In der Coronakrise 5 Gründe dafür, dass die Immobilienblase jetzt (noch) nicht platzt

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Auch vor Corona gab es keine extreme Kreditaufnahme

Grund 4: Es gibt keine spekulative Kreditblase.

Eine Blase platzt oft dann, wenn alle von weiter steigenden Preisen ausgehen. Sie nehmen Kredite auf, weil es ja scheinbar ganz einfach ist, an den Wertzuwächsen zu profitieren. Sobald sich dann eine Wende abzeichnet, müssen Spekulanten die Reißleine ziehen. In guten Zeiten hebeln Kredite ihre Gewinne, weil sie bezogen auf das eigene Kapital noch größer ausfallen. Dieser Hebel wirkt aber auch in die andere Richtung und verstärkt dann Verluste, die im schlimmsten Fall das Eigenkapital aufzehren oder sogar übersteigen. Spekulativ getriebene Preissteigerungen sind daher anfälliger für eine Korrektur.

Umso besser, dass davon wenig zu sehen ist: Angesichts der seit Jahren steigenden Immobilienpreise wären steigende Kreditsummen wenig überraschend. Die Veränderungen bei der Summe der neu vergebenen Kredite an Privathaushalte ist aber weitgehend unauffällig. Starke Anstiege gab es 2015, als es einige Monate lang mal nach einer Wende zu steigenden Zinsen aussah. Auch vor Corona gab es keine extreme Kreditaufnahme, der Zuwachs war nur etwa so stark wie der Anstieg der Immobilienpreise selbst auch (siehe Grafik).

Nach Zahlen der Bundesbank haben nur 17 Prozent aller Haushalte einen Kredit für eine selbstgenutzte Immobilie aufgenommen, im Schnitt machen die Schulden knapp 100.000 Euro aus. Nur sechs Prozent aller Haushalte haben sich für eine nicht selbstgenutzte Immobilie verschuldet, im Mittel mit rund 150.000 Euro. In unteren Einkommens- und Nettovermögensgruppen (etwa bei den „unteren“ 40 Prozent) gibt es kaum kreditfinanziertes Immobilieneigentum. Auch das sichert den Markt ab: Selbst bei sinkenden Preisen müssten weniger Immobilienschuldner Haus oder Wohnung zwangsweise verkaufen.



Daten des Immobilienkreditvermittlers Dr. Klein deuten ebenfalls nicht auf große Spekulation hin: Demnach haben Immobilienkäufer mit Kredit 2019 zu etwa 84 Prozent Fremdkapitalanteil gekauft. 16 Prozent des Kaufpreises und die Kaufnebenkosten haben sie also selbst aufgebracht. 2009, zu Beginn des Immobilienbooms, lag der Kreditanteil mit 80 Prozent nur unwesentlich niedriger. Die Zinsbindung – also die Zeit, zu der die Bank einen fixen Kreditzins garantiert – ist im gleichen Zeitraum von 9,3 auf 13,7 Jahre gestiegen. Längere Kreditlaufzeiten sichern Hauskäufer besser vor dem Risiko steigender Zinsen ab.

Grund 5: Steigende Zinsen sind nicht in Sicht.

Der Zinsverfall in den vergangenen Jahren war, neben der großen Nachfrage und dem knappen Angebot, der wichtigste Preistreiber am Immobilienmarkt: Kredite wurden günstiger, andere Festzins-Geldanlagen – abseits des Immobilienmarktes – verloren an Attraktivität. Ein Immobilienkredit mit 20 Jahren Laufzeit ist heute schon teils für 1 Prozent Zins zu haben. Vor zehn Jahren hätte er noch locker 5,0 Prozent Zins im Jahr gekostet.

Der Effekt ist groß, wie eine grobe Überschlagsrechnung zeigt: Mit 1000 Euro monatlicher Kreditrate über 20 Jahre lassen sich bei 5,0 Prozent Zins rund 150.000 Euro tilgen. Bei 1,0 Prozent Zins hingegen würde die gleiche Monatsrate für fast 220.000 Euro Kreditsumme reichen. Ohne das Eigenkapital zu beachten, kann der Kredit jetzt also ein Drittel größer sein, bei gleich hoher monatlicher Belastung für Zins und Tilgung. Kommen steigende Einkommen hinzu (siehe Grund 2), ist noch mehr drin. Seit 2010 ist das Haushaltsnettoeinkommen um 25 Prozent gestiegen. Statt 1000 Euro pro Monat könnte ein Haushalt entsprechend jetzt 1250 Euro finanzieren, ohne dass der Kreditanteil am Einkommen steigen würde.

1250 Euro Monatsrate würden beim aktuellen Zins und 20 Jahren Laufzeit für vollgetilgte 270.000 Euro reichen. Diese Summe läge 80 Prozent über dem zum Einkommen und Zins von 2010 finanzierbaren Kredit (270.000 zu 150.000 Euro). Zum Vergleich: Im Schnitt sind die Kaufpreise bestehender Wohnungen zwischen 2010 und 2019 in den 50 größten Städten um 74 Prozent gestiegen. Wenn Käufer also auch entsprechend mehr Eigenkapital aufbringen können, hätte sich ihre Situation trotz der gestiegenen Immobilienpreise nicht verschlechtert.

Die weitere Entwicklung der Zinsen ist daher ein entscheidender Faktor für die Immobilienmärkte. Und eine Wende zu steigenden Zinsen ist insbesondere wegen des coronabedingten Konjunktureinbruchs nicht in Sicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte 2019 ihr milliardenschweres Ankaufsprogramm für Anleihen wieder aufgenommen. Ein Schwenk zu Zinserhöhungen wurde vor der Coronakrise frühestens Ende 2020, eher 2021, erwartet – wenn überhaupt. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) prognostizierte schon Ende 2018 anhaltende Niedrigzinsen bis 2050. Vorerst dürfte sich eine Zinswende auf unbestimmte Zeit verschoben haben.

Solange die Zinsen niedrig bleiben, stützen sie den Immobilienmarkt. Ein weiterer Zinsrutsch, der die Preise erneut anheizen würde, mag unwahrscheinlich sein. Ein Zinsanstieg, der einen Crash auslösen könnte, ist aber noch viel unwahrscheinlicher. Denn er würde nicht nur den Immobilienmarkt treffen, sondern die gesamte, derzeit ohnehin in Schieflage geratene, Konjunktur abwürgen und viele hoch verschuldete Unternehmen und Staaten zusätzlich in Schwierigkeiten bringen.

Fazit

Die Preise von Häusern und Wohnungen erscheinen hoch. Durch die Coronakrise könnte die Nachfrage sinken. Erste Indizien deuten darauf hin. Aber auch das Angebot könnte nachgeben. Die Zeit der großen Preis- und Mietsteigerungen kann vorbei sein, insbesondere weil Politiker mit regulatorischen Eingriffen die Mieten steuern wollen. Für eine Wende zu fallenden Immobilienpreisen – und das nicht nur vorübergehend – dürfte es aber viel zu früh sein. Denn letztlich bleibt Wohnraum knapp und der wird benötigt, weil Menschen wohnen müssen, auch in Pandemiezeiten.

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