Steuerreform Der unendliche Grundsteuermurks zerstört Vertrauen

Die neuen Regeln für die Grundsteuer sorgen weiter für Unsicherheit. Quelle: imago images

Eine Fristverlängerung bei Grundsteuererklärungen sollte die Reform retten. Doch das Chaos nimmt kein Ende. Steuerberater empfehlen nun sogar, sofort Einspruch gegen Bescheide einzulegen. Ein Kommentar.

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Auf den letzten Drücker wurde die Frist für die Abgabe der Grundsteuererklärungen verlängert, von Ende Oktober auf Ende Januar. „Die Belastung ist zu groß. Wir müssen Raum geben“, hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Schritt begründet. Es ist ein Megaprojekt, bei dem es um die laufend zu zahlende Steuer für 36 Millionen Grundstücke in Deutschland geht. Und es ist ein Megaaufreger, weil von Anfang an schiefgeht, was schiefgehen kann. 

Die Fristverlängerung soll es nun richten. Doch daraus wird wohl nichts. Die neueste Eskalationsstufe: Steuerberater rufen dazu auf, pauschal gegen Bescheide zur Grundsteuer Einspruch einzulegen, sobald diese eintreffen. Begründung: Es seien einige Rechtsfragen ungeklärt. Das Risiko, in Zukunft zu viel Steuer zahlen zu müssen, sei viel zu groß.

Es ist ein weiteres Kapitel in einer unrühmlichen Geschichte. Erst brach im Juli das Onlineportal der Finanzverwaltung zusammen, weil zu viele Eigentümer gleichzeitig ihre Grundsteuererklärungen abgeben wollten. Dabei war der Rücklauf an Erklärungen eigentlich noch zu gering. Dann wurde zunehmend Unmut laut, weil die Onlineformulare reichlich kryptisch sind. Vor allem in all jenen Bundesländern, die sich für ein vom Bund entwickeltes Modell zur Grundsteuer entschieden hatten und keine eigenen, abweichenden Berechnungsmodelle nutzen.

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von Melanie Köstler

Ein Beispiel gefällig? Da werden etwa Wohnungseigentümer nach der Fläche des Grundstücks gefragt. Geben sie aber die Fläche des Grundstücks an, können sie ihre Grundsteuererklärung nicht abgeben. Warum? Das beantwortet eine kryptische Fehlermeldung kaum. Es kostet dann reichlich Nerven, herauszufinden, dass an der Stelle nicht die Fläche des Grundstücks gefragt ist, sondern nur der Miteigentumsanteil am Grundstück.

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Und selbst wenn die Grundsteuererklärung ohne Fehlermeldung durchläuft, ist das keine Garantie für ihre Richtigkeit. So sollen Eigentümer Wohnflächen selbst angeben. Auf welcher Basis? Wie berechnet? Normalerweise sind die Regeln der Wohnflächenverordnung einschlägig. Doch schon die können komplex sein, wenn es um Kellerräume oder Flächen mit Dachschrägen geht. Viele Eigentümer sind überfordert. Das Risiko falscher Angaben ist groß. Wer zu viel Fläche angibt, zahlt dann später zu viel.

Das ist ein weiteres Problem: Nach Abgabe der Grundsteuererklärungen kommen erste Bescheide. In Bundesländern mit dem Bundesmodell sind es der Grundsteuerwertbescheid und der Grundsteuermessbescheid. Doch wie viel Grundsteuer künftig fällig wird, ist darin nicht zu lesen. Dafür müssen Gemeinden erst ihre Hebesätze festlegen. Das dauert noch. Die Grundsteuer nach den neuen Regeln wird erst von 2025 an erhoben. So werden viele Eigentümer die Bescheide einfach abheften und abwarten. Doch das könnte sich rächen. Für Einsprüche gegen die jetzt verschickten Bescheide ist es in einigen Jahren viel zu spät, selbst wenn Fehler vorliegen. Denn dafür bleibt nur ein Monat Zeit, nach Zugang der Bescheide.

Eben wegen dieses steuerlichen Blindflugs und rechtlicher Unsicherheit in Detailfragen raten besagte Steuerberater nun dazu, pauschal Einspruch gegen die aktuellen Bescheide einzulegen. So bleibe dann mehr Zeit, um beispielsweise den Grundsteuerwert zu überprüfen. Der Einspruch könne später auch wieder zurückgezogen werden, wenn Änderungen doch nicht nötig sind.

Die Grundsteuerreform verkommt zu einer unendlichen Geschichte. Der ewige Murks zerstört das ohnehin ramponierte Vertrauen in den Steuerstaat. Ein Happy End? Leider nicht in Sicht.

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