Platzt jetzt die Blase? Endspiel am Immobilienmarkt

Der Boom am deutschen Immobilienmarkt (hier: Neubausiedlung in München) scheint zu enden. Quelle: dpa

Der massive Zinsanstieg verteuert den Kauf von Haus oder Wohnung. Was sind die Folgen? Werden Immobilien jetzt wieder bezahlbar? Die wichtigsten Antworten.

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Viele träumen vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung. Immer höhere Preise erschwerten es bereits in den vergangenen Jahren, diesen Traum umzusetzen. Nun kommen auch noch massiv steigende Kreditzinsen hinzu. Was sind die Folgen? In einem WiWo Coach Livetalk haben wir zum Thema gesprochen. 

Der WiWo Coach ist ein exklusives Ratgeberformat der WirtschaftsWoche, bei dem Abonnenten per E-Mail (coach@wiwo.de) Fragen zu den Themen Vorsorge, Geldanlage, Steuern, Recht und Karriere stellen können. Top-Expertinnen und -Experten – unsere WiWo Coaches – beantworten die Fragen. Fragen und Antworten werden im Anschluss anonymisiert veröffentlicht. Doch welche Fragen stellen sich nun mit Blick auf den Immobilienmarkt? Ein Überblick.

Die Preise steigen langsamer. Ist das der Anfang vom Ende des Booms?

Antwort: Das Statistische Bundesamt hat jüngst für das erste Quartal nochmal ein Preisplus von 12 Prozent bei Wohnungen, Ein- und Zwei-Familien-Häusern vermeldet. Allerdings hat sich der Preisanstieg in der Tat verlangsamt. 

Zum Vorquartal, also dem vierten Quartal 2021, sind die Kaufpreise nur noch um 0,8 Prozent gestiegen. In den Quartalen zuvor hatte dieser Wert – der Preisanstieg zum Vorquartal – jeweils bei drei bis vier Prozent gelegen. So betrachtet hat der Boom bereits kräftig an Fahrt verloren. 

Das deckt sich auch mit den Eindrücken von Maklern und Kreditvermittlern, die uns eindrücklich berichtet haben, dass sich die Lage fundamental verändert habe. Selbst im bisherigen Hotspot des Immobilienbooms, in München, wie eine Maklerin uns schilderte.

Bislang waren es vor allem Beobachtungen, nun belegen erstmals Daten eine Trendwende am Immobilienmarkt. Die massiv gestiegenen Kreditzinsen befeuern das Angebot und lassen die Nachfrage einbrechen.
von Niklas Hoyer

Und tatsächlich scheinen die Preise im zweiten Quartal nun teils schon gesunken zu sein, wie das Internetportal Immowelt jüngst berichtete. In sieben der 14 Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohnern hätten die Preise stagniert oder seien sogar leicht gesunken. Mieten hingegen seien sogar wieder stärker gestiegen. In dieser Folge des WiWo Coachs analysiert Marktexperte Reiner Braun, ob die Immobilienpreise jetzt deutlich sinken werden.

Sind die steigenden Zinsen der Hauptgrund für die aktuelle Entwicklung am Immobilienmarkt?

Antwort: Ja, der Zinsanstieg ist gerade wohl der wichtigste Faktor am Markt. Immobilienkredite mit zehnjähriger Laufzeit kosten schon über 3,3 Prozent Zins, bei 15 Jahren Laufzeit sind es 3,6 Prozent – das ist drei Mal so viel wie noch zum Jahreswechsel. Solche Zinsniveaus haben wir zuletzt vor zehn Jahren gesehen. Banken und Finanzmärkte berücksichtigen bereits die bevorstehende Zinswende. 

Die US-Notenbank Fed hat die Leitzinsen bereits erhöht. Bei der Europäischen Zentralbank soll am 21. Juli die erste Zinserhöhung stattfinden, wohl um wenigstens 0,5 Prozentpunkte. Mit höheren Zinsen wollen die Zentralbanken die massiv gestiegene Inflation bekämpfen. Die Chancen auf rasche Besserung bei den Zinsen sind also eher überschaubar, auch wenn der Markt schon einiges vorweggenommen hat.

