WirtschaftsWoche: Herr Depré, seit Jahresbeginn 2022 haben sich die Hypothekenzinsen mehr als verdoppelt. Welche Folgen hat das für die Bau- und Immobilienbranche?
Peter Depré: Die Verdoppelung der Bauzinsen hat Auswirkungen einerseits auf den Käufermarkt, zum Beispiel bei der Eigenheimfinanzierung, und anderseits auf den Verkäufermarkt, also etwa für Bauträger, die Grundstücke und Bauleistungen aus einer Hand anbieten und selbst finanzieren müssen. Auf der Käuferseite sind durch die Zinserhöhung vor allem Familien besonders belastet und zeigen sich bei Investitionen weniger entscheidungsfreudig, gerade vor dem Hintergrund, dass die Immobilienpreise immer noch hoch sind. Aber auch vermögende Anleger versuchen, die Preise zu drücken. Für Bauträger bedeutet das, dass sie schlechter abschätzen können, wann die Immobilie zu welchem Preis einen Käufer findet. So wird die eigene Finanzierung der Bauträger, die sich ebenfalls nach den neuen Zinssätzen richtet, noch teurer. Das verteuert dann im Endeffekt wieder die angebotenen Immobilien wie in einem Teufelskreis.
Ist das politische Ziel, deutlich mehr neuen Wohnraum zu schaffen, noch realistisch?
Solange die Prognose für die Zinsentwicklung und die damit verbundenen Finanzierungsrisiken unklar sind, geht es auch der Wohnungsbaubranche nicht gut. Um mehr neuen Wohnraum zu schaffen, brauchen Bauträger mehr unternehmerische Sicherheit von der Politik.
Noch wichtiger ist momentan die Finanzierungsseite. Wie reagieren die Banken auf das zunehmend negative Umfeld im Immobilienmarkt?
Infolge der Finanz- und Immobilienkrise 2008 in den USA wurden auch bei uns die Vorschriften zur Risikovorsorge für Banken verschärft. Die Finanzinstitute beachten daher auch das wirtschaftliche Umfeld bei ihrer Entscheidung: Zum Beispiel spielen bei der Kreditvergabe zur Finanzierung eines Eigenheims auch Faktoren eine Rolle, die nicht direkt mit der Immobilie zu tun haben, wie die zusätzliche Belastung durch erhöhte Energiekosten oder die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Noch tiefer geht die Prüfung bei der Finanzierung von Bauträgern: Hier sehen sich die Banken das Geschäftsmodell und den zu erwartenden Absatz der Immobilienobjekte genau an. In der aktuellen Situation stellen die Lieferkettenproblematik und damit verbundene preisliche sowie zeitliche Verschiebungen verschärfte Anforderungen an die Bauträger im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung. In der Konsequenz wird dies im Wesentlichen zu weniger Kreditzusagen oder höheren Zinssätzen führen, die die Bauträgertätigkeit einschränken werden.
Zur Person
Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Peter Depré ist Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein.
Weniger Aufträge, höhere Zinsen und steigende Kosten – wie kommen Bauträger damit klar?
Es ist eine schwierige Zeit für Bauträger, soweit sie nicht über genügend Eigenkapital verfügen. Je nachdem werden sie entscheiden müssen, ob sie bereits geplante Objekte aufgrund der gestiegenen Herstellungspreise und bei einem verunsicherten Käufermarkt noch realisieren. Die Banken werden das Risiko nicht tragen.
Rechnen Sie mit mehr Pleiten von Bauträgern?
Es gibt immer wieder Bauträger, die die Projekte nicht von Anfang an durchfinanzieren, sondern die Kosten aus dem Verkauf von früheren Projekten tragen. Ist ein Projekt aber nicht durchfinanziert oder finden sich keine Geldgeber, wird es zu Insolvenzen kommen. Hinzu kommt, dass vielleicht Käufer Zahlungen zurückhalten oder der Absatz stagniert. Dann können laufende Kosten wie Architekten- oder Handwerkerrechnungen nicht mehr bezahlt werden, was auch ein strafrechtliches Risiko darstellt. Mit einer Pleitewelle von Bauträgern ist allerdings nicht zu rechnen, da sie aktuell in aller Regel ihr Projektgeschäft an die veränderten Bedingungen anpassen können und die laufenden Projekte noch weitgehend durchfinanziert sind.
Trotzdem, wie können sich private Bauherren vor einer Insolvenz ihres Bauträgers schützen?
Private Bauherren sollten immer prüfen, ob die Leistungen für vertragliche Abschlagszahlungen auch wirklich erbracht worden sind und ob die vereinbarte Makler- und Bauträgerverordnung bzw. die Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) eingehalten werden. Auch sollten Zahlungen nur dann erfolgen, wenn der Käufer grundbuchrechtlich abgesichert ist. Ist der Bauträger in Form einer juristischen Person, also einer GmbH oder Aktiengesellschaft, tätig, bestehen für die Geschäftsleiter in einer Krise besondere Pflichten und Haftungskonsequenzen, die man im Schadensfall geltend machen kann.
Auf welche Warnzeichen sollten Bauherren achten?
