Jörg Benecke „Die Geschichte vom wertstabilen Betongold ist ein Märchen“

Immobilienfonds: Das wertstabile Betongold ist ein Mythos Quelle: Privat

Beteiligungsmanager Jörg Benecke über Pleiten und Pannen bei der Abwicklung der in der Finanzkrise dichtgemachten Immobilienfonds.

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WirtschaftsWoche: Herr Benecke, zurzeit werden die letzten Immobilienfonds abgewickelt, die seit der Finanzkrise Anleger nicht mehr auszahlen konnten. Viele Fondsimmobilien wurden verschleudert. Was ist schiefgelaufen?
Jörg Benecke: Immobilien wurden häufig in einem schlechten Zustand und deshalb deutlich unter Verkehrswert verkauft. Die Verkäufer gaben sich keine Mühe, die Gebäude für den Verkauf hübsch zu machen. Es gab immer wieder Fälle, in denen Käufer nach ein oder zwei Jahren die Immobilie mit einem 20- bis 30-Prozent-Preisaufschlag weiterverkaufen konnten. Besonders schlecht verkauft haben der TMW Immobilien Weltfonds, der Axa Immoselect und der SEB ImmoInvest. Die größte Katastrophe aber war das Einkaufscenter Kings Cross Jakumir am Rand der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Der Degi Global Business hatte das 2002 erbaute Center 2006 für 85 Millionen Euro gekauft, mit Geldern von Großanlegern, die in diesen für sie aufgelegten Fonds eingezahlt haben.

Was für Großanleger waren das?
Unter anderem Altersvorsorgeeinrichtungen, es ging also auch um Pensionsvermögen. Die schauten 2017 in die Röhre, weil das für 85 Millionen Euro gekaufte Center für weniger als vier Millionen Euro verkauft wurde – obwohl es noch zu rund 60 Prozent vermietet war. Der Quadratmeterpreis lag nur noch etwa bei einem Zehntel des Preises, der für Randlagen in Europa üblich war. Eine heftige Panne gab es beim SEB ImmoPortfolio Target Return. Der hatte beim Verkauf einer britischen Immobilie schlicht vergessen, dass dabei Steuern anfielen. Als man den Fehler bemerkte, waren über Nacht 15 Prozent des Fondswertes verschwunden.

Was sind Ihre wichtigsten Lehren aus dem, was Sie bei der Abwicklung erlebt haben?
Fonds ist nicht gleich Fonds. Bei der Qualität des Managements und der Auswahl der Immobilien gibt es riesige Unterschiede. Der eine, dazu würde ich etwa den KanAm grundinvest zählen, kann es richtig gut, und der andere, dazu gehört etwa der TMW Immobilien Weltfonds, war anscheinend noch ziemlich am Beginn seiner Lernkurve. Wobei man fairerweise dazu sagen muss: Die Fonds, die erst kurz vor Ausbruch der Finanzkrise neu an den Markt gekommen waren, hatten gar nicht die Chance, wenigstens mal einen Wirtschaftszyklus zu durchlaufen. Die hatten damals in den Jahren vor der Finanzkrise zu teuer eingekauft.

Eine Branche voller Blender?
Es gibt einige richtig gute Profis, aber auch Schaumschläger, die eher darauf fixiert waren, ihre Fondsanteile zu verkaufen, aber das eigentliche Handwerk nicht richtig beherrschten. Man braucht hier niemandem böse Absicht zu unterstellen, aber mit dem Geld anderer Leute geht mancher eben unbefangener um als mit dem eigenen Geld.

Fondsmanager sind zur Sorgfalt verpflichtet.
Wir haben es hier mit Menschen zu tun und mit gewinnorientierten Kapitalanlagegesellschaften. Und mit Vertriebsorganisationen, die Provisionen einnehmen wollen. Nehmen Sie die Bestandsprovision ...

