Mieten all inclusive Flatrates für Strom und Wärme im Kommen?

Nebenkosten im Mietvertrag inbegriffen: Manche Vermieter von Mehrfamilienhäusern bieten Pauschalmieten mit Flatrates an. Ist das ein Trend?

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Bisher bieten nur sehr wenige Vermieter Nebenkostenflatrates an. Quelle: dpa

Die Waschmaschine läuft, die Wohnung ist geheizt, warmes Wasser kommt aus der Dusche, das Essen steht auf dem Herd - und in der monatlichen Mietzahlung sind diese Kosten alle schon mit drin. Dieses Modell schwebt der Cottbuser Wohnungsgenossenschaft eG Wohnen 1902 in Brandenburg vor. Zwei Mehrfamilienhäuser entstehen gerade - auf die Dächer sollen Solaranlagen für Wärme und Strom kommen. Pauschalmieten bieten auch andernorts Vermieter an. Noch sind das aber Ausnahmen in Deutschland.

Mit den künftigen Mietern in Cottbus soll für mehrere Jahre eine feste Miete vereinbart werden, die eine Flatrate für Wärme und Strom beinhaltet. 60 bis 70 Prozent des Verbrauchs soll die solare Eigenproduktion decken, wie der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft, Uwe Emmerling, erläutert. Für den Rest will die Genossenschaft selbst mit der Energiewirtschaft Verträge schließen. Die Mieter zahlen dann nur die Pauschalmiete und unterschreiben keinen eigenen Liefervertrag für Wärme und Strom.

Das Cottbuser Konzept stammt aus der Feder eines Solartechnikunternehmens im sächsischen Freiberg. Es gebe bereits weitere Anfragen für solche Flatrate-Konzepte, vor allem von Wohnungsgenossenschaften, sagt Inhaber Timo Leukefeld.

In Deutschland sind Mietverträge mit Flatrates bislang die „absolute Ausnahme“, wie der Deutsche Mieterbund mitteilt. Das liege auch an den bestehenden Regelungen der Heizkostenverordnung, die eine verbrauchsabhängige Abrechnung vorschreibe. Es gebe aber Ausnahmen für Häuser, die durch Bauweise und Dämmung sehr wenig Wärme verbrauchen. Unter den Mietshäusern sind das zwar nicht viele, der Mieterbund geht aber davon aus, dass es in Zukunft mehr werden. Flatrates für Wärme seien bislang etwa aus Studentenwohnheimen bekannt. Der Mieterbund bezeichnet Flatrate-Modelle dann als sinnvoll, wenn es sich für Mieter finanziell rechnet.

Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hält speziell die in Cottbus angedachte Kopplung von Mietverträgen mit einer Stromflatrate für eine Ausnahme auf dem Markt. Prinzipiell müsse in Deutschland jeder Stromkunde einen eigenen Stromliefervertrag und einen eigenen Zähler haben und könne sich seinen Lieferanten selbst auswählen. Gerade bei Bestandsgebäuden seien solche neuen Mietmodelle deshalb kaum zu realisieren.

Immobilien: Welche Nebenkosten Mieter zahlen müssen

Einige Wohnungsbauunternehmen halten Flatrate-Modelle oder Pauschalmieten trotzdem für eine interessante Option, wie die Energie-Referentin Ingrid Vogler vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen erläutert. „Es gibt erste Fälle, ein großer Trend ist es aber nicht.“ Die Eigenproduktion von Wärme oder Strom hänge auch stark vom Standort ab. Ein Mehrfamilienhaus, das sich zu 100 Prozent selbst versorge, gebe es bislang nicht, sagt Vogler. Die Baukosten wären zu hoch - deshalb setze man auf einen Mix mit gelieferter Energie.

Mieter profitieren von der Planungssicherheit

In Schleswig-Holstein wendet die Gewoba Nord Baugenossenschaft ein Flatrate-Mietmodell bereits an. Anders als bei den Cottbuser Plänen ist Strom aber nicht inbegriffen, sondern die Netto-Kalt-Miete und alle Betriebskosten inklusive Heizung. In der Gemeinde Harrislee, in Husum und in Schleswig wurden drei Wohnquartiere mit solarthermischen Anlagen für Wärme errichtet.

Die Produktion deckt etwa zu 75 Prozent den Verbrauch, so dass die Genossenschaft am Energiemarkt zusätzlich Wärme bezieht, wie Vorstandsmitglied Dietmar Jonscher erläutert. Die Kosten sind in der Miete inbegriffen. Dadurch, dass keine Zähler in den Wohnungen eingebaut sind und es keine Abrechnungen gibt, seien die Kosten für Warmwasser und Heizung niedriger als üblich. Das sei vor allem dann attraktiv, wenn die Heizkosten auf dem Energiemarkt steigen sollten.

