LEG-Chef Lars von Lackum „Die 400.000 neuen Wohnungen kann man sich abschminken“

Drohen Mieterhöhungen wegen der Inflation? Quelle: imago images

Ziehen die Mieten wegen der Inflation bald an? Lars von Lackum, Chef des Wohnungsunternehmens LEG, spricht über die anhaltende Teuerung, die Regulierungspläne der Politik – und ein mögliches Ende des Immobilienbooms.

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Die Diskussion um Mieterhöhungen im Zuge der steigenden Inflation beunruhigt derzeit viele Mieter. Der Vorstandsvorsitzende der LEG Immobilien Lars von Lackum bemüht sich im Interview mit der WirtschaftsWoche um beruhigende Worte. Aber: Mittelfristig würde die Teuerung auch bei den Mietern ankommen, so der Chef des MDax-Konzerns. Die Gehälter würden der Inflation folgen – und damit würde auch die Zahlungsbereitschaft für höhere Mieten steigen.

WirtschaftsWoche: Herr von Lackum, jüngst entfachte der Vonovia-Chef Rolf Buch eine Diskussion über mögliche Mieterhöhungen wegen der Inflation. Auf wie viel Mehrbelastung müssen sich Ihre Mieter nun einstellen?
Lars von Lackum: Jetzt muss ich mich erst mal vor meinen Mitwettbewerber stellen: Das, was die Medien aus der Aussage von Vonovias Vorstandschef Buch gemacht haben, ist sicher nicht das, was er zum Ausdruck bringen wollte. Was auf der Hand liegt ist, dass sich steigende Preise mittelfristig in steigenden Löhnen widerspiegeln. Das führt in der Regel zu einer veränderten Zahlungsbereitschaft – auch für Mieten. Historisch betrachtet entwickeln sich deshalb die Mieten ziemlich genau mit dem Verbraucherpreisindex.

Wie sehr orientiert sich die LEG bei den Mietpreisen an der Inflation?
Genau gar nicht. Von unseren 166.000 Wohnungen sind 33.000 sozial gefördert. Bei den sozial geförderten Beständen wird die Miete alle drei Jahre angepasst, wobei die Inflation nur ein Kriterium ist. Mit 3000 Indexmietverträgen gibt es nur für einen Bruchteil an frei finanzierten Wohnungen Mieten, die gemäß der Teuerungsrate steigen. Alle anderen Wohnungsmieten sind an den Mietspiegel gekoppelt. Die Inflation ist für uns keine Größe, an der wir uns orientieren. Zudem ist die Immobilienbranche ja nicht gerade unreguliert. Wir haben die Mietpreisbremse für die Neuvermietung, wir haben die Kappungsgrenze für die Bestandsmieter. Die Mieter können sich darauf verlassen, dass sich die großen Wohnungsunternehmen daran auch halten. Kein Mieter muss sich sorgen, dass wir morgen die Miete an die stark gestiegene Inflationsrate anpassen.

Lars von Lackum, Vorstandsvorsitzender der LEG Immobilien, kritisiert die Mietregulierung in Deutschland. Quelle: LEG

Sie sagen, die Mieten steigen, wenn sich die Gehälter inflationsbedingt erhöhen. Die Teuerung kommt also doch bei den Mietern an, aber zeitversetzt. Wann wird die Inflation denn letztlich bei den Mietern durchschlagen?
Das dauert noch. Die Mietspiegel werden nur alle zwei Jahre erstellt und beziehen zudem die Preisentwicklung der zurückliegenden sechs Jahre mit ein. Damit wird es wahrscheinlich mindestens zwei, drei Jahre dauern, bis Mieter die Inflation zu spüren bekommen.

Die Inflation belastet insbesondere Mieter mit niedrigem Einkommen. Die LEG vermietet vor allem Wohnungen in NRW, viele auch im sozioökonomisch schwachen Ruhrgebiet. Bergen Mieterhöhungen in der jetzigen Situation nicht sozialen Sprengstoff?
Total, deshalb versuchen wir, die Mieter nicht finanziell zu überfordern. Wir erhöhen die Miete nach Modernisierungen zum Beispiel nicht um die vollen zwei oder drei Euro, die wir eigentlich verlangen könnten, sondern im Durchschnitt um einen Euro je Quadratmeter. Unsere Mieter vertragen schlicht keine höhere Belastung. Ihnen ist vor allem ein gutes Preis-Leistungsverhältnis wichtig. Danach kommt lange, lange gar nichts.