Wie sehr verteuern die höheren Zinsen einen Immobilienkredit?

Antwort: Die immer noch relativ niedrig wirkenden Zinssätze können über die große Wirkung hinwegtäuschen. Ein Kredit über 300.000 Euro zum Beispiel, voll getilgt über 30 Jahre, würde bei durchgängig einem Prozent Zins nur 960 Euro an monatlicher Rate kosten. Bei drei Prozent Zins aber wären es schon 1260 Euro, also fast ein Drittel mehr. Bei fünf Prozent Kreditzins müssten Hauskäufer dann monatlich 1610 Euro einplanen. 

Die größten Finanzierungsfallen für Immobilienkäufer

Viele können sich einen Kauf, der vor ein paar Monaten noch machbar erschien, nun nicht mehr leisten. Zumal in vielen Haushaltsbudgets jetzt ohnehin weniger Luft ist, wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten. Außerdem sind Banken bei der Kreditvergabe strenger geworden, weil auch sie mit höheren Risiken am Immobilienmarkt rechnen.

Wie viel Eigenkapital muss ich als Käufer einbringen?

Antwort: Klassischerweise gelten 20 Prozent des Kaufpreises als Minimum, neben den Kaufnebenkosten. Beides sollte möglichst aus Eigenkapital, also Erspartem, gezahlt werden. Die Kaufnebenkosten (damit sind Posten wie Grundbuch, Notar, Makler und Grunderwerbsteuer gemeint) können sich durchaus auf zehn bis 20 Prozent des Kaufpreises belaufen. Insgesamt wäre also etwa ein Drittel der Bruttoinvestition aus eigenen Mitteln zu stemmen. Bei einem Objekt für 600.000 Euro wären das 200.000 Euro. 

Banken setzen bei ihren Berechnungen allerdings nicht den offiziellen Kaufpreis an, sondern einen Beleihungswert, der durchaus bis zu 40 Prozent niedriger liegen kann. In solch einem Fall kann der aus Eigenkapital zu stemmende Anteil noch größer sein – sonst würde die Bank Risikoaufschläge auf den Zins verlangen, weil der Kredit im Vergleich zu ihrem intern angesetzten Immobilienwert sehr hoch erscheint. Wie sich eine Immobilie ohne Eigenkapital finanzieren lässt, hat WiWo Coach Thomas Teske hier beschrieben

Die Immobilienpreise bröckeln, besonders bei Wohnungen im Dachgeschoss. Der Grund: Mehr Hitzetage und höhere Temperaturen im Sommer.
von Martin Gerth, Saskia Littmann

Immobilieninvestoren, die Haus oder Wohnung als Kapitalanlage kaufen, wählen teils gezielt niedrige Eigenkapitalquoten. Das hängt damit zusammen, dass sie Kreditzinsen von der Steuer absetzen können. Je höher der Kreditanteil, desto mehr Zins wirkt sich steuermindernd aus. Allerdings muss auch hier die Bank mitspielen.

Werden die Immobilienpreise wegen der Inflation nicht sogar steigen?

Antwort: Die Entwicklung von Preisen und Mieten ist nicht ganz einfach zu analysieren, weil verschiedene Einflussfaktoren teils in gegensätzlicher Richtung wirken. Grundsätzlich gilt: Immobilien sind ein Sachwert, der nicht beliebig vermehrbar ist. Damit bieten sie auch einen gewissen Inflationsschutz. Allerdings kann beispielsweise die Miete in der Regel nicht direkt an die Inflation angepasst werden. Das belastet bei hoher Inflation die Werte von Immobilien, weil ihr realer Ertrag nun sinkt. 

Direkt gilt das zwar nur für vermietete Immobilen. Indirekt betrifft es aber den Gesamtmarkt, weil Selbstnutzer letztlich vor dem gleichen Kalkül stehen: Schließlich haben theoretisch auch sie immer die Wahl zwischen Eigentum und Miete. Sinkt inflationsbedingt der reale Gegenwert einer Miete, wird Mieten im Vergleich zum Kauf attraktiver.