Die Bank, die mein Depot führt, bekommt von der Fondsgesellschaft Geld, solange ich den Fonds behalte. Weil sie mich dazu berät.
Selbst bei abwickelnden Fonds ist diese Provision noch jahrelang geflossen, obwohl Anleger nicht verkaufen konnten und keine Beratung brauchten. Bei unserer Aktiengesellschaft CS Realwerte mussten die Banken nicht die geringste Beratungs- oder Vertriebsleistung erbringen, damit die Fondsanteile im Depot blieben. Trotzdem bekamen sie die Bestandsprovision. Und nur eine von fünf Banken war so ehrlich, mir das offenzulegen.

„An ökonomischen Fragen sind Aufseher kaum interessiert“

Hat die Finanzaufsicht nicht dafür gesorgt, dass Interessen der Anleger gewahrt wurden?
Die BaFin sieht das rein formal. Ist etwas paragrafenkonform gelaufen, dann kommt ein Haken dran, auch wenn es ökonomisch der größte Schwachsinn ist. An ökonomischen Fragen sind Aufseher kaum interessiert. Das sind überwiegend Juristen. Wenn Anleger formal korrekt einen Schaden erleiden, ist das in Ordnung.

Kennen Sie ein Beispiel?
Die BaFin hatte die Immobilien-Dachfonds, die andere Fonds bündeln, dazu verdonnert, binnen drei Jahren mit ihrer Abwicklung fertig zu sein. Diese Dachfonds mussten also alle in der Abwicklung befindlichen Fonds verkaufen. Sie verschleuderten die Anteile der von ihnen gehaltenen Fonds 2017 und 2018 über die Börse – weil die BaFin beim Termin kein Pardon kannte und vor den wirtschaftlichen Folgen die Augen verschloss. Das waren großartige Kaufgelegenheiten, wir haben Fondsanteile zu Discountpreisen an der Börse gekauft. Für die Anleger der Dachfonds dagegen war es echt Mist. Ein, zwei Jahre später hätten sie mindestens 20 Prozent mehr von ihrem Geld zurückbekommen.

Wie wurden Anleger informiert?
In der Abwicklungsphase ist nur ein jährlicher Abwicklungsbericht vorgeschrieben. Der enthält meist dürres statistisches Gewäsch, informativ muss der nicht sein. So können Informationen über Fondsimmobilien völlig veraltet sein. Für Immobilienfonds, die ja durchweg an der Börse gehandelt werden, sollten aber die gleichen Ad-hoc-Meldevorschriften gelten wie für jede kleine Aktiengesellschaft.

Welche Gefahren drohen jetzt noch?
Bei abwickelnden Fonds keine, in denen liegt heute ja fast nur noch Bargeld. Ursache der Krise der offenen Immobilienfonds war ja, dass langfristige Immobilieninvestments mit Geldern finanziert wurden, die Anleger täglich abziehen konnten. Um das zu vermeiden, gibt es seit 2016 Mindesthalte- und Kündigungsfristen. Die Fonds kommen nicht mehr unter Druck, unbegrenzt Rückgabewünsche ihrer Kunden erfüllen zu müssen.

Also können Immobilienfonds wieder als nahezu risikolose Geldanlage verkauft werden?
Die Geschichte vom wertstabilen Betongold ist ein Märchen. Immobilienmärkte sind, über einen Zyklus gesehen, nicht weniger volatil als die Aktienmärkte. Nehmen Sie das Shoppingcenter Diagonal Mar in Barcelona. 2006 war es Investoren aus Irland noch 300 Millionen Euro wert. 2013 kaufte es ein US-Investor für 250 Millionen Euro, und drei Jahre später zahlte der Deutsche-Bank-Immobilienfonds Grundbesitz Europa 493 Millionen Euro. Bei Immobilienfonds werden Preisschwankungen zwischendurch nur etwas geglättet, indem die Sachverständigen in Boomphasen die Verkehrswerte nicht so stark hochschreiben und die Preise im zyklischen Tal nicht so brutal runterschreiben, wie es der Realität entspräche. Das muss ja auch gar nicht verkehrt sein, erweckt halt nur nach draußen den im Prinzip falschen Eindruck, Immobilien unterlägen gar keinen so großen Wertschwankungen. Die Stunde der Wahrheit kommt immer mit dem Verkauf.

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