten. Beide Phänomene führen zu Nachfrageausfall auf dem Mietwohnungsmarkt der Kleinstädte.


Keine Reaktion in Frankfurt

Ob mittlerer, guter Wohnwert oder Neubau – nur in zwei der sechs Größenklassen der Städte, nämlich denen mit 50.000 bis 100.000 (mittelgroße Städte) sowie 100.000 bis 250.000 (kleine Großstädte) gab es Ausreißer, in denen die Mieten stärker stiegen als im Vorjahr. Mehr als vier Prozent Mietsteigerung gab es – anders als im Vorjahr – nur bei den Neubaumieten in den mittelgroßen Städten.

Die Vermietung von Neubauten fällt nicht unter die Mietpreisbremse, über deren Fortsetzung die mögliche Jamaika-Regierungskoalition zurzeit in ihren Sondierungsgesprächen streitet. Das Gesetz untersagt es Vermietern, bei Wiedervermietung den Preis um mehr als zehn Prozent über die ortsübliche Vergleichsmiete anzuheben. Der IVD setzt sich für die Abschaffung der Mietpreisbremse ein und liegt damit auf einer Welle mit der FDP. Die Grünen sind für eine Verschärfung, die CDU will sie auf jeden Fall auf den Prüfstand stellen. Experten zweifeln daran, dass die im Juni 2015 eingeführte und zuerst in Berlin umgesetzte Maßnahme nennenswert den Mietanstieg gedämpft hat.

Für IVD-Präsident Schick ist die Entwicklung in Berlin besonders bemerkenswert: „Obwohl in Berlin eine strenge Regulierungspolitik auf dem Mietmarkt durchgesetzt wird, steigen die Mieten dort so stark wie in keiner anderen der Top-Sieben-Städte.“ In der Hauptstadt wurden bei Wiedervermietungen in diesem Jahr im Schnitt sechs Prozent mehr Miete verlangt, die durchschnittliche Monatsmiete pro Quadratmeter pendelte sich bei 8,75 Euro ein. Die Mieten in Berlin sind damit allerdings weit entfernt vom Münchener Mietniveau. Dort werden nach einer Erhöhung um 1,5 Prozent nun 13,10 Euro verlangt.

Auffällig ist, dass die von Banken in London angekündigten Verlagerungen von Mitarbeitern nach Frankfurt bisher spurlos am Mietmarkt von „Mainhattan“ vorbeigegangen sind. Inzwischen haben bereits mehrere Großbanken Büros in Frankfurt gemietet. Das Mietpreiswachstum sowohl bei Wiedervermietungen wie auch bei Neubauten beträgt null. Die Durchschnittsmieten betragen zehn beziehungsweise zwölf Euro. „Die Bedeutung des Brexit für Frankfurt wird überschätzt“, meint Schick. Deshalb erwartet er dort auch in diesem Jahr keinen Mietpreisschub.

In der Erhebung des Maklerverbandes ist die Entwicklung der Mieten in bestehenden Mietverhältnissen nicht erfasst. Als Indikator über deren Entwicklung dienen die jüngsten Veröffentlichungen der börsennotierten Großvermieter. Vonovia, mit rund 350.000 Wohnungen mit Abstand der größte, meldete über das gesamte Portfolio hinweg zum 30. September für die zurückliegenden zwölf Monate ein Mietwachstum von 3,9 Prozent. 2,2 Prozentpunkte der Steigerungsrate resultieren allerdings aus Mieterhöhungen aufgrund von Wohnungsmodernisierungen. Vermieter dürfen pro Jahr elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umschlagen.

LEG Immobilien, drittgrößter börsennotierter Vermieter, meldet für den gleichen Zeitraum ein Mietplus von 3,3 Prozent. Ohne die Sozialwohnungen gerechnet, deren Mieten nur begrenzt erhöht werden können, kletterten die Mieten in den LEG-Wohnungen um vier Prozent. Auch die LEG investiert erheblich Summen um ihre Wohnungen modernisieren und höhere Mieten verlangen zu können.

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