Kredite Baufinanzierung: Mach's wie Wulff?

Unabhängig davon, wann Christian Wulff welche Schritte unternommen und veröffentlicht hat: So außergewöhnlich günstig wie vielfach behauptet, ist die Baufinanzierung des Bundespräsidenten bei der BW Bank nicht. Wie aber funktionieren variable Kredite?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
BW-Bank Quelle: dpa

Wer sich heute mit einem vor ein paar Jahren abgeschlossen alten Hypothekenkredit zu vier bis fünf Prozent herumplagt, dem mögen die ein bis zwei Prozent, die Bundespräsident Christian Wulff für seinen Überbrückungskredit bei der BW Bank bezahlen musste, als himmelschreiende Ungleichbehandlung und maßlose Bevorzugung eines Politikers vorkommen.
Bei näherem Hinsehen muss das aber durchaus nicht so sein. Der feine Unterschied zu einer Standard-Baufinanzierung: Wulff schloss zu einem variablen, also frei schwankenden Zinssatz ab. Solche Finanzierungen sind recht speziell, der Kunde bekommt sie meist nur auf Nachfrage, und längst nicht bei jeder Bank. Die BW-Bank bietet hier für Privatkunden traditionell recht attraktive Konditionen. Auch ganz normale Privatkunden bekamen in den vergangenen Jahren variable Baufinanzierungen, die einige Zehntelprozentpunkte über dem Zins liegen, zu dem sich Banken Geld leihen können.
Für die meisten Hausbesitzer sind solche Finanzierungen zu riskant. Sie wollen verlässliche Zinsen und monatliche Raten, mit denen sie kalkulieren können. Bankberater wie Verbraucherschützer raten meist davon ab. Wer aber nur überbrücken will , oder in den nächsten Jahren eine große Summe erwartet, mit der er seine Kredite auf einen Schlag zurückzahlen kann, für den können sich variable Zinsen durchaus lohnen. Denn anders als herkömmliche Festzinskredite können variabel verzinste Darlehen jederzeit getilgt werden.


Billigkredite am Interbankenzins orientiert
Variable Kredite sind, so wohl auch bei Wulff, an den Zinssatz Euribor (Euro InterBank Offered Rate) gekoppelt. Der Euribor ist der Zinssatz, zu dem Banken sich für eine bestimmte Frist (zum Beispiel drei oder sechs Monate) gegenseitig Geld leihen. Er schwankt täglich, ist aber aktuell sehr niedrig, zu sehen ist dies etwa hier bei der Bundesbank: http://www.bundesbank.de/download/statistik/stat_geldmarkts.pdf
Der Interbankenpreis für Dreimonatsgeld etwa lag im November bei 1,2 Prozent, aktuell steht er bei 1,33 Prozent. Wer sich auf Basis des Interbankensatzes bei einer Bank Geld leiht und unbelastete Sicherheiten vorweisen kann (wie Wulff offenbar mit den von ihm genannten zwei schuldenfreien Immobilien), kann durchaus einen Kredit zum Zins „Euribor plus 0,5 Prozentpunkte“ bekommen, hätte dann also im November zu nur 1,7 Prozent abschließen können. Für die Bank ist auch dieser Niedrigzins lukrativ, sie leiht zu 1,2 und kassiert 1,7 Prozent. Das Risiko für den Kunden: Nach drei oder sechs Monaten droht die Gefahr, dass er dann einen deutlich höheren Zins zahlen muss. Das ist das Zinsrisiko, das auch Wulff getragen hat.

"Cap-Prämien" erleichtern die Finanzierung

Eigenheim Christian Wulff Quelle: dpa

Zu Beginn der Finanzkrise 2007/2008 schnellte der Euribor binnen Wochen schlagartig in die Höhe. Dann begann die europäische Zentralbank, die Banken mit Milliarden zu versorgen – was sie bis heute tut. Seither ist der Interbankenmarkt, auf dem zum Euribor-Zins gehandelt wird, gespalten. Zum einen gibt es Banken, denen niemand mehr Geld geben würde (außer der EZB, die das tun muss). Auch wenn der Euribor bei acht Prozent stünde, würde ihnen keine andere Bank etwas geben, weil sie fürchten müssten, ihr Geld in drei oder sechs Monaten nicht mehr zurück zu bekommen. Unsichere Kandidaten handeln überhaupt nicht mehr am Interbankenmarkt, bestimmen also auch nicht den Euribor.
Zum anderen aber gibt es solide Banken und Sparkassen, die sowohl von der EZB mit Geld zugeschüttet werden, als auch von anderen Banken, die ihr bei der EZB fast gratis aufgenommenes Geld nur zu gerne an solide Partner weiterverleihen. Diese Transaktionen zwischen soliden Banken, die eigentlich kaum Geld brauchen, fließen in den Euribor ein – und weil die Soliden nicht so viel nachfragen, ist der Interbankenzins Euribor so niedrig.

Was ist, wenn die Zinsen steigen?
Wenn Geld von Seiten der EZB verknappt wird, die Finanzkrise noch mehr Banken erfasst oder wenn noch viel mehr Kredite nachgefragt werden, können die verschiedenen Euribor-Sätze auch schlagartig anziehen – eine Gefahr für alle, die ihre Immobilie variabel finanziert haben. Aus „Euribor 1,2 plus 0,5 Prozent“ können ganz schnell auch mal „5 plus 0,5 Prozent“ werden.
Mit viel Geschick und einer guten Bank können sich Hausbauer aber auch davor schützen: Einige Banken, unter ihnen auch die BW Bank, bieten oder boten zeitweise auch „Variable Darlehen mit Cap“ an. Der Cap ist eine Art Deckel, eine Obergrenze für den Zins, zum Beispiel 5 Prozent.
Der Kunde zahlt bei einem gekappten Zins über fünf Jahre den Sechsmonats-Euribor plus 0,5 Prozent. Jedes halbe Jahr wird neu festgelegt, was er in den kommenden Monaten zu zahlen hat. Steigt seine Belastung über fünf Prozent Zins (weil der Euribor über 4,5 gesprungen ist), zahlt er trotzdem nur fünf Prozent Zinsen. Für diesen Service hat er bereits bei Aufnahme des Kredits eine „Cap-Prämie“ von mehreren Tausend Euro bezahlt, die den Baukredit natürlich insgesamt verteuert.
Solche komplizierteren Finanzierungsmodelle gibt es nicht im Internet, aber durchaus nicht nur für Prominente. Fragen Sie Ihren Berater ruhig mal danach!
Bundespräsident Wulff hat sich, wen wundert`s, langfristig nicht für eine derart komplizierte Finanzierung entschieden. Er hat jetzt einen Kredit mit einer Laufzeit von 15 Jahren vereinbart. Der Sollzinssatz liegt bei fixen 3,6 Prozent, das Darlehen soll in den 15 Jahren komplett getilgt werden. 3,6 Prozent sind günstig, in Anbetracht der hohen Kreditwürdigkeit des Schuldners aber nun wirklich nicht sensationell billig.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%