Rund 500.000 Euro für ein 130 Quadratmeter großes Reihenhaus im Frankfurter Randstadtteil Bergen-Enkheim sind viel Geld - vor allem für junge Familien mit wenig Eigenkapital. Denn gerade die stecken in einem Dilemma.
Einerseits sind die Konditionen für Immobilienfinanzierungen dank der niedrigen Zinsen so gut wie nie. Je nach Darlehensbetrag und Konditionen ist eine Finanzierung schon für einen effektiven Jahreszins von rund zwei Prozent möglich.
Gleichzeitig gelten eine Eigentumswohnung oder das eigene Häuschen mehr denn je als einer der letzten Wege, sinnvoll fürs Alter vorzusorgen - solange sie in den richtigen Lagen liegen. Gerade Familien wollen ihr Erspartes deshalb lieber in eine Immobilie investieren, als es bei nahezu Nullzinsen auf dem Sparkonto zu horten.
Nichts für Normalverdiener
Diesem Wunsch nach der eigenen Immobilie stehen allerdings die hohen Preise entgegen. Gerade in gefragten Lagen wie München oder Frankfurt, die auf einen hohen Wiederverkaufswert hoffen lassen, sind selbst kleine Häuser für Normalverdiener kaum erschwinglich. Durch den hohen Preis steigt nicht nur der gesamte Finanzierungsbedarf, auch das nötige Eigenkapital nimmt zu.
Phasen der Bauzinsentwicklung von 1980 bis heute
Im Juni 1980 lagen die Zinsen für Immobilienkredite bei rund 9,5 Prozent, so dass eine Finanzierung über 200.000 Euro mit zehnjähriger Zinsbindung, einem Beleihungsauslauf von 60 Prozent und einer Tilgung von einem Prozent monatlich umgerechnet 1.750 Euro kostete. Die Belastung für ein solches Darlehen summierte sich damit binnen zehn Jahren auf rund 178.000 Euro.
Quelle: Interhyp Gruppe
Die Zeit der Wiedervereinigung war aus Kreditsicht alles andere als ein preiswertes Vergnügen. Mitte der Achtziger waren die Zinsen zwar auf rund 7,5 Prozent gefallen, Anfang der Neunziger verlangten die Banken für ein Immobiliendarlehen jedoch wieder neun Prozent und mehr. Pro Monat mussten Darlehensnehmer dementsprechend erneut rund 1.700 Euro für den besagten 200.000-Euro-Kredit aufbringen.
Zur Jahrtausendwende sind die Zinsen für Immobilienkredite und Kredite überhaupt Achterbahn gefahren. Die Internetblase hatte die Konditionen binnen kurzer Zeit extrem steigen lassen. Konnten Kreditnehmer Ende der neunziger Jahre bereits zu vier Prozent finanzieren, hatte der Aktienboom die Kreditzinsen Anfang 2000 wieder auf über sechs Prozent getrieben. Im Vergleich zu den vorangegangen Jahren waren Darlehen dennoch billig wie nie zuvor. Unser 200.000-Euro-Kredit konnte im Juni 2000 daher bereits mit einer Monatsrate von rund 1.200 Euro bedient werden. Die Kosten dafür lagen auf zehn Jahre gerechnet bei 113.000 Euro.
Die Bankenkrise und die weltweite Erlahmung der Konjunktur haben die Konditionen weiter sinken lassen. Die Zinsen bewegten sich im Juni 2010 bei rund 3,6 Prozent. Im Vergleich zu 2000 halbierte sich die Monatsrate für den beispielhaften 200.000-Euro-Kredit damit fast auf rund 770 Euro. Die Kosten über zehn Jahre hinweg beliefen sich 2010 auf nur noch rund 68.000 Euro.
Während Sparer unter der aktuellen Niedrigzinsphase leiden, dürfen sich Immobilienkäufer über beste Finanzierungsbedingungen freuen. Die Zinsen für das bekannte Immobiliendarlehen über 200.000 Euro mit der Laufzeit von 10 Jahren und einer 60-prozentigen Beleihung liegen im Juni 2014 bei rund 2,2 Prozent. Die monatliche Kreditrate kostet derzeit mit 533 Euro weniger als ein Drittel der Rate vom Juni 1980 – als rund 1.750 Euro für dasselbe Darlehen fällig waren. Und während Kreditnehmer in den achtziger Jahren allein fast die komplette Kreditsumme als Kosten kalkulieren mussten, müssen Häuslebauer heute nur noch knapp 42.000 Euro binnen zehn Jahren zahlen.