Iris Behr vom Institut Wohnen und Umwelt GmbH - einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung des Landes Hessen und Darmstadt - geht davon aus, dass das Interesse der Wohnungswirtschaft am energieautarken Wohnen steigen wird. „Viele Unternehmen entdecken gerade das Thema Strom für sich“, sagt die Prokuristin. Zudem wollten viele Bauherren so bauen, dass möglichst wenig Wärme verbraucht werden muss.

So viel kostet das Heizen mit Öl, Gas, Holz und Strom
Heizkostenvergleich – was ist normal?Ein Heizkostenvergleich mit Durchschnittswerten ist nur ein grober Anhaltspunkt, weil sich Gebäude, Heizverhalten und Verbrauch in jedem Einzelfall unterscheiden - und nicht zuletzt auch die Witterung. Die Angaben zu den Heizkosten beziehen sich deshalb auf einen Musterfall, nämlich ein freistehendes Einfamilienhaus mit 200 Quadratmetern Wohnfläche. Dabei wurden vier Gebäudestandards verglichen, angefangen bei den Baustandards vor 1977 bis hin zum modernen Passivhaus. Der Energieverbrauch wurde mit Durchschnittswerten pro qm Wohnfläche angesetzt. Quelle: energieheld.de; Stand: Mitte 2016 Quelle: Fotolia
GasheizungDurchschnittlich liegt der Energieverbrauch bei einer Gasheizung bei 160 kWh pro qm pro Jahr, das entspricht rund 16 Kubikmetern Erdgas oder 10,43 Euro im Jahr für jeden Quadratmeter. Aber zwischen den Gebäudetypen gibt es riesige Unterschiede: Altbauten benötigen 200 kWh pro qm und mehr, ein Passivhaus nur 15 kWh pro qm. In der Jahresrechnung macht einen Unterschied von 2500 Euro. Der Warmwasserbedarf wurde dabei nicht berücksichtigt. Durchschnittlicher Energieverbrauch eines Einfamilienhauses mit Gas-Heizung:GebäudeartRechnung(kWh/m²*a) * m² * (€/kWh)Heizkostenpro JahrBaujahr bis 1977 200 x 200 x 0,0694 €2.776 €/aBaujahr bis 2002 100 x 200 x 0,0694 €1.388 €/aKfW-Effizienzhaus 7060 x 200 x 0,0694 € 833 €/aPassiv-Haus 15 x 200 x 0,0694 €208 €/aBildquelle: Vaillant Group Quelle: Vaillant
ÖlheizungWer mit Öl heizt, muss schon tiefer in die Tasche greifen, denn im Bundesdurchschnitt muss er 11,83 Euro pro Quadratmeter im Jahr zahlen. Öl ist immer noch deutlich teurer als Gas und unterliegt zudem stärkeren Schwankungen. So kommt es, dass der Passivhausbesitzer im Jahr – wieder ohne Warmwasserverbrauch – im Jahr 261 Euro zahlt, der Eigentümer von 200 Quadratmetern Altbau schon 3480 Euro im Jahr berappen muss. Jährliche Heizkosten eines Einfamilienhauses mit Ölheizung:GebäudeartRechnung(kWh/m²a) * m² * €/kWh) Heizkosten pro Jahr(€/a) Heizkosten pro m² & Jahr(€/m²a)Baujahr bis 1977200 x 200 x 0,0873.480 €/a17,40 €/m²aBaujahr bis 2002100 x 200 x 0,0871.740 €/a8,70 €/m²aKfW-Effizienzhaus 70 60 x 200 x 0,0871.044 €/a 5,22 €/m²aPassiv-Haus15 x 200 x 0,087261 €/a1,31 €/m²a Quelle: Fotolia
PelletheizungPellets aus gepressten Holzspänen sind der günstigste Energieträger für heutige Einfamilienhäuser – zumindest im Bundesdurchschnitt. Pro Quadratmeter Wohnfläche fallen im Jahr 9,22 Euro an. Selbst wer ein mehr als vierzig Jahre altes Haus besitzt, kommt im Durchschnitt noch mit 2300 Euro Heizkosten im Jahr aus. Nachhaltig ist diese Form des Heizens auch: Der nachwachsende Brennstoff Holz ist in der Gesamtbilanz klimaneutral, da nur so viel CO2 entsteht, wie vom Baum während seines Wachstums zuvor gebunden wurde. Jährliche Heizkosten eines Einfamilienhauses mit Pelletheizung:Gebäudeart Rechnung(kWh/m²a) * m² * €/kWh) Heizkosten pro Jahr(€/a) Heizkosten pro m² & Jahr(€/m²a)Baujahr bis 1977200 x 200 x 0,0576 €2.304 €/a11,52 €/m²aBaujahr bis 2002100 x 200 x 0,0576 €1.152 €/a5,76 €/m²aKfW-Effizienzhaus 7060 x 200 x 0,0576 €691 €/a3,46 €/m²aPassiv-Haus15 x 200 x 0,0576 €173 €/a0,86 €/m²aBildquelle: Vaillant Group Quelle: Vaillant