Die hohe Inflation erhöht auch die Kosten der privaten Vermietung. Die Mieten können Eigentümer jedoch kaum erhöhen, weil die Politik immer stärker eingreift. Zwei Ausweichstrategien bleiben ihnen – noch.
von Martin Gerth, Philipp Frohn, Niklas Hoyer, Saskia Littmann

Wie hart trifft die Inflation die LEG selbst?
Wir merken die Inflation sehr krass. In diesem Jahr werden wir etwa 500 Millionen Euro in unseren Wohnungsbestand investieren. Das entspricht etwa 46 bis 48 Euro pro Quadratmeter oder 7,5 Monatsmieten – nur für Instandhaltung und Modernisierung. Die Handwerker wollen natürlich bezahlt werden, und zwar jetzt und nicht erst in Monaten oder Jahren. Da nimmt leider niemand Rücksicht drauf, dass auch wir mit enormen inflationären Entwicklungen kämpfen. Die Baukosten sind zuletzt um 14 Prozent gestiegen.

Welche Konsequenzen hat das für Neubauprojekte?
Wir werden weniger bauen können. Im Projektentwicklungsgeschäft haben wir auch aufgrund fehlender Baumaterialien und Fachkräfte sowie steigender energetischer Anforderungen und geringerer staatlicher Förderung bereits drastisch reduziert. Eigentlich hatten wir uns vorgenommen, 1000 neue Einheiten ab 2026 zu bauen. Angesichts der Kostenentwicklung und der steigenden Zinsen trauen wir uns das nicht mehr zu. Im nächsten Jahr schaffen wir 500 Einheiten, mehr aber nicht. Wie viel wir danach bauen? Kann ich derzeit nicht sagen, da müssen wir die weiteren Entwicklungen abwarten.

Die neue Bundesregierung hat die Neubauoffensive ausgerufen. 400.000 Wohnungen sollen pro Jahr gebaut werden. Ist das überhaupt noch realistisch?
Die 400.000 neuen Wohnungen kann man sich abschminken. Die Immobilienbranche plant mit mehreren Jahren Vorlauf. Den Einbruch bei den Neubauzahlen werden wir also erst in den nächsten Jahren sehen. Dabei brauchen wir bezahlbaren Neubau. Wir haben mit 2,4 Prozent die niedrigste Leerstandsquote unserer 50-jährigen Unternehmensgeschichte. De facto steht die Wohnung nur leer, wenn der alte Mieter aus- und der neue einzieht. Es gibt schlicht und ergreifend zu wenig bezahlbaren Wohnraum.

Trotzdem diskutiert die Politik gerade die nächste Regulierungswelle, auch wegen der Inflationsdebatte. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) beispielsweise will durchsetzen, dass Mieter nicht mehr als 30 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens fürs Wohnen ausgeben. Wie bewerten Sie den Vorstoß?
Ich halte das für nicht umsetzbar. Würde mir mein Mieter dann jeden Monat mitteilen, wie viel er verdient hat und mit mir dann die Abrechnung durchgehen? Das Einkommensrisiko, das jeder einzelne Mieter hat, würde abgewälzt auf die Vermieter. Das gibt es sonst nirgendwo. An der Supermarktkasse verlangt doch auch niemand, nur fünf Prozent seines Einkommens für Obst und Gemüse zu zahlen. Absolute Grenzen, wie Giffey sie nun fordert, widersprechen meinem Verständnis von Selbstbestimmung.

von Georg Buschmann, Philipp Frohn, Jan-Lukas Schmitt

Wenn es nach Giffey geht, dann soll die 30-Prozent-Regel kein Gesetz werden, sondern nur eine Selbstverpflichtung für Vermieter. Was würde die LEG machen?
Ich bin froh, dass wir keine einzige Wohnung in Berlin haben. Aber: Nein, die LEG würde da nicht mitmachen. Ich kann nur dringend vor zu viel Regulierung warnen. Wenn wir wollen, dass die Unternehmen in den Neubau und die Modernisierung von Gebäuden investieren, dann brauchen wir eine Möglichkeit, damit auch Geld zu verdienen. Sonst wird das niemand tun. Zu viel Regulierung belastet am Ende den Neubau und die Erreichung der Klimaziele.

Die Zinsen sind seit Jahresbeginn drastisch gestiegen, Finanzierungen werden nun zunehmend teurer. Immer mehr Experten prognostizieren das Ende des Immobilienbooms. Stimmen Sie dem zu?
Das Ende des Immobilienbooms wird es für den bezahlbaren Wohnungsmietmarkt nicht geben. Wegen des entsetzlichen Krieges in der Ukraine sind bislang 600.000 Menschen nach Deutschland geflohen. Und Deutschland braucht zudem massive Zuwanderung, um den Fachkräftemangel zu lösen. Also brauchen wir dringend neue Wohnungen, die aber aufgrund der besprochenen Herausforderungen derzeit nicht gebaut werden. Der Nachfrageüberhang nach bezahlbarem Wohnen wird sich also dramatisch erhöhen.

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