Stelter strategisch
Sanierter neben einem unsanierten Altbau im Ost-Berliner Stadtbezirk Friedrichshain: Wird der Wohnungsmarkt durch staatliche Einmischung besser? Quelle: imago images

„Mehr Kommunismus wagen“ ist erst der Anfang

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Die Mieten steigen - und schon wird mehr Kontrolle durch die Regierung, ja sogar mehr staatliches Wohneigentum gefordert. Wer glaubt, sein Vermögen durch Immobilienbesitz zu retten, sollte endlich aufwachen.

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Erinnern Sie sich noch an den Zustand ostdeutscher Städte vor der Wiedervereinigung? Teils schöne, alte Gebäude, verfallen und verwahrlost. Seit Jahrzehnten wurde nicht mehr investiert, es gammelte alles vor sich hin.

Die Ursache liegt auf der Hand. Es war der Mangel an Baumaterialien und Handwerkern. Vor allem aber war es eine wirtschaftliche Entscheidung der Eigentümer. Die Mieten waren gedeckelt, weit unter jedes wirtschaftliche Niveau gedrückt und deshalb blieb den Eigentümern keine andere Wahl, als auf Investitionen zu verzichten. Kann man gut verstehen, soll man denn noch gutes Geld schlechtem hinterherwerfen?

Wohnen wird teurer

Liegt doch lange zurück, mag man da denken. Heute sehen ostdeutsche Städte (Ausnahmen wird es sicherlich geben) wieder schnieke aus und die Altbauwohnungen sind heiß begehrt. Allerdings ist Wohnen deutlich teurer als früher und gerade in den Ballungszentren, die von wachsender Wirtschaft und anhaltender Zuwanderung profitieren, sind in den letzten Jahren die Mieten erheblich gestiegen. Hinzu kommt der wirtschaftliche Aufschwung, der sogar in Städten wie Berlin die Einkommen steigen lässt. Das führt zu einer Verdrängung der „alteingesessenen Bevölkerung“, die sich die Mieten in bestimmten Gegenden nicht mehr leisten kann oder will.

Ein Ärgernis für Mieter und damit ein wichtiges Thema für die Politik. Man braucht keinen Mathematikleistungskurs, um auszurechnen, dass wesentlich mehr Wähler Mieter als Eigentümer sind. Wohnimmobilien waren schon immer ein politisches Thema und der Markt funktioniert schon lange nicht mehr in diesem Bereich. Folgendes sollte den überzeugtesten Immobilienanleger zu denken geben.

von Niklas Hoyer, Martin Gerth, Matthias Kamp

Die Regierung arbeitet an einer Verschärfung der Mietpreisbremse und will die Modernisierungsumlage kürzen. Statt bisher elf Prozent soll diese nur noch acht Prozent betragen. Harmlos denkt man? Nun, lassen Sie uns kurz rechnen.

Modernisierungsumlage mit Mietspiegel-Bremse

Nehmen wir an, Sie modernisieren das Bad in der von Ihnen vermieteten Eigentumswohnung. Diese Modernisierung kostet 10.000 Euro und nach derzeitiger Regelung können Sie 1100 Euro davon auf den Mieter umlegen, macht eine Erhöhung der Monatsmiete um rund 92 Euro. Auf den ersten Blick sieht das nach einer attraktiven Verzinsung aus. Immerhin elf Prozent vor Steuern.

Bei genauerer Betrachtung kommt man aber ins Grübeln. Wenn die Miete heute schon im Rahmen des Mietspiegels liegt, dürfen Sie zwar die Miete darüber hinaus erhöhen, doch spätestens in drei Jahren, wenn die nächste Mieterhöhung möglich wäre, haben Sie ein Problem. Zwar sind die Mieten auch nach Mietspiegel gestiegen, doch lediglich auf das Niveau, auf dem sie schon liegen. Sie dürfen also nicht weiter erhöhen. Damit haben Sie genau drei Jahre, in denen Sie ihre Investition zurückverdienen müssen. Danach sind sie nämlich auf dem Mietniveau, welches Sie auch ohne Modernisierung realisiert hätten. 36 Monate à 92 Euro ergeben jedoch nur 3.312 Euro. Die anderen 6.688 Euro bekommen sie nicht zurück.

Natürlich ist es eine vereinfachte Betrachtung. Vermutlich wäre es ohne eine Modernisierung des Bades irgendwann schwer, die Miete nach Mietspiegel durchzusetzen. Solange aber der Markt wie heute durch eine Übernachfrage gekennzeichnet ist, ist es bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung keine gute Idee zu modernisieren. Senkt man die Umlage auf acht Prozent erst Recht nicht.

Dabei ist das Bad noch ein gutes Beispiel, weil der Mieter es im Zweifel als eine Verbesserung empfindet. Die politisch gewünschte Wärmedämmung hingegen bedeutet ein Verlustgeschäft für Mieter wie Vermieter.

Anders ist es natürlich in den Fällen, wo die Ist-Miete so weit unter dem Mietspiegel liegt, dass es quasi nur über Modernisierungen möglich ist, die Lücke rasch zu schließen. Diese führen zu der Kritik und statt sich auf diese Fälle zu konzentrieren, macht die Politik lieber allen Investoren das Leben schwer.

DDR kommt nicht wieder?

Doch damit nicht genug. Spiegel Online (SPON) geht bei der Besprechung einer Talk Show zum Thema sogar so weit zu fordern, „mehr Kommunismus zu wagen.“ Auf nach Ostberlin kann man da nur sagen. Und tatsächlich ist es so gemeint!

In diesen zehn Städten sind Mieter im Vorteil
Rostock Quelle: imago images
Frankfurt am Main Quelle: imago images
Düsseldorf Quelle: imago images
Potsdam Quelle: imago images
Kiel Quelle: imago images
Freiburg Quelle: imago images
Hamburg Quelle: imago images

In der Tat stellt SPON fest, dass alle Vertreter der Bundespolitik in der Talk Show nichts Vernünftiges gesagt hätten. Stattdessen dann dies: „Kein Wunder, dass der Star der Plasberg-Runde kein Minister oder Bundestagsabgeordneter war, sondern ein Lokalpolitiker, der vor Ort konkrete Maßnahmen ergreift: Florian Schmidt, grüner Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, der in den Berliner Kiezen Grundsätzliches plant: Per Vorkaufsrecht will er erreichen, dass in 20 Jahren die Hälfte des Wohnungsbestandes landeseigenen Unternehmen bzw. Genossenschaften gehört, damit sind Mieterinnen und Mieter vor Spekulation, Luxussanierung und Umwandlung in Eigentum geschützt.“ Und weiter: „Der linke Grüne, eine seltene Spezies, die es so nur noch in Berlin gibt, ist auf einem guten Weg - seit 2015 hat der Bezirk so fast 1000 Wohnungen angekauft, wöchentlich werden es mehr. Statt einer Neuauflage der Mietpreisbremse, an der die Regierungskoalition zur Zeit herumdoktert und die "von der nächsten Regierung wieder gekippt" werde, so Schmidt, brauche das Land in Sachen Wohnen "dauerhaft stabile Verhältnisse".“

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