Laut Schächer nehmen die Brandgefahren der EPS-Dämmung mit steigender Dicke der Dämmschicht zu. Lange waren Dämmschichten bis zu einer Stärke von sechs Zentimetern üblich. Aber seit etwa fünf Jahren sei die Dämmung auf den Häusern mindestens zehn Zentimeter dick. "In Frankfurt waren sogar 22 Zentimeter dicke Platten auf der Fassade. Umgerechnet auf den Ölanteil im Polysterol entspricht das pro Quadratmeter Fassadendämmung viereinhalb Liter Öl, statt wie früher ein Liter Öl bei sechs Zentimeter Dämmschicht", sagt der Brandschutzexperte. "So viel Öl bekommt man nicht gelöscht, wenn es einmal brennt. Die Brandriegel werden einfach überlaufen. Das einzige, was den Brand in Frankfurt kontrolliert hat, war der Wind." Schächer geht wegen des Trends zu immer dickerer Wärmedämmung davon aus, dass die Zahl dramatischer Fassadenbrände weiter ansteigen wird.
Realitätsferne Prüfung
Die Dämmindustrie zieht sich darauf zurück, dass die Dämmstoffe den Vorschriften und Prüfnormen entsprechen und einer fortlaufenden Qualitätskontrolle unterliegen. Dabei werden auch die bestimmungsgemäßen Brandtests durchgeführt. Aber erhebliche Zweifel an der Tauglichkeit der Prüfnormen gibt es bereits seit einigen Berichten des NDR aus dem Jahr 2011. Ingenieur Schächer kann das bestätigen: "Die einschlägige Vorschrift ist abenteuerlich. Geprüft wird nur mit einer Dämmstoffdicke von sechs Zentimetern und einem 'bestimmungsgemäßen' Brand. Wie eine dickere Dämmschicht reagiert, wird nur rechnerisch ermittelt. Und typische Brandfälle wie etwa die brennende Mülltonne - also ein Brandherd außerhalb des Gebäudes - bleiben bei den Prüfungen außen vor. Dort geht es nur um Zimmerbrände, bei denen Flammen aus den Fenstern schlagen."
Schächer, zugleich Vorsitzender der Fachgruppe Brandschutz in der Hessischen Ingenieurkammer, hat deshalb vor kurzem die Oberste Bauaufsicht aufgefordert, Prüfverfahren und Anwendungsvorschrift zu ändern. Aber er macht sich auch keine Illusionen - das kann Jahre dauern. Gebäudesanierern rät er deshalb, die Brandriegel - insbesondere zusätzlich einen Meter hoch unterm Dach - statt der üblichen zwanzig zu vergrößern. Alternativ sei eine Gebäudedämmung aus Mineralwolle in jedem Fall vorzuziehen. Im Brandfall würde die nur glimmen und die brennbaren Anteile lediglich verdunsten - mit weit weniger giftigen Stoffen, als der Qualm brennenden Polystyrols. Auch andere Faserstoffe würden nicht derart gut brennen wie EPS-Material.
Bauherren und Sanierer, die nun aber auf alternative Dämmstoffe wie Mineralwolle oder Faserplatten setzen, müssen deutlich höhere Kosten für die Wärmedämmung veranschlagen. Einer Untersuchung im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums zufolge können die Kosten für eine Mineralfaserdämmung pro Quadratmeter schnell 20 bis 40 Euro über denen einer typischen EPS-Dämmung liegen. Bei durchschnittlichen Zusatzkosten für eine energetische Optimierung einer ohnehin zu sanierenden Fassade von durchschnittlich 51 Euro pro Quadratmeter droht der Mehraufwand die Maßnahme endgültig unwirtschaftlich werden zu lassen.
Ist die Außenhülle eines Gebäudes zum Beispiel aus erhaltenswerten Backstein oder steht sogar unter Denkmalschutz, bleibt als Alternative für eine Wärmedämmung ohnehin nur das Aufbringen von Dämmstoffen in den Innenräumen. Architekt Fischer sieht in der Innendämmung sogar den überhaupt einzigen Weg, mittels Dämmung etwas Energie zu sparen. Eine Außendämmung hält er aus energetischen und bauphysikalischen Gründen ohnehin für Unfug. "Durch eine Außendämmung wird die Wärmegewinnung im Gebäude durch Sonneneinstrahlung verhindert, die Fassade kann die Sonnenwärme nicht mehr speichern. Studien haben bereits gezeigt, dass Häuser mit nachträglicher Außendämmung deshalb sogar mehr Heizenergie verbrauchen können als ungedämmte. Zugleich beschert eine Außendämmung zahlreiche neue Probleme, etwa durch die zusätzliche Brandgefahr, hohen Wartungs- und Pflegeaufwand, eindringende Feuchtigkeit in der Isolierschicht, Veralgung und Verschimmelung der Oberfläche, im Extremfall bis hin zum Schimmelpilz im Innenraum durch Feuchteeinwanderung aus durchnässter Außendämmung."