Einerseits verleiten die Mini-Zinsen dazu, den Traum vom eigenen Heim weiter zu träumen, gleichzeitig stiften die verlockenden Angebote der Banken zu unrealistischen Handlungen an. Auch einige Medien suggerieren mit Schlagzeilen wie „Der Vorteil der Mini-Zinsen: So kann sich jeder ein Haus leisten“, der Immobilienkauf sei nahezu alternativlos. Häufig ist von „idealen Bedingungen für die Finanzierung“ die Rede. Allerdings: Der Kauf um jeden Preis kann gefährliche Folgen haben. Nur wer sich das Eigenheim tatsächlich leisten kann, sollte auch kaufen. Unabhängig davon, ob die Zinsen jetzt gerade besonders niedrig sind oder nicht.
Denn welche Folgen ein Hauskauf mit wenig oder ganz ohne eigene Ersparnisse hat, das hat die Finanzkrise auf eindrucksvolle Weise gezeigt. So waren es die teils unbesicherten Immobilienkredite in den USA, die sogenannten Subprimes, welche als einer der Auslöser der Krise gelten.
Auch in europäischen Ländern wie Spanien oder Irland wurde die gefährliche Kombination aus einer hohen Eigentumsquote, stark gestiegenen Immobilienpreisen und Immobilienkrediten, die kaum mit Eigenkapital unterlegt waren, zu einer tickenden Zeitbombe. Als die Preisblase platzte fielen viele Kredite aus und der Nährboden für die Krise war gelegt. Anfang allen Übels waren auch hier die Schnäppchenkredite.
Eigenkapital als wichtiges Kriterium
Zwar ist die Situation derzeit nicht so dramatisch wie vor dem Ausbrechen der Finanzkrise 2008. Allerdings warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) zuletzt eindringlich vor Preisblasen an einzelnen Immobilienmärkten. Bei seiner Analyse zeigt der Fonds insbesondere, dass in Ländern wie Belgien, Kanada und Australien die Hauspreise überdurchschnittlich stark von den jeweiligen Einkommen abweichen.
Ähnliches ist auch in Frankreich und Großbritannien zu beobachten. Die Bank of England soll daher künftig den besonders in London stark überhitzten Markt besser kontrollieren können. Unter anderem sollen die Notenbanker festlegen dürfen, wie stark sich Hauskäufer verschulden dürfen. Ein Kauf ohne oder mit zu wenig Ersparnissen wäre im Zweifel dann nicht möglich.
Wie eine Vollfinanzierung funktioniert
Zu solchen Mitteln muss die Deutsche Bundesbank nicht greifen. Zwar warnte auch sie in einem ihrer Monatsberichte vor leicht überhitzten Immobilienmärkten in einigen ausgewählten Städten. Das sei aber kein flächendeckendes Phänomen.
Zudem sind die deutschen Immobilienanleger entgegen aller Sorgenträger weiterhin sehr konservativ unterwegs und lassen sich eben nicht von Lockangeboten um den Finger wickeln. Im Gegenteil. „Der Trend bei der Immobilienfinanzierung geht eher zu mehr Eigenkapital“, sagt Felix Schnellbacher vom Verband deutscher Pfandbriefbanken.
Mit Niedrigzinsen zum Eigenheim
Langfristige Baukredite mit festen Zinsen für zehn bis 15 Jahre gibt es derzeit oft mit einer Verzinsung von unter drei Prozent. Allerdings haben die Preise für Immobilien besonders in Großstädten in den vergangenen Jahren deutlich angezogen.
Immobilien gelten nicht als Renditeknüller. Allerdings sind sie gerade in Krisenzeiten Verbraucherexperten zufolge eine solide Geldanlage. Der Wert einer Immobilie ist vergleichsweise sicher - vorausgesetzt, Preis, Qualität und Lage stimmen. In jedem Fall sollte ein Immobilienkauf gut überlegt sein.
