Straßenausbaubeitrag Städte dürfen zur Erhebung von Straßenbeiträgen verpflichtet werden

Ob Wohnungs- oder Hauseigentümer Straßenausbaubeiträge zahlen müssen, hängt vom Bundesland oder der jeweiligen Gemeinde ab. Quelle: dpa

Straßenausbaubeiträge sind ein teures Ärgernis für Hausbesitzer. Die hessische Stadt Schlitz weigerte sich, Straßenausbaubeiträge zu verlangen und wurde verklagt. Zu Recht, entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht.

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Straßenausbaubeitrag ist ein sperriges Wort, das für Hausbesitzer sogar existenzgefährdend werden kann. Zum Beispiel, wenn ein Ehepaar mit durchschnittlichem Einkommen auf einmal 217.000 Euro bezahlen soll. So geschehen in Schleswig-Holstein. Ein besonders krasser Fall. „Sechsstellige Beträge sind nicht die Regel, aber Abgaben, die höher als 10.000 Euro sind, auch keine Ausnahme“, ordnet Alexander Blazek, Geschäftsführer des Landesverbands Haus & Grund in Schleswig-Holstein, ein.

In Deutschland gibt es keine einheitliche Regelung. Ob Wohnungs- oder Hauseigentümer Straßenausbaubeiträge zahlen müssen, hängt vom Bundesland oder der jeweiligen Gemeinde ab. In den 16 Ländern geht einer Umfrage der Deutschen-Presse-Agentur aus dem Februar zufolge der Trend dahin, die umstrittenen Beiträge abzuschaffen, zu deckeln oder durch wiederkehrende Beiträge deren Höhe zumindest geringer zu halten. Keine Straßenausbaubeiträge erheben derzeit Hamburg, Bayern, Berlin und Baden-Württemberg sowie die Stadt Bremen (im Gegensatz zu Bremerhaven). Drei Länder wollen sie rückwirkend abschaffen: Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thüringen. Vier Länder überlassen eine Erhebung – teils unter Vorgaben – den Kommunen: Schleswig-Holstein, Sachsen, Hessen und das Saarland.

Beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde am Mittwoch ein Fall aus Hessen verhandelt. Die hessische Stadt Schlitz hatte sich gegen eine Anordnung der Kommunalaufsicht zur Einführung einer Straßenbaubeitragssatzung gewehrt. Das BVG-Urteil schmetterte den Einwand jedoch ab. Städte und Gemeinden können von der Kommunalaufsicht dazu verpflichtet werden, Straßenausbaubeiträge zu erheben, entschied das Gericht. Befolge eine Kommune nicht die landesrechtlichen Vorgaben für eine entsprechende Beitragssatzung, dürfe die Aufsichtsbehörde sie dazu anweisen. Das sei mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung vereinbar, heißt es laut Mitteilung. Damit blieb die Stadt in dem Revisionsverfahren ohne Erfolg.

Widerstand gegen die Straßenausbaubeiträge

Dort, wo Straßenausbaubeiträge noch verlangt werden können, regt sich vehementer Widerstand gegen die Gebühren. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen unterstützten fast eine halbe Million Unterzeichner eine Initiative zur Abschaffung der Beiträge. Die CDU/FDP-Koalition in Düsseldorf möchte die Bürger entlasten, es soll keine Extremfälle mehr geben. Die Beiträge sollen „gedeckelt“ werden. Die Landesregierung will, dass das Kommunalabgabengesetz noch in diesem Jahr novelliert wird. Am 7. Juni findet zunächst im Bau- und Verkehrsausschuss des Landtags eine Expertenanhörung zu den Auswirkungen des Beitrags vor Ort statt.

Rheinland-Pfalz will an SAB festhalten, aber Härten mildern. In Sachsen-Anhalt liegt das Thema auf Eis: Nach langem Streit konnte sich die Koalition von CDU, SPD und Grünen nicht auf einen Kompromiss zur Abschaffung einigen. In Niedersachsen will die SPD/CDU-Koalition Ende 2019 eine gemeinsame Position finden.

Der Interessenverband der Hausbesitzer, Haus & Grund, fordert die vollständige Abschaffung. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum für gemeindliche Straßen lediglich die anliegenden Grundstückseigentümer herangezogen werden sollen, wenn doch allen Bürgern die Benutzung dieser Straßen als Infrastruktur offen steht“, sagt Verbands-Präsident Kai Warnecke.

Landesgeschäftsführer Blazek meint: „Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen werden aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert – nur bei Anliegerstraßen werden die Eigentümer zur Kasse gebeten, das ist dem Bürger nicht mehr vermittelbar.“ Anlieger hätten ihre Straßen zudem bereits mit den sogenannten Erschließungsbeiträgen bezahlt.

Eine Alternative sind sogenannte wiederkehrende Beiträge. Dabei ist das Gebiet, in dem sie erhoben werden, größer. Die Beiträge werden über Jahre gestreckt und sind deshalb nicht so hoch. „Allerdings ist diese Form der Beiträge komplizierter, bürokratischer und damit streitträchtiger“, sagt Blazek. Eigentümer wüssten oftmals gar nicht, wofür sie diesen Beitrag zahlen sollen, weil die erneuerte Straße in einem anderen Teil der Gemeinde liege. Mit dieser Begründung kippte das Verwaltungsgericht Schleswig im Januar (Aktenzeichen 9 A 55/17 und 9 A 258/17) eine Satzung der Gemeinde Oersdorf (Kreis Segeberg).

Allein in Schleswig-Holstein sind 107 Verfahren vor Gericht. Auch in anderen Ländern ist die Justiz belastet. In Rheinland-Pfalz gab es im vergangenen Jahr 140 Verfahren und 250 in der brandenburgischen Stadt Cottbus. Neben dem juristischen Streit stehen Aufwand und Ertrag der Abgabe in manchen Kommunen in keinem Verhältnis.

Das Problem entschärfen könnte - neben einer Abschaffung – eine Finanzierung der Straßen über die Grundsteuer. Dies träfe Mieter und Eigentümer gleichermaßen, denn Straßenausbaubeiträge könnten nicht auf die Mieter umgelegt werden und rechtfertigten auch keine Mieterhöhung, sagt Blazek. Die Grundsteuer muss ohnehin bis Ende des Jahres auf eine neue Berechnungsgrundlage gestellt werden, hat das Bundesverfassungsgericht der Politik aufgegeben.

Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) sprach sich Ende 2016 dafür aus, die Grundsteuer leicht anzuheben: „Der Verwaltungsaufwand wäre gleich Null, und die Finanzierung würde auf eine breite Basis gestellt.“ Inzwischen hat Kiel die Straßenausbaubeiträge abgeschafft.

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