Der Immobilienkonzern Vonovia verdoppelt die Vorauszahlungen der Mieter auf Heizkosten. Grund dafür sind die steigenden Energiepreise. Können die Mieter ihre Miete über Monate nicht mehr stemmen, will ihnen Vonovia notfalls kündigen. In den sozialen Medien wird der Großvermieter dafür kritisiert. Vonovia beteuert, dass die Kündigung nur die letzte Option sei. Zuvor versuche das Unternehmen, mit den Mietern individuelle Lösungen wie Ratenzahlungen zu vereinbaren.
Vonovia, ein milliardenschwerer Konzern, kann es sich leisten, im Einzelfall Mieten zu stunden. Private Vermieter mit nur einem Mietshaus oder wenigen Eigentumswohnungen haben dagegen meist nicht die nötigen finanziellen Rücklagen. Sie sind auf die regelmäßigen Mietzahlungen weniger Mieter angewiesen. Das heißt, sie müssen schneller handeln, wenn ein Mieter seine Miete nicht mehr zahlen kann.
Im Ernstfall müssen sie Mietern kündigen, wie Vonovia es im Extremfall vorsieht. Dafür gibt es klare gesetzliche Regeln. Die davon abweichende Sonderregel, nach der Mietern, die aufgrund der Coronapandemie ihre Miete schuldig bleiben, nicht gekündigt werden darf, lief Ende Juni aus. Bestehen nach diesem Termin Mietschulden aus diesem Zeitraum, ist eine Kündigung wieder möglich. Das heißt, Mieter können sich nicht mehr auf die Corona-Sonderregel berufen, wenn der Vermieter sie wegen Mietrückständen abmahnt.
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Derzeit plant Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), die gesetzlichen Vorschriften bei Kündigungen wegen Mietrückständen zugunsten der Mieter zu ändern. So sollen Mieter auch bei einer ordentlichen Kündigung bis kurz vor dem Auszug Mietschulden zurück zahlen können. Bisher war das nur bei fristlosen Kündigungen innerhalb einer Schonfrist möglich. Bleiben die Mieter nur die Nebenkosten schuldig, soll der Vermieter nicht mehr kündigen dürfen. Noch allerdings sind diese Änderungen aber nicht Gesetz. Es gilt daher weiterhin die aktuelle Rechtslage.
Gesetzeslage: Pflicht muss verletzt sein
Mit dem Mietvertrag verpflichtet sich der Mieter, regelmäßig die Miete einschließlich der Nebenkosten zu zahlen. Mietrückstände sind daher eine Pflichtverletzung. Sie berechtigt den Vermieter, den Mietvertrag zu kündigen, wenn der Mieter den Zahlungsverzug verschuldet hat. Kann der Mieter nicht zahlen, weil er finanziell nicht mehr dazu in der Lage ist, liegt ein Verschulden vor. Ob und wie der Vermieter den Mietvertrag kündigen darf, hängt von der Höhe und der Dauer des Mietrückstands ab.
Ordentliche Kündigung
Die gesetzliche Kündigungsfrist von unbefristeten Mietverträgen beträgt grundsätzlich drei Monate. Nach fünf beziehungsweise acht Jahren Mietdauer verlängert sich die Kündigungsfrist um jeweils weitere drei Monate.
Vermieter dürfen ordentlich kündigen, wenn der Mieter eine volle Monatsmiete mehr als einen Monat schuldig bleibt. Sie sind nicht verpflichtet, den Mieter zuvor abzumahnen. Ist das Verhältnis zum Mieter noch intakt, ist jedoch eine Abmahnung meist sinnvoll. Denn der Vermieter signalisiert damit, dass der Mieter mit einer nachträglichen Zahlung des Mietrückstandes eine Kündigung vermeiden kann.
Bleibt der Mieter eine einmalige Nachzahlung auf die Nebenkosten schuldig, ist dies keine Pflichtverletzung, die sich aus dem Mietvertrag ergibt. Zahlt der Mieter den ausstehenden Betrag trotz Mahnung nicht nach, kann den Vermieter den Vertrag ordentlich kündigen, das heißt mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten.
Fristlose, außerordentliche Kündigung
Bleibt der Mieter zwei aufeinander folgende Mieten, etwa für November und Dezember, schuldig, darf der Vermieter fristlos außerordentlich kündigen. Gleiches gilt, wenn der Mieter über einen längeren Zeitraum einen Teil der Miete nicht zahlt und sich die ausstehende Summe auf mindestens zwei Monatsmieten beläuft. Zahlt der Mieter eine Nachzahlung auf Nebenkosten nicht, darf der Vermieter dagegen nicht fristlos, sondern nur ordentlich kündigen. Dies gilt unabhängig von der Höhe der Nachzahlung.
Egal ob der Vermieter fristlos oder ordentlich kündigt, das Schreiben an den Mieter sollte immer den genauen Grund für die Kündigung enthalten. Bei Mietschulden ist der ausstehende Betrag zu nennen. Zudem sollte der Vermieter den Mieter darauf hinweisen, dass er der Kündigung innerhalb von zwei Monaten widersprechen kann.