Sollte der private Bauherr feststellen, dass verfrühte oder zu hohe Rechnungen gestellt werden, ist Vorsicht geboten. Gegebenenfalls besteht auch ein Zurückbehaltungsrecht, wenn am Bau keine Bauaktivitäten mehr stattfinden. Soweit möglich, sollte für die Bauphase bis zur Fertigstellung eine Erfüllungsbürgschaft beziehungsweise eine Baugarantieversicherung oder eine Baufertigstellungsversicherung vereinbart werden, für die Zeit nach der Fertigstellung eine Gewährleistungsbürgschaft oder ein Sicherheitseinbehalt. Das Abwicklungsgeschehen wird durch die Bauträgerbank stark beeinflusst. Diese entscheidet, ob der Vertrag rückabgewickelt wird, oder ob sie die Freigabe des Grundstücks erklärt.
Die größten Finanzierungsfallen für Immobilienkäufer
Wer seine finanzielle Belastungsgrenze für Zins und Tilgung überschätzt, gefährdet die gesamte Finanzierung. Die Monatsraten sollten ein Drittel der Einkünfte nicht übersteigen. Schließlich geht das Alltagsleben auch für Immobilienbesitzer weiter. Unvorhergesehene Ausgaben, etwa eine größere Autoreparatur, müssen problemlos bezahlbar bleiben. Dafür sind Reserven in Höhe von drei bis sechs Monatsgehältern empfehlenswert.
Quelle: Bausparkasse Schwäbisch-Hall, eig. Recherche
Stand: 2022
Bauherren sollten genau kalkulieren, ob sie mindestens zwei oder besser drei Prozent Tilgung im Monat stemmen können. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Rechnung: Spätestens bei Renteneintritt sollte die Immobilie abbezahlt sein. Die Bauzinsen sind zuletzt zwar gestiegen, die Zinsaufschläge für lange Kreditlaufzeiten von 20 oder gar 30 Jahren sind aber nicht besonders hoch. Eine möglichst lange Zinsbindung ist deshalb sinnvoll und sichert gegen einen weiteren Zinsanstieg ab.
Je mehr Eigenkapital in die Finanzierung eingebracht wird, desto weniger Geld muss sich der Kreditnehmer leihen. Als Faustregel gilt: Mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten (Bau-, Kauf- und Kaufnebenkosten) sollten Käufer aus eigenen Mitteln bestreiten können. Wer den Kreditbedarf unterschätzt, muss womöglich eine teure Nachfinanzierung in Kauf nehmen. Setzt man die Bedarfssumme dagegen zu hoch an, verlangen Banken eine Nichtabnahmeentschädigung.
Banken finanzieren sie nur ungern mit: Die Gesamtnebenkosten aus Grunderwerbsteuer, Gebühren für Notar und Grundbucheintrag sowie mögliche Maklerprovisionen können sich auf bis zu 15 Prozent des Kaufpreises summieren. Wer eine Immobilie im Wert von 300.000 Euro finanzieren will, sollte also bereits 45.000 Euro für die Nebenkosten angespart haben.
Guthaben aus Riester-Verträgen, Darlehen aus öffentlicher Hand, wie Kredite der KfW-Bank, oder auch Baugeld vom Bürgermeister können den Kreditbedarf senken. Zusätzlich kann es weitere Zuschüsse geben. Wer die besonders für Familien mit Kindern lukrative Wohn-Riester-Förderung oder das Baukindergeld nicht für die Finanzierung nutzt, verschenkt mitunter eine fünfstellige Summe. Oberländers Tipp: „Käufer sollten sich im Vorfeld gezielt nach Zulagen und Förderungen erkundigen.“
Gleichzeitig wird es auch für Privatleute schwieriger, ihren Traum vom Eigenheim angesichts steigender Zinsen und höherer Kosten zu realisieren. Erwarten Sie mehr Zwangsversteigerungen von notleidenden Privatimmobilien?
Durch die steigenden Energiepreise kann es in der Familienkasse bei engem Budget zu Störungen bei der Zahlung von Zins- und Tilgung kommen. Dann könnte es passieren, dass die Banken ihre Sicherheiten beanspruchen und die Zwangsversteigerung betreiben. Problematisch wird es für diese Privatleute dann, wenn sie eine Anschlussfinanzierung benötigen. Die Familienkasse wird dann nicht nur mit höheren Energiepreisen belastet, sondern auch mit steigenden Zinsen abhängig von der Lebenssituation. Dazu zählt der Job, das eigene Alter oder auch der Investitionsbedarf für die als Sicherheit dienende Immobilie.
Wie lassen sich spätere Finanzierungsprobleme vermeiden?
Die Entscheidung, ein Familienheim zu bauen, trifft man immerhin in der Regel nur einmal im Leben. Dafür erfordert es allerdings eine gewisse finanzielle Stabilität und vielleicht auch Mobilität: Wer bereit ist zu pendeln, hat es mit den Preisen im ländlichen Bereich leichter. Wer aber schon Probleme hat, seine monatliche Miete zu zahlen, wird kaum die Bau- und Finanzierungsrisiken für ein Eigenheim schultern können. Klar ist, wer sich zum Bauen entschließt, geht Verpflichtungen und Risiken ein, die man als Mieter nicht tragen muss.
Lesen Sie auch: Seit Januar ist Baugeld deutlich teurer geworden. Für viele Käufer platzt damit der Traum vom eigenen Haus – und die Lage dürfte sich weiter verschärfen.