Hinzu kommt: Bei Inflation steigen klassischerweise die Zinsen. So wollen auch jetzt Zentralbanken die Zinsen erhöhen, um die Inflation wieder einzudämmen. Werden dann auch Kredite teurer, senkt das die Nachfrage von Käufern zusätzlich und drückt die Kaufpreise weiter.

Müssen wir jetzt mit einer Abwärtsspirale am Immobilienmarkt rechnen? Werden Immobilien wieder bezahlbar?

Antwort: So leicht ist es nicht, wie Reiner Braun in dieser Folge des WiWo Coachs beschrieben hat. Ein Argument, das dagegen spricht: In Deutschland haben Immobilienkredite in aller Regel einen festen Zins. Wer also bereits eine laufende Finanzierung hat, der muss jetzt nicht mehr bezahlen als vorher. Die steigenden Zinsen treffen nur all jene, die einen neuen Kredit aufnehmen wollen. Insofern wird es jetzt nicht massenhaft zu Notverkäufen kommen. Käufer, deren Kredit zeitnah ausläuft und die eine Anschlussfinanzierung brauchen, werden ihre bisherigen Kredite in der Regel vor zehn Jahren oder sogar noch früher abgeschlossen haben. Die damaligen Zinsen waren höher als jetzt, trotz des jüngsten Zinsanstiegs. Auch solche Eigentümer müssen also nicht mit einem plötzlichen Zinssprung und finanziellen Problemen rechnen. 

Die Hoffnung auf Schnäppchen am Immobilienmarkt dürfte sich noch aus einem anderen Grund nicht erfüllen: Selbst wenn die Preise nun stagnieren oder auch fallen sollten, läge das vor allem an den gestiegenen Zinsen. Der Vorteil durch einen etwas niedrigeren Kaufpreis würde dann durch den Nachteil beim Kredit, der nun teurer ist, aufgezehrt.

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Wie kann ich mich als Eigentümer vor den steigenden Zinsen schützen?

Antwort: Eigentümer sollten wissen, dass sie nach zehn Jahren Kreditlaufzeit immer ein Sonderkündigungsrecht haben, selbst wenn eigentlich eine deutlich längere Kreditlaufzeit vereinbart wurde. Meist wird sich der Umstieg auf einen neuen Kredit auch jetzt noch lohnen, weil das aktuelle Zinsniveau noch unter dem früheren liegt. In anderen Fällen können Immobilieneigentümer aber nicht einfach aus ihrem Kredit aussteigen. Wenn es doch geht (etwa beim Verkauf der Immobilie), verlangt die Bank meist zumindest Entschädigung für die entgangenen Zinseinnahmen (Vorfälligkeitsentschädigung). 

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Trotzdem müssen Eigentümer steigenden Zinsen nicht einfach zusehen, wenn sie in den kommenden Jahren eine Anschlussfinanzierung brauchen. Mit Forwardkrediten können sie sich im Voraus einen Kredit sichern, der Zins steht dann schon heute fest. Das geht bis zu fünf Jahre im Voraus. Beträgt der Vorlauf nur sechs bis 12 Monate, ist meist kein Zinsaufschlag fällig. Bei längerem Vorlauf lassen sich Banken oder andere Kreditgeber die zusätzliche Sicherheit hingegen bezahlen. Der Aufschlag beträgt zwischen 0,01 und 0,02 Prozentpunkte pro Monat. Bei fünf Jahren Vorlauf würden so etwa 0,5 bis 1,0 Prozentpunkte Zins zusätzlich fällig, auf den aktuellen Marktzins.

Forwardkredite sind allerdings eine Wette auf weiter steigende Zinsen. Ist der Zins – wider Erwarten – zum Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung sogar niedriger als heute, wäre der Forward ein schlechtes Geschäft. Denn es besteht eine Abnahmeverpflichtung.

Lesen Sie auch: Fallen jetzt die Immobilienpreise? Ein Eigentümer fragt, ob er sein Haus besser rasch verkaufen sollte. Ein Fall für den WiWo Coach.

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