Die Deutschen haben Angst um ihren Immobilienkredit – zumindest, wenn es nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Yougov und des Internetportals ImmoScout24 geht. Steigende Baufinanzierungszinsen in Kombination mit höheren Ausgaben durch die anhaltende Inflation schmälern das verfügbare Einkommen. Etwa die Hälfte der Befragten fürchtet, sich die Anschlussfinanzierung ihre Immobilie bei steigenden Zinsen nicht mehr leisten zu können. Das Problem dürfte in den kommenden Jahren noch zunehmen, wenn erste Kredite mit deutlich niedrigeren Zinsen als heute auslaufen – vor allem aus den Jahren 2014 bis Ende 2021.
Auch Kai Weber, Baufinanzierungsspezialist beim Kreditvermittler Dr. Klein, kennt diese Angst. „Ich habe bisher aber noch nicht erlebt, dass ein Immobilienkredit allein wegen der gestiegenen Preise geplatzt ist“, sagt er. Dennoch sollten Schuldner das Thema frühzeitig angehen, um ihre Handlungsalternativen auszuschöpfen. „Das Schlechteste, was man machen kann, ist das Thema zu ignorieren.“
Denn das führt schlimmstenfalls zur Zwangsversteigerung, bei der in der Regel niedrigere Preise erzielt werden als bei einem klassischen, privaten Verkauf. „Banken haben ein Interesse daran, dass der Immobilienkredit nicht platzt“, sagt Weber. „Sie sind deshalb in vielen Fällen kooperativ.“ Selbst wenn man die Immobilie tatsächlich aufgeben müsste, seien einige bereit, Zeit für einen klassischen Verkauf einzuräumen, statt das Objekt auf einer Zwangsversteigerung zu veräußern.
Einsparpotenzial prüfen
So weit muss es aber nicht kommen. „Wer merkt, dass das Geld am Monatsende knapp wird, sollte zunächst einen Kassensturz machen“, rät Weber. Kommt das Finanzloch wirklich nur von teureren Preisen? Oder hat sich das eigene Konsumverhalten verändert? Wo gibt es Einsparpotenzial? „Viele sind bei ihren eigenen Haushaltausgaben blind geworden“, sagt der Baufinanzierungsspezialist. Oftmals ließe sich aber gerade da sparen. Das kann beispielsweise ein teures Abo eines Streamingdienstes sein, genauso wie ein Sparplan, den man vorübergehend aussetzt.
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Zu der Rechnung gehört auch, bestehendes Vermögen zu prüfen. Lebensversicherung, Sparguthaben und Co. sind alles Posten, die man auflösen oder vorübergehend aussetzen kann. Im Rahmen einer Sondertilgung lässt sich so die Kreditsumme senken – und anschließend kann die Bank die Rate anpassen, ohne dass der Schuldner sein Darlehen verlängern muss. „Das würde ich immer vorziehen, statt den Kredit platzen zu lassen“, sagt Weber.
Die größten Finanzierungsfallen für Immobilienkäufer
Wer seine finanzielle Belastungsgrenze für Zins und Tilgung überschätzt, gefährdet die gesamte Finanzierung. Die Monatsraten sollten ein Drittel der Einkünfte nicht übersteigen. Schließlich geht das Alltagsleben auch für Immobilienbesitzer weiter. Unvorhergesehene Ausgaben, etwa eine größere Autoreparatur, müssen problemlos bezahlbar bleiben. Dafür sind Reserven in Höhe von drei bis sechs Monatsgehältern empfehlenswert.
Quelle: Bausparkasse Schwäbisch-Hall, eig. Recherche
Stand: 2022
Bauherren sollten genau kalkulieren, ob sie mindestens zwei oder besser drei Prozent Tilgung im Monat stemmen können. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Rechnung: Spätestens bei Renteneintritt sollte die Immobilie abbezahlt sein. Die Bauzinsen sind zuletzt zwar gestiegen, die Zinsaufschläge für lange Kreditlaufzeiten von 20 oder gar 30 Jahren sind aber nicht besonders hoch. Eine möglichst lange Zinsbindung ist deshalb sinnvoll und sichert gegen einen weiteren Zinsanstieg ab.