Hier hilft nur ein Vergleich der verschiedenen Anbieter, wobei die Auswahl an Krediten laut Stiftung Warentest derzeit besonders groß ist. Bauherren und Käufer können dafür Vergleichsrechner im Internet nutzen. Auch Verbrauchermagazine und Zeitungen liefern häufig aktuelle Zinskonditionen. Die Hausbank kann ein wichtiger Ansprechpartner sein - ist jedoch nicht immer zwingend die erste Wahl. Ein Anbietervergleich kann teils mehrere zehntausend Euro sparen.
Kredite für Häuser oder Wohnungen laufen meist über zehn, 20 oder 30 Jahre. Hierbei werden die Zinsen in aller Regel nur für einen begrenzten Zeitraum von mehreren Jahren festgelegt. Läuft diese sogenannte Zinsbindungsfrist ab, verhandeln Bank und Kunde die Verlängerung des Darlehens. Der Bauherr kann dann auch umschulden und zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Verbraucher sollten mehrere Monate vor Auslaufen der Frist neue Angebote einholen. Wegen der historisch niedrigen Zinsen gibt es derzeit auch besonders günstige Anschlusskredite.
An sich werden feste monatliche Raten vereinbart. Baukredite geben oft aber auch das Recht auf Sondertilgung, das heißt die Rückzahlung von Geld zusätzlich zu den vereinbarten Raten. Auch kann ausgehandelt werden, dass der Bauherr die Raten anpassen kann, etwa wenn sich das Einkommen verändert.
Finanzexperten sehen ein Eigenkapital von 20 bis 30 Prozent des Immobilienpreises als eine solide Basis an. Für ihre angebotenen Top-Zinsen wollen die Banken häufig allerdings 40 Prozent Eigenkapital sehen. Teils sind Banken auch bereit, den vollen Kaufpreis zu finanzieren. Dafür verlangen sie aber oft happige Risikoaufschläge beim Zins.
Bei der staatlichen Förderbank KfW gibt es Darlehen etwa für den Kauf selbstgenutzten Wohneigentums, energieeffizientes Bauen und Sanieren oder auch für altersgerechtes Wohnen. Daneben zahlt der Staat die Wohnungsbauprämie von 8,8 Prozent beim Bausparen. Auch gibt es in Form des sogenannten Wohn-Riesterns staatliche Unterstützung für den Kauf selbstgenutzter Immobilien zur Altersvorsorge.
Risiken wie diese können mit Versicherungen ganz oder zumindest teilweise abgedeckt werden. So gibt es Versicherungen gegen Berufsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Lebensversicherungen oder Restschuld-Versicherungen. Verbraucher sollten sich vor Abschluss einer Police und eines Baudarlehens gut über einen Versicherungsschutz beraten lassen. Die Stiftung Warentest rät zu Versicherungen für den Todesfall.
Laut Daten des Immobilienfinanzierungsexperten Dr. Klein lag der durchschnittliche Eigenkapitalanteil bei Baufinanzierungen im April bei rund 22 Prozent. Zwar ist der Wert im April leicht gesunken, zeigt allerdings, dass im Schnitt über ein Fünftel der gesamten Summe selber finanziert wird. Bei vielen Banken und Sparkassen gilt ein Eigenkapitalanteil von mindestens 20 Prozent immer noch als eine Art Faustformel. Auch die Verbraucherzentralen raten zu mindestens 20, eher noch 30 Prozent Eigenkapitalanteil bei der Immobilienfinanzierung.
Hundert Prozent finanziert
Auch aus der Sicht des Käufers macht es Sinn, vorhandenes Kapital in die Finanzierung zu stecken. Denn auf dem Sparkonto wirft es auch nur Magerzinsen ab. Auf eine Faustformel festlegen will sich die Interhyp allerdings nicht. Jede Finanzierung hänge schließlich von der individuellen Situation ab, heißt es dort. Ein Haushalt mit zwei Gutverdienern könne auch mal mit weniger Eigenkapital einen Hauskredit stemmen, sagt Christian Kraus von Interhyp. Allerdings müsse die finanzielle Situation dafür schon sehr stabil und überdurchschnittlich gut sein. Grundsätzlich gelte beim Eigenkapitalanteil: Je höher, desto besser.
