Teuer und gefährlich Fassadendämmung wird zum Brandbeschleuniger

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Energetisch und bauphysikalisch Unfug

Tipps zum Sparen von Heizkosten
Heiztemperatur richtig wählen Quelle: dpa
Temperaturabsenkung bei Abwesenheit Quelle: dpa
Türen, Fenster und Rolllädenkasten abdichten Quelle: dapd
Heizkörper entlüften Quelle: Ewald Fröch - Fotolia.com
Gerade der Brenner von Heizungsanlagen – gemeinhin Heizkessel genannt – muss regelmäßig eingestellt werden, Quelle: Kadmy - Fotolia.com
Heizkörper frei lassen, zur Wand isolieren Quelle: dpa
Thermostat digitale Temperaturregelung Quelle: sugar0607 - Fotolia.com

Laut Schächer nehmen die Brandgefahren der EPS-Dämmung mit steigender Dicke der Dämmschicht zu. Lange waren Dämmschichten bis zu einer Stärke von sechs Zentimetern üblich. Aber seit etwa fünf Jahren sei die Dämmung auf den Häusern mindestens zehn Zentimeter dick. "In Frankfurt waren sogar 22 Zentimeter dicke Platten auf der Fassade. Umgerechnet auf den Ölanteil im Polysterol entspricht das pro Quadratmeter Fassadendämmung viereinhalb Liter Öl, statt wie früher ein Liter Öl bei sechs Zentimeter Dämmschicht", sagt der Brandschutzexperte. "So viel Öl bekommt man nicht gelöscht, wenn es einmal brennt. Die Brandriegel werden einfach überlaufen. Das einzige, was den Brand in Frankfurt kontrolliert hat, war der Wind." Schächer geht wegen des Trends zu immer dickerer Wärmedämmung davon aus, dass die Zahl dramatischer Fassadenbrände weiter ansteigen wird.

Realitätsferne Prüfung

Die Dämmindustrie zieht sich darauf zurück, dass die Dämmstoffe den Vorschriften und Prüfnormen entsprechen und einer fortlaufenden Qualitätskontrolle unterliegen. Dabei werden auch die bestimmungsgemäßen Brandtests durchgeführt. Aber erhebliche Zweifel an der Tauglichkeit der Prüfnormen gibt es bereits seit einigen Berichten des NDR aus dem Jahr 2011. Ingenieur Schächer kann das bestätigen: "Die einschlägige Vorschrift ist abenteuerlich. Geprüft wird nur mit einer Dämmstoffdicke von sechs Zentimetern und einem 'bestimmungsgemäßen' Brand. Wie eine dickere Dämmschicht reagiert, wird nur rechnerisch ermittelt. Und typische Brandfälle wie etwa die brennende Mülltonne - also ein Brandherd außerhalb des Gebäudes - bleiben bei den Prüfungen außen vor. Dort geht es nur um Zimmerbrände, bei denen Flammen aus den Fenstern schlagen."

