




Selten hatten die Bundesbürger ein so großes Interesse an der Frage, ob es sich lohnt, eine Eigentumswohnung oder ein Haus zu erwerben. Dazu werden allerlei Vergleichsrechnungen bemüht, die aufzeigen sollen, ob das eine oder das andere finanziell sinnvoller ist. Die Hypothekenzinsen sind auf einem historischen Tiefstand und machen den Erwerb von Wohneigentum erschwinglicher. Auf der anderen Seite sind die Mieten, insbesondere in den Metropolen, in den vergangenen Jahren stark gestiegen und viele Mieter überlegen sich, ob der Kauf einer Wohnung eine Alternative ist – als bester Schutz gegen steigende Mieten.
Die Vergleichsrechnungen erwecken den Anschein, dass diese Entscheidung maßgeblich nach betriebswirtschaftlichen Kriterien getroffen würde. Bei den meisten Menschen ist das jedoch nicht der Fall: Die Entscheidung zum Mieten oder Kaufen ist zuallererst eine Entscheidung der Lebenssituation und der Lebensplanung. Ein Single am Anfang seiner beruflichen Laufbahn hat andere Bedürfnisse und Ziele als etwa ein Familienvater oder ein Pensionär. Mit einer Mietwohnung bewahrt man sich Flexibilität und sichert sich zudem gegen das Kostenrisiko von größeren Instandhaltungen ab. Die eigenen vier Wände wiederum bieten dem Käufer den höchstmöglichen Gestaltungsspielraum, zudem sorgt er damit für das Alter vor.

Wie die Entscheidung in der Frage „Kauf oder Miete?“ letztendlich ausfällt, hängt im Weiteren auch vom Angebot in der jeweiligen Stadt ab. Bei einer einfachen Abfrage auf einem der bekannten Online-Immobilienportale (Stand 23.03.2014) werden für Frankfurt am Main 734 Wohnungen ab 100 Quadratmeter zur Miete ausgewiesen, aber nur 39 Häuser. Den 734 Miet- stehen 437 Eigentumswohnungen (ab 100 Quadratmeter) gegenüber. In München wiederum ergibt die Suche 76 Miet- gegenüber 629 Eigentumswohnungen. Die Chancen, in Frankfurt am Main ein Haus oder in München eine Wohnung zur Miete zu finden, sind also recht begrenzt. Zudem steht nur in seltenen Fällen ein- und dieselbe Wohnung zum Verkauf und zur Vermietung.
Sodann sollte der Interessent natürlich einen Blick auf sein Konto werfen. Auch unter den derzeitigen Marktbedingungen ist ein Eigenkapitalanteil von ca. 30 Prozent für den Erwerb einer Wohnung oder eines Hauses die Regel. Stellt sich dann immer noch die Frage, ob gemietet oder gekauft werden soll, greifen alle mir bekannten Modelle und Berechnungen zu kurz. Denn ein Immobilienkauf ist eine langfristige Investition, nicht zuletzt angesichts der mittlerweile üblichen Kaufnebenkosten von über zehn Prozent. Zudem lassen sich zwar zum Beispiel für Mieten, Zinsen und Kaufpreise Trendprognosen für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren erstellen, so auch in unserem Haus. Der Blick auf die außerdem relevanten Indikatoren wie Zinsentwicklung, Mietentwicklung, Kostenbelastung usw. sollte jedoch über den Zehn-Jahres-Zeitraum hinausgehen.





Insofern empfehle ich anstelle möglicher Vergleichsrechnungen eine Risikobeurteilung, die auf die persönlichen Verhältnisse des Kaufinteressenten ausgerichtet ist und folgende Fragestellungen einschließt: Welcher Wertverlust ist für den Käufer verkraftbar? Zwar sind die Preise für Eigentumswohnungen in den Top-7-Standorten in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren um 47 Prozent gestiegen, im gesamtdeutschen Durchschnitt jedoch nur um 18 Prozent – sie verharrten damit in etwa auf dem Niveau der allgemeinen Preissteigerung. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Mietsteigerungen um 31 Prozent an den Top-Standorten und um 16 Prozent im Bundesdurchschnitt im gleichen Zeitraum. Für die nächsten zehn Jahre gehen die FERI-Prognosen aber insgesamt eher von moderaten Preis- und Mietsteigerungen aus, sowohl an den Top-Standorten als auch im Bundesdurchschnitt.
Ohne Zweifel: Immobilien kosten Geld, und insbesondere selbstgenutzte Immobilien bedürfen der laufenden Wartung und Instandhaltung – nur um den nominalen Wert zu erhalten. Welche Kostensteigerungen sind also mit dem künftigen Budget des Käufers vereinbar? Die Zinsen sind zwar auf einem historischen Tiefstand und nichts deutet darauf hin, dass sich daran kurzfristig etwas ändern wird. Aber dies kann in zehn, 15 oder 20 Jahren ganz anders aussehen. Um böse Überraschungen zu vermeiden, sollte hier ein hinreichender Puffer eingeplant werden.
Diese Liste ließe sich um weitere persönliche Kriterien ergänzen. Beispielhaft genannt seien Kosten für die Ausbildung der Kinder oder vorübergehende Arbeitslosigkeit. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Entscheidung „Mieten oder Kaufen?“ hauptsächlich von den persönlichen Verhältnissen und Planungen abhängt und sich folglich der zumeist propagierten betriebswirtschaftlichen Modellrechnung entzieht.