Dennoch bieten einige Banken ihren Kunden eine sogenannte Vollfinanzierung an, oft ist auch von Hundert-Prozent-Finanzierung die Rede. Bei dieser Variante wird der komplette Kaufpreis der Immobilie von der jeweiligen Bank finanziert. Lediglich die Kaufnebenkosten wie etwa die Maklercourtage oder Notargebühren zählen nicht zur Darlehenssumme. Allerdings: „Sogenannte Hundert-Prozent-Finanzierungen sind weiterhin ein Nischenprodukt“, erklärt Schnellbacher vom Verband der Pfandbriefbanken. Die Konditionen seien dabei deutlich schlechter, als bei Darlehen mit nennenswertem Eigenkapitalanteil.
Die Bank erkauft sich mit höheren Zinsen die fehlenden Sicherheiten. Auch die ING Diba bietet Hundert-Prozent-Finanzierungen an. Auf Nachfrage erklärt die Direktbank, die Nachfrage nach solchen Vollfinanzierungen sei auch im Zuge der niedrigen Zinsen nicht gestiegen. „Die Wahl der Eigenkapitalanteile ist relativ konstant“, heißt es. Zudem sei ein vollfinanzierter Immobilienkredit nicht per se schlecht. Ein Risiko seien Zwangsverkäufe, da der Verkaufserlös dann in der Regel unter dem tatsächlichen Wert des Hauses liege.
Ausfallversicherungen für Immobiliendarlehen
Einen anderen Weg will ein amerikanischer Versicherer gehen. Genworth Financial will mit Ausfallversicherungen für Immobilienkredite den deutschen Markt erobern. Diese Versicherungen springen ein, wenn Kredite mit hohem Fremdfinanzierungsanteil platzen. So sollen mehr Immobilienfinanzierungen mit wenig Eigenkapital funktionieren. Genworth will damit vor allem jungen Familien, die noch nicht viel Kapital ansparen konnten, helfen.
Genworth-Chef Tim Rooney erklärte vor kurzem im Interview mit Handelsblatt Online, dass mehr Menschen als gedacht sich eine Immobilie leisten könnten. Noch sei der Markt in Deutschland zwar sehr konservativ, aber der Immobilienwunsch werde in Zukunft größer werden. Er verweist auf die viel höheren Eigentumsquoten in Ländern wie Italien oder Irland. Allerdings muss Genworth auch einräumen, dass das Geschäft in Deutschland bisher eher verhalten läuft. Andere Immobilienfinanzierer warnen davor, die Kreditausfallversicherungen könnten zwar im Einzelfall sinnvoll sein, dürften aber kein Ersatz fürs Eigenkapital werden.
Worauf Sie achten sollten
Trotz der aktuellen Minizinsen locken beim Abschluss von Immobilienkrediten Fallen. Der LBS Bayern warnte zuletzt: „Vorsicht Zinsfalle!“. Denn die Angebote mit einem besonders niedrigen Zins haben oft Tücken. Käufer sollten nicht am falschen Ende sparen und müssen insbesondere auf die Laufzeit achten. Wie lange gilt der Zins, zu dem der Darlehensvertrag geschlossen wurde? Experten raten dazu, die Zinsbindung möglichst lange zu wählen, zehn Jahre seien das absolute Minimum. Besser seien 15 Jahre oder länger. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen noch signifikant sinken, ist eher gering. Wer also Pech hat, muss nach zehn Jahren eine Anschlussfinanzierung stemmen, die deutlich teurer wird als das ursprüngliche Darlehen.
Sollte das Zinsniveau nach zehn Jahren wider Erwarten niedriger liegen, darf laut Gesetz jederzeit mit sechsmonatiger Frist gekündigt werden. Ab zehn Jahren darf die Bank nämlich keine Vorfälligkeitsentschädigung mehr verlangen.
Auch die monatliche Tilgung gilt es den niedrigen Zinsen anzupassen. „Da bei niedrigen Zinsen die monatliche Belastung deutlich geringer ist, sollte dieser Spielraum zu höheren Tilgungssätzen genutzt werden“, rät die LBS. Idealerweise sollte die Tilgungsrate bei mindestens zwei Prozent liegen, besser höher.
Fazit: Sicherlich sind die niedrigen Zinsen eine gute Kaufgelegenheit. Aber eben nur für diejenigen, die sich so oder so eine Immobilie kaufen und leisten wollen. Dagegen dürfen die lukrativen Angebote nicht dazu führen, dass sich jeder ein Haus kauft. Bisher bewahren sich die deutschen Häuslebauer ihre konservative und sicherheitsbewusste Haltung und sehen von riskanten Manövern bei der Immobilienfinanzierung ab.