Keime durch Leerstand „Trinkwasser ist nicht steril“

Bei veralteten Leitungen im Haus können Keime ins Trinkwasser gelangen Quelle: dpa

Hartmut Lang, Sachverständiger für Trinkwasserhygiene, warnt vor Keimen in veralteten Trinkwasseranlagen von Privathäusern. Sie könnten auch Leitungswassersprudler kontaminieren.

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Hartmut Lang ist Diplom-Biologe und Sachverständiger für Trinkwasserhygiene des Sachverständigenbüros Acudes in Lorsch

WirtschaftsWoche: Herr Lang, viele private Haushalte wollen keine Wasserkisten mehr in die Wohnung schleppen und nutzen Wassersprudler, um dem Trinkwasser aus dem Hahn Kohlensäure hinzuzufügen. Gibt es dabei ein Gesundheitsrisiko?
Hartmut Lang: Nicht nur die Geräte selbst sind das Problem, sondern auch der Zustand von Trinkwasser-Installationen in den Privathäusern. Oft sind in diesen Gebäuden noch veraltete Trinkwasserleitungen aus verzinktem Stahl verbaut. Sind die Rohrleitungen altersbedingt durch Korrosion beschädigt oder ist die Schutzschicht in den Rohren nicht mehr vorhanden, so können Stoffe, etwa Eisen, aus dem Leitungsmaterial in das Trinkwasser gelangen und als Nährstoffe das Wachstum von Bakterien begünstigen. Durch Korrosion entsteht zudem eine raue Oberfläche auf der Innenseite der Rohrleitungen, an der sich dann Biofilme und Keime verstärkt anheften können. Über die Leitungswege des Trinkwassers gelangen dann die Bakterien zu den Wasserentnahmestellen eines Gebäudes und folglich auch in die Geräte der Wassersprudler. Einige dieser Keime können gesundheitsgefährdend sein. So zum Beispiel der Trinkwasserkeim Pseudomonas aeruginosa.

Können Sie das näher erklären?
In dem Kaltwasser von Trinkwasseranlagen, an das auch die Sprudler angeschlossen werden, tritt häufig der Keim Pseudomonas aeruginosa auf. Es handelt sich hierbei um ein Bakterium, das beim Menschen schwere Entzündungen, beispielsweise im Mundraum oder in den Augen hervorrufen kann. Gefährdet sind insbesondere Personen mit einem geschwächtem Immunsystem sowie ältere Menschen. Oft reichen schon kleinere Verletzungen, wie etwa nach einer Behandlung beim Zahnarzt, für eine Infektion mit diesem Krankheitserreger aus. Also eine sehr reale Gefahr.

Wann treten diese Keime besonders häufig auf?
Trinkwasser ist nicht steril. Es gelangen immer kleine Mengen an Keimen über das Trinkwassernetz in die Hauswasser-Installation von Gebäuden. In der Regel ist die große Anzahl dieser Keime für den Menschen ungefährlich. Einige davon sind aber krankheitserregend, so zum Beispiel Pseudomonas aeruginosa oder Legionellen. Abgesehen von altersbedingt geschädigten oder verunreinigten Trinkwasserleitungen sowie ungünstigen Temperaturverhältnissen spielt der regelmäßige Wasseraustausch in dem Trinkwassersystem von Gebäuden eine entscheidende Rolle. Befindet sich stehendes Wasser in den Trinkwasserleitungen einer Gebäudeinstallation, so haben die krankheitserregenden Keime Zeit, sich in dem Trinkwasser zu vermehren. Wohngebäude mit Leerständen, in denen sich nicht genutzte Wasserentnahmestellen befinden, sind hierbei besonders gefährdet.

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Wie lässt sich das vermeiden?
Normalerweise sollte in der Trinkwasser-Installation eines Gebäudes mindestens alle 72 Stunden das gesamte Wasser in den Leitungen ausgetauscht werden. Wenn das Wasser in den Trinkwasserleitungen einer leeren Wohnung steht, so finden Keime hier ideale Bedingungen. Auch die Temperaturen im Trinkwasser sind zu beachten. Kaltes Trinkwasser muss kalt bleiben. Idealerweise unter 20 Grad Celsius. Das lässt sich durch eine Dämmung der Trinkwasser-Installation sicherstellen. Um Legionellen im Trinkwasser zu vermeiden, sollte das umlaufende Warmwasser mindestens 55 Grad Celsius warm sein. Auch die Komponenten einer Trinkwasseranlage sollten regelmäßig geprüft und gewartet werden. Filter in Trinkwasser-Installationen sollten regelmäßig gereinigt werden. Das gilt auch für die Sprudler-Geräte in den privaten Haushalten. In den Bedienungsanleitungen der Hersteller ist in der Regel aufgeführt, wie häufig diese Geräte zu reinigen und zu warten sind. Bereits durch Korrosion stark geschädigte Trinkwasserleitungen sollten die Hauseigentümer durch Rohrleitungen mit geeigneterem Materialien ersetzen. So können sich Biofilme in den Leitungssystemen nicht so stark anheften und die für die Keime wachstumsfördernde Zufuhr von Nährstoffen in das Trinkwasser wird reduziert.


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Was raten Sie Verwendern von Wassersprudlern?
Bei fest installierten Wassersprudlern sollten sie sich bei dem Hauseigentümer oder dem Hersteller nach dessen Wartungszyklus erkundigen. Bei mobilen Geräten sollten sie sich an die Vorgaben der Gebrauchsanleitung halten. Sicherheitshalber können die Verbraucher auch das Trinkwasser an der Wasserentnahmestelle, an der das Gerät angeschlossen ist, über ein Labor eine Probe nehmen und analysieren lassen.

Mehr zum Thema: Leitungswasser: Verschwendung ist das neue Vernünftig

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