Wo es die schönsten Altbauten gibt
Alte GemäuerHistorische Gebäude sind bei den Deutschen beliebt. Wie sehr die Bundesbürger ihre Fachwerk- und Backsteinschätzchen lieben, zeigt jetzt eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Immobilienunternehmens Pantera. Vor allem die Fassade hat es den Menschen (71 Prozent) angetan. Gerade Frauen zeigen sich begeistert von baulichen Besonderheiten wie den Stuck, einem Erker oder Sprossenfenstern. Quelle: dpa
InnenstadtoasenFür viele gehören historische Immobilien zum Stadtbild - 84 Prozent der Deutschen wünschen sich bei Innenstadt-Sanierungen die Restaurierung alter Gebäude statt Neubauten. 79 Prozent befürworten außerdem Steuervergünstigungen bei Modernisierungsarbeiten. Gerade in Städten wie Berlin gilt das Restaurieren von Altbauten als gute Investition. Lange Zeit stand das denkmalgeschützte Haus Cumberland (Bild) am Kurfürstendamm leer. Ende 2012 sollen die Sanierungen abgeschlossen und neue Mieter eingezogen sein. Quelle: dpa
Steuervorteil und MieterlustDie Investition in eine alte Immobilie kann sich durchaus lohnen. Die Umfrage zeigt, dass vier von zehn Deutschen grundsätzlich bereit sind, für das Wohnen im denkmalgeschützten Gebäude mehr Miete zu bezahlen. Das trifft besonders auf Bewohner von Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern zu (47 Prozent). Beim Kauf einer historischen Immobilie würden immerhin 31 Prozent einen höheren Preis akzeptieren. Zusätzlich lockt der Staat mit Steuervorteilen bei der Sanierung von denkmalgeschützten Häuser. Vor allem in zentralen Lagen in der Stadt und bei Vermietung kann die Rechnung bei einem Kauf aufgehen. Nicht alles lassen die Interessenten den alten Objekten aber durchgehen. Einen schlechteren Energiesparstandard akzeptieren Bundesbürger auch in Altbauten nicht. 53 Prozent befürworten allerdings staatlichen Hilfen wie günstige Kredite oder Zuschüsse, um energiesparende Investitionen umzusetzen. Quelle: dpa
Zentrale LageGerade in Großstädten - wie hier in Berlin - finden sich ganze Viertel mit Wohnhäusern aus der Gründerzeit. Doch nicht allen Städten gelingt es in den Augen der Bevölkerung gleichermaßen, die historische Bausubstanz zu erhalten. Quelle: dpa
RankingDie Allensbach-Umfrage zeigt, welche Städte sich für die Erhaltung der historischen Bausubstanz ins Zeug legen. Düsseldorf - hier ein Bild des modernen Medienhafens - gehört nicht dazu. Nur fünf Prozent der Befragte glauben, dass die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen gute Arbeit beim Erhalt historischer Bauten leistet. Im Vorjahr waren es noch sieben Prozent. Quelle: obs
StuttgartDas Stuttgarter Schloss erscheint dem Besucher im guten Zustand. Das gilt nicht für alle historischen Gebäude in der baden-württembergischen Hauptstadt, glauben die Deutschen. Nur acht Prozent beurteilen den Umgang mit denkmalgeschützten Immobilien als gelungen. Quelle: dpa
Main-MetropoleFrankfurt ist bekannt für seine Hochhäuser-Skyline. Die historischen Immobilien machen auf die Bundesbürger jedoch keinen guten Eindruck - nur neun Prozent glauben, dass sich die deutsche Bankenhauptstadt ausreichend für den Erhalt alter Häuser einsetzt. Quelle: dpa

Schächer, zugleich Vorsitzender der Fachgruppe Brandschutz in der Hessischen Ingenieurkammer, hat deshalb vor kurzem die Oberste Bauaufsicht aufgefordert, Prüfverfahren und Anwendungsvorschrift zu ändern. Aber er macht sich auch keine Illusionen - das kann Jahre dauern. Gebäudesanierern rät er deshalb, die Brandriegel - insbesondere zusätzlich einen Meter hoch unterm Dach - statt der üblichen zwanzig zu vergrößern. Alternativ sei eine Gebäudedämmung aus Mineralwolle in jedem Fall vorzuziehen. Im Brandfall würde die nur glimmen und die brennbaren Anteile lediglich verdunsten - mit weit weniger giftigen Stoffen, als der Qualm brennenden Polystyrols. Auch andere Faserstoffe würden nicht derart gut brennen wie EPS-Material.

Bauherren und Sanierer, die nun aber auf alternative Dämmstoffe wie Mineralwolle oder Faserplatten setzen, müssen deutlich höhere Kosten für die Wärmedämmung veranschlagen. Einer Untersuchung im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums zufolge können die Kosten für eine Mineralfaserdämmung pro Quadratmeter schnell 20 bis 40 Euro über denen einer typischen EPS-Dämmung liegen. Bei durchschnittlichen Zusatzkosten für eine energetische Optimierung einer ohnehin zu sanierenden Fassade von durchschnittlich 51 Euro pro Quadratmeter droht der Mehraufwand die Maßnahme endgültig unwirtschaftlich werden zu lassen.

Ist die Außenhülle eines Gebäudes zum Beispiel aus erhaltenswerten Backstein oder steht sogar unter Denkmalschutz, bleibt als Alternative für eine Wärmedämmung ohnehin nur das Aufbringen von Dämmstoffen in den Innenräumen. Architekt Fischer sieht in der Innendämmung sogar den überhaupt einzigen Weg, mittels Dämmung etwas Energie zu sparen. Eine Außendämmung hält er aus energetischen und bauphysikalischen Gründen ohnehin für Unfug. "Durch eine Außendämmung wird die Wärmegewinnung im Gebäude durch Sonneneinstrahlung verhindert, die Fassade kann die Sonnenwärme nicht mehr speichern. Studien haben bereits gezeigt, dass Häuser mit nachträglicher Außendämmung deshalb sogar mehr Heizenergie verbrauchen können als ungedämmte. Zugleich beschert eine Außendämmung zahlreiche neue Probleme, etwa durch die zusätzliche Brandgefahr, hohen Wartungs- und Pflegeaufwand, eindringende Feuchtigkeit in der Isolierschicht, Veralgung und Verschimmelung der Oberfläche, im Extremfall bis hin zum Schimmelpilz im Innenraum durch Feuchteeinwanderung aus durchnässter Außendämmung."

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