In Deutschlands Städten hat sich eine gefährliche Mischung zusammengebraut: Studenten, Auszubildende, Berufseinsteiger, Familien, Rentner und Flüchtlinge zieht es seit Jahren in die Ballungsräume. Nur das Wohnangebot wächst dort kaum mit. Die starke Nachfrage treibt das knappe Angebot auf für Durchschnittsverdiener nahezu unerreichbare Preise.
Nach Daten des Empirica-Instituts sind die Mieten von 2010 bis 2015 in Berlin um 32 Prozent, in München um 30 und in Stuttgart um 24 Prozent gestiegen. In Städten wie München, Regensburg oder Heidelberg geben Menschen monatlich 23 bis 28 Prozent des Einkommens fürs Wohnen aus, ohne Nebenkosten, in Freiburg sind es nach Zahlen von Immobilienscout24 gar 30 Prozent.
Es müssten mehr Wohnungen gebaut werden, mindestens 400.000 jährlich, meinen auch Fachleute im Bundesbauministerium. Das wären deutlich mehr als die 260.000 Wohnungen, die 2015 fertig wurden.
Die Politik hat dem sinkenden Angebot am Mietmarkt bei wachsendem Frust vieler Städter bisher wenig entgegengesetzt: Mal wurde eine Mietpreisbremse eingeführt, die nichts brachte; mal Steuerbegünstigungen für Bauinvestoren angekündigt, die nicht kamen; und ein weiteres Mal der Bau von mehr Sozialwohnungen angekündigt, die aber nicht den allerbesten Ruf haben.
Nun, ein Jahr vor der Bundestagswahl, nimmt Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) erneut einen Anlauf, damit mehr erschwingliche Unterkünfte entstehen. „Es gibt zu viele Normen und Vorschriften, die das Bauen teils unnötig verteuern“, sagt Hendricks der WirtschaftsWoche. Warum etwa brauche jede neue Behausung einen Stellplatz, obwohl viele Menschen keine Autos mehr besitzen wollten? „Einige technische Normen mögen bestimmten Interessengruppen dienen, aber nicht dem Gemeinwohl.“ Deshalb verlangt sie: „Neue Normen sollten grundsätzlich einem Kosten-Check unterzogen werden. Ich will darum gemeinsam mit den Ländern eine effektive Kostenkontrolle einführen, die neue Normen auf ihren Kostenfolgen untersucht.“
Mehr Baugrund ausweisen
Von solchen Forderungen hält der Wirtschaftspolitiker und Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) wenig. „Gebaut wird nur, wenn ich mit den Mieten die Baukosten decken kann. Wir haben eine große Nachfrage nach kleinen Wohnungen mit niedrigen Mieten.“ Allerdings seien die Kosten für Bauherren durch hohe Energiestandards und Bürokratie schon so hoch, dass sich das nicht lohne. „Wer unter 9 Euro den Quadratmeter vermieten will, muss unter 2000 Euro den Quadratmeter bauen!“, rechnet Fuchs vor. „Dies ist quasi unmöglich geworden.“
Der Wirtschaftsexperte Fuchs fordert, auch bereits bestehende Bürokratie abzubauen, mehr Baugrund auszuweisen und Anforderungen etwa an die Wärmedämmung zu senken.
Das Vermieten werde auch wieder attraktiver, wenn Eigentümer besser vor sogenannten Mietnomaden geschützt würden – Menschen, die die Miete nicht zahlen und oft verwüstete Wohnungen zurücklassen.
Der Bau- und Wohnexperte der Grünen im Bundestag, Christian Kühn, erkennt in der schlechten Personallage der Bauämter ein Problem, das neue Wohnungen behindere. Kühn verlangt auch: „Wir brauchen mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau.“ Zudem wollen die Grünen die Wohnungsgemeinnützigkeit - der Status soll Akteure fördern, die Neubauwohnungen für Menschen anbieten, die sonst kaum Chancen am Wohnungsmarkt haben.
Die WirtschaftsWoche berichtet in ihrer neuesten Ausgabe, wie Menschen auf der Suche nach Wohnraum der zähen und oft ergebnislosen Kompromisssuche in Bund und Ländern schon etwas vorweggenommen haben und wie preiswertes Bauen funktionieren kann. Zehn Punkte gegen die Wohnungsnot.