Scheitholz-HeizungAlternativ zur Pelletheizung lässt sich auch mit Scheitholz ein Haus beheizen, etwa einem speziellen Brennofen oder mit einem wasserführenden Kamin, von dem aus das mit Feuer erhitzte Wasser durch die Heizkörper im Haus gepumpt wird. Pro kWh benötigt man dafür durchschnittlich 4,2 Kilogramm Scheitholz, die Kosten liegen bei 1,13 Euro. Der Jahresbedarf liegt dann bei alten Häusern bei rund 9,5 Tonnen, im Passivhaus genügen hingegen 720 Kilogramm. Pro Quadratmeter Wohnfläche entstehen Durchschnittskosten von 10,45 Euro im Jahr. Im Altbau fallen 13,06 Euro, im Passivhaus 0,98 Euro pro Quadratmeter pro Jahr an. Für das 200-qm-Haus summieren sich die Kosten im somit auf einen Betrag zwischen 196 Euro (Passivhaus) und 2600 Euro (Baujahr vor 1977). Jährliche Heizkosten eines Einfamilienhauses mit Scheitholz-Heizung:Gebäudeart Rechnung(kWh/m²a) * m² * €/kWh) Heizkosten pro Jahr(€/a) Heizkosten pro m² & Jahr(€/m²a)Baujahr bis 1977200 x 200 x 0,0653 €2.612 €/a13,06 €/m²aBaujahr bis 2002100 x 200 x 0,0653 €1.306 €/a6,53 €/m²aKfW-Effizienzhaus 7060 x 200 x 0,0653 €784 €/a3,92 €/m²aPassiv-Haus15 x 200 x 0,0653 €196 €/a0,98 €/m²a Quelle: Fotolia
Stromheizung (Nachtspeicher, Elektroradiatoren, Wärmepumpe)Früher waren sogenannten Nachtspeicherheizungen weit verbreitet, heute gelten sie als viel zu teuer. Stromheizungen sind heute vielmehr in Form von Wärmepumpen gefragt, die quasi Strom im Dauerbetrieb benötigen, um aus den Temperaturdifferenzen zwischen Außenluft und tieferen Erd-, Luft- und Wasserschichten Heizenergie zu generieren. Weil kaum ein Haus heute rein elektrisch beheizt wird, sind die Durchschnittwerte mit Vorsicht zu genießen. Durchschnittlich entstünden nämlich Kosten von 45,28 Euro pro Quadratmeter pro Jahr. Gemessen am unterstellten Energiebedarf entstehen im Musterfall für ein 200-qm-Haus so jährliche Ausgaben zwischen 861 Euro und 11.480 Euro im Jahr. Jährliche Heizkosten eines Einfamilienhauses mit Elektro-Heizung:Gebäudeart Rechnung(kWh/m²a) * m² * €/kWh) Heizkosten pro Jahr(€/a) Heizkosten pro m² & Jahr(€/m²a)Baujahr bis 1977200 x 200 x 0,28711.480 €/a57,4 €/m²aBaujahr bis 2002100 x 200 x 0,2875.740 €/a28,7 €/m²aKfW-Effizienzhaus 70 60 x 200 x 0,2873.444 €/a 17,22 €/m²aPassiv-Haus15 x 200 x 0,287861 €/a4,31 €/m²a Quelle: Fotolia

Dass Vermieter verstärkt über Pauschal- oder Inklusivmieten nachdenken, sei auch der Versuch, weg vom Splitten der Kosten für eine Mietwohnung zu kommen. „Haushalte wollen vor allem wissen, was sie insgesamt für eine warme und helle Wohnung bezahlen müssen“, sagt Behr. Für Mieter seien Warmmieten interessant, weil sie zur Planungssicherheit beim Energieverbrauch beitragen könnten.

Sowohl im Bereich Wärme als auch beim Strom gebe es aber noch viele juristische Unklarheiten. Gesetze seien nicht aufeinander abgestimmt, Regeln widersprächen sich oder fehlten, betont Behr.

Immobilien: Was nichts in einer Nebenkostenabrechnung zu suchen hat

Dass Sonnenenergie bei Mietshäusern im Blickpunkt ist, spiegelt sich auch in einem Bundestagsbeschluss vom Sommer wieder - zum sogenannten Mieterstrom. Dabei gibt es einen staatlichen Zuschuss für den Vermieter, wenn er den Strom der Solaranlage auf dem Dach an die Mieter verkauft.

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