„Monopoly-Spiel“ beenden 7 Lösungen für Wohnungsmangel und Mietwahnsinn

Die Immobilienpreise in Deutschland steigen immer weiter Quelle: dpa

Um viel Geld mit Immobilien zu verdienen, müssten Mieter ausgepresst werden, meint Internetunternehmer Christian Schröder. Er hat einige Ideen, das zu ändern und Wohnungsmangel und Mietwahnsinn zu beenden. Ein Gastbeitrag.

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Der Wohnungsmangel in deutschen Großstädten birgt erheblichen Sprengstoff, der den sozialen Frieden in Deutschland gefährdet. Es ist wichtig, dieses Problem konstruktiv und effektiv zu lösen, um die Lebenssituation vieler Bürger in deutschen Großstädten schnellstmöglich zu verbessern. Normalerweise sehe ich Politiker in der Pflicht, das Problem zu lösen. Aber momentan scheint es aus keinem der politischen Lager vernünftige Lösungswege zu geben. Es ist daher an der Zeit, neue Anstöße in diese Debatte zu geben.

Seit Jahren steigen Mieten schneller als Löhne, so dass die Menschen einen wachsenden Anteil ihres Nettoeinkommens für Miete aufbringen müssen. Prinzipiell kann man sich diese Dynamik wie im Monopoly-Spiel vorstellen. In diesem Spiel scheiden die Spieler nach und nach aus dem Spiel aus, wenn das Einkommen nicht mehr ausreicht, um die steigenden Mieten auf den Feldern zu decken. In der realen Welt gibt es keinen Ausstieg, sondern nur einen (sozialen) Abstieg. Und vor diesem fürchten sich die Menschen und gehen deshalb auf die Straße, um gegen steigende Mieten zu demonstrieren.

Um die Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu lösen, ist es notwendig, die Ursachen dieser Probleme zu verstehen: Haupttreiber für die hohen und steigenden Mieten ist zweifelsfrei das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Jeder, der das anzweifelt, sollte sich vor Augen führen, dass Mieten in ländlichen Regionen nur bei wenigen Euro pro Quadratmeter liegen. Es ist aber auch richtig, dass der Anstieg der Mieten durch Spekulation massiv befeuert wird. Daher wird eine erfolgreiche Politik zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum auf zwei Säulen aufbauen: Mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und Spekulation eindämmen.

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Säule 1: Mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen

Die übergeordnete Strategie dieses Abschnittes ist es, das Angebot an Wohnraum zu vergrößern, um so den Druck der Nachfrageseite auf den Wohnungsmarkt und die Mietpreise zu verringern. Konkrete Lösungsansätze sind:

  • Schnellere Genehmigung von Bauprojekten: Als Erstes macht es Sinn, das Tempo von Genehmigungsverfahren für Bauprojekte zu beschleunigen. Das sollte unmittelbar zu mehr Wohnraum führen und kann durch die Einstellung von mehr Personal in den Bauaufsichtsbehörden erreicht werden.

  • Höhere Gebäude: Zweitens sollte mehr Wohnraum pro Grundstück geschaffen werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Neubauprojekte höher gebaut werden und existierende Wohnungen aufgestockt werden. Zum Vergleich: Gäbe es in Manhattan keine Wolkenkratzer, wären die Mieten dort um ein Vielfaches höher. Durch Wolkenkratzer gibt es mehr Wohnraum und daher können es sich mehr Menschen leisten, dort zu wohnen. Wie hoch in Deutschland gebaut werden darf, ist staatlich reguliert. Hier sollte die Schaffung von mehr Wohnraum an oberster Stelle der Prioritäten stehen. 

  • Mehr bezahlbarerer Wohnraum: Drittens müssen mehr Neubauprojekte geschaffen werden, bei denen Wohnungen mit bezahlbaren Mieten entstehen. Der wichtigste Hebel dafür ist der Preis des Grundstücks, denn die Baukosten sind in Deutschland recht homogen. Dafür werden große Wohnungen in Randlagen das Mittel der Wahl sein, auch wenn viele Menschen vielleicht lieber zentral wohnen würden. Sie werden ihre Erwartungen anpassen müssen. In Afrika, Asien und auch in London ist es völlig üblich, 1-2 Stunden zur Arbeit und in die Innenstadt zu fahren. Spitz ausgedrückt: Niemand hat das Recht auf eine Penthouse Wohnung in der Berliner Torstraße oder am Münchner Viktualienmarkt. Und wer doch zentral wohnen will, der sollte über Micro-Apartments, also kleinere Wohnungen, nachdenken. In Städten wie Hong Kong und Singapur, wo Fläche sehr knapp ist, sind Wohnungen mit 10 bis 20 Quadratmeter weit verbreitet. Hier müssen Bauvorschriften angepasst werden und die Bevölkerung muss ihre Erwartungen ändern. Wenn es mit dem Penthouse nicht klappt, dann vielleicht mit einem Micro-Apartment?

  • Sozialer Wohnungsbau: Zusätzlich wäre es denkbar, dass der Staat auf eigenen Grundstücken in Innenstadtlagen baut oder solche Grundstücke erwirbt, um dort sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Das ist auf jeden Fall viel sinnvoller, als überteuerte Wohnungen von Groß-Investoren für Milliarden zurückzukaufen, denn eine Enteignung ginge wohl kaum. Selber Bauen ist die effizienteste Maßnahme zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in beliebten Lagen.

