Langfristigen Auswirkungen Poker um Büro-Immobilien nach Corona

Büro-Immobilien in Deutschland seien für Investoren weiter attraktive Ziele, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp). Quelle: dpa

Einige Experten sagen voraus, dass es auch nach der Coronapandemie keine Rückkehr zum „0815-Nine-to-Five-Büro“ geben wird. Löst der Homeoffice-Trend wirklich Flächenreduzierung aus?

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Leere Flure, verwaiste Schreibtische – so klar das Bild in vielen Büros seit mehr als einem Jahr ist, so unklar sind derzeit noch die langfristigen Auswirkungen von Pandemie und Homeoffice auf den jahrelang boomenden Markt für Büro-Immobilien. Mit der Hoffnung auf Impferfolge und ein Ende von Kontaktbeschränkungen drängt sich die Frage auf, ob Arbeitnehmer irgendwann in Scharen in ihre Büros zurückkehren und entsprechende Immobilien damit weiter gefragt sein werden. Oder ob Unternehmen Homeoffice als Sparpotenzial sehen, Fläche reduzieren und Bürotürme mit Hochglanz-Lobby und Schreibtisch für jeden zum Auslaufmodell werden lassen.

Eine Rückkehr zum „0815-Nine-to-Five-Büro“ werde es nicht geben – jedenfalls nicht für jeden, sagt Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft. Genauso wenig werde es aber dauerhaft bei Homeoffice-Arrangements wie in der Pandemie bleiben. Der Wissenschaftler der Uni Regensburg geht wie andere Experten auch davon aus, dass Unternehmen nach Corona auf eine Mischung von Büro-Präsenz und Arbeiten von anderen Orten wie dem Homeoffice einschwenken könnten.

Ob diese neue Flexibilität aber zu einer Reduzierung von Büroflächen und sinkenden Mieten führt, wie Just prognostiziert, ist jedoch alles andere als Konsens. „Man findet für fast jede Theorie Fürsprecher und auch Investitionskapital.“

Bürotürme und Kaufhäuser vor allem von Karstadt und Kaufhof stehen in vielen Städten leer. Exklusive Satellitenbilder zeigen beispielhaft, wie solche Gebäude zu Wohnimmobilien umgebaut wurden.
von Martin Gerth

Büro-Immobilien in Deutschland seien für Investoren weiter attraktive Ziele, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Jens Tolckmitt. Allerdings entwickle sich die Investorennachfrage derzeit nach unten, was eine Reaktion auf die am Markt herrschende, pandemiebedingte Unsicherheit sei. „Wir erkennen im Moment aber keine Indizien dafür, dass Preise für Büro-Immobilien spürbar sinken könnten.“ Vielmehr sei mit einer längeren Seitwärtsentwicklung und später mit der Rückkehr auf einen moderaten Wachstumspfad zu rechnen. 2020 verlangsamte sich der Preisauftrieb kontinuierlich von 8,4 Prozent im ersten hin zu 1,7 Prozent im vierten Quartal. Für das Gesamtjahr hat der vdp, dessen über 40 Mitglieder hinter 55 Prozent aller Gewerbe-Immobilienkredite in Deutschland stehen, immer noch einen Preisanstieg von 5,2 Prozent errechnet.

Am Vermietungsmarkt hinterließen die konjunkturellen Auswirkungen der Krise zu Jahresbeginn Spuren, wie die Immobilienberatung Colliers konstatiert. Es sei aber nicht zu dramatischen Nachfrageeinbrüchen gekommen, und Leerstandsraten blieben insgesamt niedrig. In Deutschlands Top-Märkten Berlin, Frankfurt, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Düsseldorf stiegen sie im ersten Quartal laut Colliers wie erwartet leicht an: auf 3,8 Prozent nach 2,9 Prozent ein Jahr zuvor.

„Die Coronapandemie wird einen negativen Einfluss auf die Büro-Nachfrage haben“, sagt Jefferies-Analyst Thomas Rothäusler voraus. Es gebe aber eine hohe Unsicherheit darüber, wie viel Platz Arbeitgeber wirklich einsparen können. Zwar wollten Umfragen zufolge viele Angestellte nach der Pandemie etwa zwei Tage zu Hause arbeiten. Weniger klar sei aber, ob sie auch akzeptierten, im Büro keinen Schreibtisch mehr für sich allein zu haben - Voraussetzung für die Aufgabe von Fläche. Und bei Arbeitgebern herrscht ohnehin Zurückhaltung: Dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge planten im vierten Quartal lediglich 6,4 Prozent von knapp 1300 befragten Firmen eine Reduzierung ihrer Büroflächen.

Bereits umgesetzt hat dies die DWS. Der Vermögensverwalter der Deutschen Bank nutzte die Gelegenheit, dass Ende März sein Mietvertrag in der Frankfurter „Welle“ auslief, während ein Großteil der in dem Gebäudekomplex angesiedelten Belegschaft ohnehin zu Hause blieb - und zog aus. Auch künftig könnten die DWS-Mitarbeiter nun teils von zu Hause aus, teils auf dem Campus der Deutschen Bank arbeiten und sich dort auch Schreibtische teilen, sagt ein DWS-Sprecher. Ziel sei gewesen, Mitarbeiter zusammenzuziehen, die durch Flächenaufgabe eingesparten Kosten seien ein positiver Nebeneffekt.

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Matthias Naumann, Leiter der Investmentstrategie für Immobilienfonds bei der DWS, geht davon aus, dass sich die Konsequenzen aus einem verstärkten Homeoffice-Anteil für den Büro-Immobilienmarkt erst in drei bis vier Jahren zeigen werden. „Viele, vor allem kleinere Unternehmen wissen noch gar nicht, wohin die Reise geht“, sagt er. Sie seien derzeit quasi auf Autopilot und machten erst einmal so weiter wie bisher. Einen regelrechten Crash des Marktes für Büro-Immobilien erwartet Naumann zwar nicht. Im eigenen Investmentportfolio, vor allem bei breit diversifizierten Fonds, wolle die DWS aber die strategische Zielgröße für Investitionen in Büro-Immobilien von bislang 50 auf 40 Prozent verringern. Dies sei immer noch der größte Posten, aber die Reduktion schon beträchtlich.

Mehr zum Thema: Während Wohnimmobilien weiter zulegen, bahnen sich bei Objekten mit Büros, Einzelhandel und Hotels große Probleme an. Immobilienfinanzierer zeichnen ein düsteres Szenario, wie eine aktuelle Befragung zeigt.

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