Razzia bei Wohnungskonzern „Haben schon länger erwartet, dass die Staatsanwaltschaft mal genauer auf Vonovia guckt“

Ein Blick auf die Zentrale des deutschen Wohnungsunternehmens Vonovia in Bochum. Quelle: imago images

Eine Razzia in der Zentrale von Deutschlands größtem Wohnungskonzern sorgt für Aufmerksamkeit. Vonovia muss sich Korruptionsvorwürfen stellen. Berichten zufolge geht es um Auftragsvergaben an Bau- und Handwerksfirmen.

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Ermittler untersuchen Korruptionsvorwürfe bei Deutschlands größtem Wohnungskonzern Vonovia. „Heute haben die Ermittlungsbehörden bei uns Unterlagen eingesehen, da zum Schaden von Vonovia offenbar der Verdacht von mutmaßlich problematischen Vorgängen bei der Vergabe von Aufträgen an Nachunternehmer besteht“, erklärte der Immobiliengigant am Dienstagnachmittag. Die Staatsanwaltschaft Bochum erhebe offenbar Vorwürfe gegen einzelne Mitarbeitende auf der operativen Ebene im technischen Bereich.

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) und der WDR berichten, suchten die Ermittler nach Beweismitteln eines möglichen Korruptionsskandals. Vonovia-Mitarbeiter, so lautet der Verdacht, sollen sich bei der Vergabe von Handwerksaufträgen haben bestechen lassen. Auch überhöhte Abrechnungen nehmen die Ermittler ins Visier. Als Gegenleistung sollen sie Geld oder Sachleistungen erhalten und diese untereinander aufgeteilt haben.

SZ und WDR berichteten, dass Polizei und Steuerfahndung seit dem frühen Dienstagmorgen Vonovia wegen des Verdachts von Betrug, Bestechlichkeit und Korruption bei der Vergabe von Aufträgen durchsuchten. Die Ermittler durchsuchten mehr als 40 Wohnungen und Büros in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen. Vier Haftbefehle seien vollstreckt worden.

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Die Ermittlungen richten sich laut Staatsanwaltschaft „gegen mehrere (ehemalige) Mitarbeiter des in Bochum ansässigen Wohnungsunternehmens, Personen aus deren Umfeld sowie Verantwortliche mehrerer Unternehmen, die mit dem Wohnungsunternehmen in Geschäftsverbindung stehen oder standen“. Diese seien nach bisherigen Erkenntnissen „höchstens dem mittleren Management zuzuordnen“.

Nach dem Wechsel eines Beschuldigten zu einem süddeutschen Wohnungsunternehmen sollen die Verdächtigen der Staatsanwaltschaft zufolge bei dortigen Ausschreibungen ebenfalls wettbewerbsbeschränkende Absprachen getroffen haben, um so die Auftragsvergabe an ein bestimmtes Unternehmen zu erwirken. Geschädigt worden sei neben dem Bochumer Wohnungsriesen Vonovia auch noch ein in Süddeutschland ansässiger Wettbewerber. Weitere Details wollte die Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund laufender Ermittlungen nicht nennen. Auch zur Schadenshöhe machten die Ermittler keine Angaben.

Mieter bemängelten möglicherweise fragwürdige Abrechnung

Für Handwerks- und Serviceleistungen beschäftigt Vonovia nicht nur externe Handwerker, sondern auch solche von internen Tochterunternehmen wie etwa der Deutschen TGS. Vonovia verfolgt damit seine „Value-add-Strategie“ und ergänzt das Kerngeschäft um kundenorientierte Dienstleistungen, „die in engem Bezug zum Vermietungsgeschäft stehen“. Der Value-add-Bereich umfasse im Wesentlichen die Handwerker- und Wohnfeldorganisation, die Multimedia-Dienste, Energie- und Messdienstleistungen und Versicherungsdienstleistungen. „Mit der Möglichkeit, das gesamte Portfolio insbesondere der Instandhaltungs- und Modernisierungsdienstleistungen durch die eigene Handwerker- und Wohnumfeldorganisation abzudecken, erhöhen wir die allgemeine Attraktivität der Wohneinheiten sowie die Kundenzufriedenheit“, heißt es im Geschäftsbericht von Vonovia dazu. 2021 hatte der Value-add-Bereich einen Anteil von 6,5 Prozent am Gesamt-EBITDA von Vonovia und über 22 Prozent an den Segmenterlösen.

Mieterinnen und Mieter hatten im Vorfeld bereits möglicherweise fragwürdige Methoden bei der Abrechnung bemängelt. Knut Unger von der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen etwa verfolgt schon länger die Spur eines „gewinnbringenden System Vonovias“ und seiner Ansicht nach intransparente Abrechnungen: „Wir haben schon länger erwartet, dass die Staatsanwaltschaft mal genauer auf Vonovia guckt.“

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Vonovia sieht sich selbst als Geschädigte und erklärte am Dienstag, „sehr an einer schnellen und umfassenden Klärung der Vorwürfe interessiert“ zu sein. „Hierbei handelt es sich nach unseren ersten Informationen um einen finanziellen Schaden“, hieß es in der Stellungnahme des Bochumer Dax-Konzerns. Menschen seien ebenso wenig zu Schaden gekommen wie Gebäude.

An der Börse sorgten die Durchsuchungen für Unruhe bei den Anlegern. Die im Leitindex Dax enthaltene Vonovia-Aktie gaben 3,5 Prozent nach.

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