Spekulation eindämmen mit Hilfe von Steuern und Technologien

Gäbe es mehr Angebot als Nachfrage am Immobilienmarkt, gäbe es auch wenig bis keine Spekulation. Durch das fehlende Angebot steigen die Mieten und Spekulanten steigen wiederum in den Markt ein, um auf steigende Mieten und Werte von Immobilen zu wetten. Sie kaufen Wohnungen mit der Perspektive, Mieten zu steigern und die Immobilien mit hoher Rendite weiter zu verkaufen. Diese Spekulation sollte eingedämmt werden, ohne dass die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft verletzt werden.

Grundsätzlich kann ein kleiner bis mittelgroßer Privatanleger am meisten Geld mit Immobilien verdienen, indem er vermietete Wohnungen oder ein Mietzinshaus mit niedriger Miete kauft und dann Mieten aggressiv steigert. Dazu müssen alte Mieter verdrängt oder wie es im Fachjargon heißt, „entmietet“ werden. Dies geschieht meist durch Eigenbedarfsanmeldung, Schikane der Mieter oder eine Abfindungszahlung. 

Nach der Entmietung werden Wohnungen oft entweder saniert und als Eigentumswohnung weiterverkauft oder als möblierte Wohnung/Ferienwohnung teurer vermietet. Da diese Geschäftspraktiken unsauber sind, fokussieren sich professionelle Immobilienanleger meist auf Gewerbeobjekte, Projektentwicklung oder wie die Deutsche Wohnen auf das Halten von Bestandsobjekten und langfristige Wertsteigerung. 

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von Niklas Hoyer

Da der Staat bisher weitestgehend versagt hat, Mechanismen wie die Mietpreisbremse oder das Verbot von Ferienwohnungen umzusetzen, wird es dem Staat wohl noch schwerer fallen, dieser Entmietungspraxis einen Riegel vorzuschieben. Möglicherweise ist es einfacher, durch eine geschickte Besteuerung Eigennutzer von Immobilien zu bevorzugen und spekulationsorientierte Privatanleger auszubremsen. Das ginge etwa so:

  • Eigennutzer steuerlich bevorteilen: Ein erster Beitrag wäre, Eigennutzer von Immobilien besser zu stellen als Spekulanten. Gibt es mehr Eigennutzer, sinkt die Nachfrage nach Mietwohnungen und der Druck auf die Mietpreise. Ein Mechanismus dazu könnte es sein, die Grunderwerbssteuer für Eigennutzer bei der Einkommenssteuer abzugsfähig zu machen. Effektiv erhöht das die Kaufkraft von Eigennutzern, sodass diese mehr für eine Immobilie zahlen können als ein renditeorientierter Privatvermieter. Verkäufer würden Eigennutzer dann meist bevorzugen. 

  • Spekulationssteuer für Bestandsobjekte: Ein Mechanismus, der weit darüber hinaus ginge, wäre eine Spekulationsteuer für Bestandsobjekte. Diese Steuer könnte folgendermaßen ausgestaltet sein:  Die Besteuerungsgrundlage die Höhe des Immobilienkredits oder die im Grundbuch eingetragene Grundschuld. Der Steuersatz ist variabel in Abhängigkeit von einem Referenz-Zins, zum Beispiel ein gewisser Abschlag auf den Euribor-Zinssatz, zu dem sich Banken Geld leihen, oder ein staatlich festgelegter Satz, der sich jährlich ändert.

    Effektiv nimmt so eine Steuer die Volatilität aus dem Immobilienmarkt. In Zeiten von Niedrigzinsen steigen die Immobilienpreise. Das macht es für Spekulanten attraktiv, in den Markt einzusteigen. Durch die Spekulationssteuer gäbe es dann einen Gegenpol, der die Kosten für eine Finanzierung bei Niedrigzinsen teurer macht. Dadurch bleiben Preise stabil und ist es nicht mehr attraktiv für Spekulanten, in den Markt einzusteigen. Das führt in letzter Konsequenz zu stabileren Mieten.

    Gleichzeitig würde diese Spekulationssteuer einen sehr starken Anreiz für Investoren schaffen, neue Immobilien zu bauen, da diese eine höhere Rendite abwerfen würden im Vergleich zu Investments in Bestandsobjekte. Somit würde das Angebot an neuen Immobilien schneller steigen als im Status Quo. Um private Eigennutzung von Bestandsobjekten nicht zu dämpfen, sollte diese Steuer für Eigennutzer auch Einkommensteuer-abzugsfähig sein.

  • Technologie nutzen: Letztlich könnte man Technologie nutzen, um Gesetze wie die Mietpreisbremse und den Mietspiegel durchzusetzen. Banken zum Beispiel müssen aufgrund der Regulierung (PSD2 Verordnung) seit letztem Jahr eine Konten-Schnittstelle (API) anbieten, über die andere Dienstleister auf Daten zugreifen können. Hier könnte sich der Staat an die Konten der Vermieter andocken und mit einer Big-Data-Lösung kontrollieren, ob die Gesetze tatsächlich eingehalten werden. In diesem Zusammenhang könnte es sinnvoll sein, eine hohe Steuer auf Mieterträge über dem gesetzlichen Rahmen einzuführen. Dann würde sich statt überlasteten Behörden zumindest das Finanzamt um diese Angelegenheit kümmern.

 

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