Je mehr Eigenkapital in die Finanzierung eingebracht wird, desto weniger Geld muss sich der Kreditnehmer leihen. Als Faustregel gilt: Mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten (Bau-, Kauf- und Kaufnebenkosten) sollten Käufer aus eigenen Mitteln bestreiten können. Wer den Kreditbedarf unterschätzt, muss womöglich eine teure Nachfinanzierung in Kauf nehmen. Setzt man die Bedarfssumme dagegen zu hoch an, verlangen Banken eine Nichtabnahmeentschädigung.
Banken finanzieren sie nur ungern mit: Die Gesamtnebenkosten aus Grunderwerbsteuer, Gebühren für Notar und Grundbucheintrag sowie mögliche Maklerprovisionen können sich auf bis zu 15 Prozent des Kaufpreises summieren. Wer eine Immobilie im Wert von 300.000 Euro finanzieren will, sollte also bereits 45.000 Euro für die Nebenkosten angespart haben.
Guthaben aus Riester-Verträgen, Darlehen aus öffentlicher Hand, wie Kredite der KfW-Bank, oder auch Baugeld vom Bürgermeister können den Kreditbedarf senken. Zusätzlich kann es weitere Zuschüsse geben. Wer die besonders für Familien mit Kindern lukrative Wohn-Riester-Förderung oder das Baukindergeld nicht für die Finanzierung nutzt, verschenkt mitunter eine fünfstellige Summe. Oberländers Tipp: „Käufer sollten sich im Vorfeld gezielt nach Zulagen und Förderungen erkundigen.“
Bleibt die Lücke, sollten Kreditnehmer das Gespräch mit ihrer Bank suchen, rät der Experte. Diese kann beispielsweise die Tilgung vorübergehend aussetzen oder zusätzlich den Kredit stunden, also auch die Zinszahlung verschieben. Beides sei meist für sechs Monate üblich, so Weber, in manchen Fällen genehmige die Bank auch einen längeren Aufschub. Eine Alternative ist es, den Tilgungssatz zu reduzieren und die Laufzeit dafür zu verlängern. „Das sind alles minimalinvasive Maßnahmen“, sagt der Baufinanzierungsexperte. „Sie wirken sich nicht auf die Schufa aus.“
Günstig umschulden
Eine saubere Schufa ist unerlässlich, vor allem wenn man eine Umschuldung in Betracht zieht. Das ist der Wechsel zu einem neuen Kreditinstitut, wenn die Zinsbindung im bisherigen Immobilienkredit ausläuft – oder der Ausstieg dort möglich ist. Ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht besteht dabei nach zehn Jahren Laufzeit, mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist. Ansonsten ist eine Kündigung meist nur möglich, wenn die Bank mitspielt – und dann gegen Zahlung einer Entschädigung an die Bank (Vorfälligkeitsentschädigung). „Im aktuellen Zinsumfeld würde ich eine frühzeitige Umschichtung aber sowieso nicht empfehlen“, sagt Weber. Denn günstiger als im bestehenden Kredit wird es anderswo kaum werden.
Wenn die Sollzinsbindung bald ausläuft, sollten Kreditnehmer bei Mitbewerbern anfragen, welche Konditionen sie bekommen können. Zwar könnte die Kreditaufnahme bei anderen Banken schwierig werden, wenn die Immobilie an Wert verloren hat und die Bank deswegen Risikoaufschläge beim Zins verlangt. Noch ist das aber eher ein theoretisches Risiko: Auch wenn die Immobilienpreise im Laufe des Jahres fallen könnten, so liegen sie in den meisten Fällen noch deutlich über dem Niveau, zu dem der Kredit abgeschlossen wurde. Außerdem ist ja ein Teil des Darlehens bereits getilgt. Damit sinkt der Beleihungsauslauf, also das Verhältnis von Darlehenshöhe zum Beleihungswert der Immobilie und die Kreditbedingungen verbessern sich. Natürlich können sie auch bei ihrer Hausbank bleiben: Der bisherige Kreditgeber überprüft bei einer Anschlussfinanzierung den Immobilienwert und die Bonität normalerweise nicht neu. Das kann teils dafür sprechen, ihm die Treue zu halten.
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