Eine Kündigung ist jedoch nur die Ultima Ratio. Vermieter sollten die wirtschaftlichen Risiken abwägen. Ein gekündigter Mieter wird seine Wohnung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in einem sofort vermietbaren Zustand hinterlassen. Der Vermieter wird die Wohnung oft auf eigene Kosten renovieren müssen. Zudem muss er einen Nachmieter auftreiben und gegebenenfalls auf eigene Kosten einen Makler einschalten.
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Vermieter sollten daher ein Mietverhältnis nicht beenden, bevor nicht klar ist, ob der Mieter nicht fähig oder willens ist, die Mietschulden in einem absehbaren Zeitraum zu begleichen. Um das zu klären, sollte der Vermieter fünf Eskalationsstufen durchlaufen.
1. Ursachen klären
Wenn der Mieter nicht zahlt, sollten Vermieter nachfragen, was die Ursache ist. Mitunter ist der Grund eine vorübergehende, unverschuldete Notlage. Dann besteht die Chance, dass der Mieter die Rückstände zeitnah ausgleicht. Sollte der Mieter auf Nachfrage keine Gründe angeben, greift die nächste Eskalationsstufe.
2. Mietschulden abmahnen
Der Vermieter mahnt den Betrag der ausstehenden Mieten schriftlich an. Er setzt eine Frist für die Begleichung der Mietschulden und behält sich vor, den Mietvertrag gegebenenfalls zu kündigen. Eine Mahnung bewegt Mieter häufig dazu, mit dem Vermieter ins Gespräch zu kommen. Ist der Mieter solvent, bietet sich notfalls eine Ratenzahlung der ausstehenden Beträge an.
3. Mietvertrag kündigen
Lässt sich der Zahlungsverzug nicht im Einvernehmen klären, bleibt dem Vermieter nur zu kündigen. Sind die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung erfüllt, sollte der Vermieter dennoch auch ordentlich mit Frist kündigen. Denn Gerichte setzen bei einer fristlosen Kündigung höhere Hürden. Die Richter werden im Einzelfall prüfen, ob die Kündigung gerechtfertigt war und sie im schlimmsten Fall für unwirksam erklären. Zieht der Vermieter beide Varianten der Kündigung, also fristlos und ordentlich, ist das Mietverhältnis in der Regel beendet.
Allerdings kann der Mieter bei einer ordentlichen Kündigung einen Härtefall geltend machen und ihr widersprechen. Dadurch gewinnt er Zeit. Mieter müssen einen Widerspruch spätestens zwei Monate nach Eingang der Kündigung anmelden. Härtefälle liegen beispielsweise vor, wenn der Mieter schwer krank oder sehr alt und im Wohnviertel tief verwurzelt ist. Allerdings verhindern solche Härtefälle nicht automatisch eine Kündigung. Denn Gerichte prüfen alle individuellen Umstände danach, ob eine Kündigung unzumutbar ist. Ein erfolgreicher Widerspruch kann dazu führen, dass der Mieter die Wohnung vorübergehend nicht räumen muss.
4. Räumungsfrist setzen
Ist der Mietvertrag fristlos gekündigt, weil der Mieter nicht zahlen kann oder will, kann der Vermieter vom Mieter verlangen, die Wohnung zu räumen. Die übliche Frist, um auszuziehen, beträgt zwei Wochen nach Eingang des Kündigungsschreibens.
Selbst wenn der Vermieter bereits das Recht hat, die Wohnung zu räumen, lässt sich eine Kündigung noch vermeiden. Der Gesetzgeber hat dazu bei fristlosen Kündigungen eine Schonfrist von zwei Monaten gesetzt. Innerhalb dieser Frist hat der Mieter eine letzte Chance, seine Mietschulden zu begleichen. Zahlt er die ausstehenden Mieten, wird die Kündigung unwirksam und der Mietvertrag läuft weiter.
5. Räumungsklage einreichen
Vermieter müssen in der Regel akzeptieren, wenn der Mieter nach Absprache die Räumungsfrist geringfügig überzieht, beispielsweise um eine Woche. Gerichte können die Räumungsfrist verlängern, wenn der Mieter krank ist oder im Haushalt mehrere schulpflichtige Kinder leben. Wenn der Mieter dagegen selbst diese verlängerte Frist nicht einhält, bleibt dem Vermieter nur noch, eine Räumungsklage einzureichen.
Das Verhältnis des Vermieters zu seinem Mieter hat in der Regel eine Vorgeschichte. Die bisher gemachten Erfahrungen sollten in den individuellen Stufenplan einfließen. War ein Mieter schon in der Vergangenheit unzuverlässig, sollte der Vermieter Zusagen kritischer hinterfragen. Mehr Kulanz ist dagegen bei Mietern sinnvoll, die sich bisher korrekt verhalten haben.
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