Tool der Woche Perfekter Mieter gesucht

Die Wohnungssuche wird vielerorts immer schwieriger. Wohnraum fehlt, das Interesse jedoch steigt. Jeden Tag folgt ein Schaulaufen für zig Mietinteressenten. Am Ende gewinnt nur einer: der perfekte Mieter.

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Die Preise in München sind für viele nicht nur unbezahlbar, sie haben auch eine unmittelbare Wirkung auf die umliegenden Städte. Quelle: dpa

Düsseldorf „Habe mich eben auf fünf Anzeigen gemeldet. Alle nur per E-Mail oder Chiffre, weil nirgendwo eine Nummer angegeben war. Außerdem haben wir heute mal wieder eine Selbstauskunft ausgefüllt und versendet. Damit geben wir alle unsere Daten preis. Oft bekommt man nicht mal auf solche Mails eine Rückmeldung, obwohl man sich die Mühe macht.“ Ein Protokoll der Hilflosigkeit auf „fudder“, dem Online-Portal der „Badischen Zeitung“. Es dokumentiert Tag zwei im zweiten Jahr der Wohnungssuche einer verzweifelten jungen Frau, die zusammen mit ihrem Partner eine Bleibe in Freiburg sucht.

Der Frust sitzt tief bei Deutschlands Wohnungssuchenden – nicht nur in den sieben Metropolen von Hamburg im Norden, München im Süden und Berlin im Osten als Pendant zu Köln im Westen. Auch in Regionalzentren, erst recht, wenn sie angesagte Universitätsstädte sind wie Freiburg oder Regensburg, führt die Wohnungsnot zu verstopften Treppenhäusern, weil Massen von Menschen sich um eine einzige Wohnung bewerben.

Vermietet.de hat die eigenen Kunden gefragt, wie perfekte Mieter aussehen, und erfahren: Gesucht wird das „hundelose Paar“. Am liebsten nehmen die Hauseigentümer Paare (65 Prozent), allenfalls mit Kleintieren, vor Singles (59 Prozent) und Familien (47 Prozent) in ihre Wohnungen. Unbeliebt sind vor allem Wohngemeinschaften. Die wichtigsten weiteren Kriterien sind Einkommen, Sympathie und die Vorlage der typischen Dokumente wie Einkommensnachweis und Bonitätsauskunft von der Schufa.

Vermietet.de ist ein Start-up, das den klassischen Hausverwalter digital ersetzen soll. Der Vermieter erlaubt der Gesellschaft das Mitlesen der Transaktionen auf seinem Konto. Auf diesem Weg prüft vermietet.de, ob die Miete pünktlich gezahlt wird, schreibt, wenn nötig, Zahlungserinnerungen, erstellt Nebenkostenabrechnungen und bereitet die Steuererklärung des Vermieters vor.

Vier von fünf Vermietern bieten ihre Wohnungen über Online-Plattformen an oder hören sich bei Bekannten nach Mietern um (46 Prozent), ergab die Umfrage bei vermietet.de, an der 246 Hausbesitzer teilnahmen. Tipps, wie sich Mieter optimal präsentieren, gibt es auch bei Vermittlungsportalen, etwa bei Immobilienscout24. Der größte digitale Immobilienanzeigenmarkt bietet standardisierte Bonitätschecks oder hilft, digitale Bewerbungsmappen zu erstellen. Miet- und Kaufpreise für Immobilien in einzelnen Regionen können Sie mithilfe des interaktiven Immobilien-Wertfinders des Handelsblatts identifizieren.

Einen ähnlichen Service verkauft Faceyourbase. Der Dienstleister erstellt Mieterprofile und verspricht Vermietern eine Vorauswahl potenziell geeigneter Mieter zu erstellen, sodass sie nicht unzählige Anfragen beantworten müssen. Letzteres geschieht in der Praxis wohl ohnehin nicht, wenn man dem anonymen Erfahrungsbericht aus Freiburg glaubt.

Doch keines der Serviceangebote ändert etwas daran, dass es in Deutschland an Wohnraum mangelt. Seit der Flüchtlingsstrom abgeebbt ist, wurde zwar die Bedarfsprognose von 500.000 auf 400.000 neue Wohnungen pro Jahr reduziert. Doch gebaut wurden 2016 lediglich 278.000. Weil auch die Zahl der Baugenehmigungen mit 375.000 Einheiten unter dem Bedarf blieb, wird sich an der Wohnungsknappheit nichts ändern – zumal die Baugenehmigungen inzwischen schon wieder zurückgehen. In den ersten acht Monaten dieses Jahres waren es knapp 230.000, im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit mehr als 245.000.


Preise steigen, vor allem im Umland

Über die Konsequenz berichten die Wohnungsmarktreports der Immobilienmarktforscher mit wenigen Tagen Abstand immer wieder das Gleiche: Mieten und Preise steigen. Und weil das schon seit ein paar Jahren so geht, werden auch regelmäßig Vorjahresrekorde gebrochen. Die wenigen Ausnahmen von dieser Regel treffen auf Orte zu, in denen mehr Menschen weg- als zuziehen, auf ländliche, strukturschwache Regionen im Osten wie im Westen.

Diese Ausnahmen sorgen dafür, dass die Mietanstiege über das gesamte Land gesehen im Schnitt harmlos klingen. Laut einem der jüngsten Wohnungsmarktreports, erstellt von F+B Forschung + Beratung, kletterten die Neuvertragsmieten in den vergangenen Monaten in Deutschland im Schnitt um 10,9 Prozent, die Bestandsmieten nur um 5,2 Prozent. Städte mit den höchsten Mieten sind allein vier Gemeinden aus dem Münchener Speckgürtel. F+B untersucht im Vierteljahresabstand die Mietentwicklung in den rund 500 deutschen Städten mit mehr als 25.000 Einwohnern.

Doch dort, wo es eng wird, gehen die Mieten ganz anders ab, nicht nur in Metropolen. Zu den 50 teuersten Städten in Deutschland zählen inzwischen Kleinstädte wie Hofheim und Kelkheim, die beide zwischen Frankfurt und Taunus liegen. Und im Ein-Jahres-Vergleich Ende September waren es auch kleine bis mittelgroße Kommunen unter diesen ohnehin schon teuren Städten, die die höchsten Mietsteigerungen erlebten. Ganz vorn stand Lörrach im Dreiländereck Deutschland, Schweiz, Frankreich, mit einem Plus von 7,3 Prozent. Über fünf Prozent stiegen die Mietforderungen auch in Kornwestheim, Leonberg und Ostfildern, allesamt Umlandgemeinden von Stuttgart. Im Kessel von Stuttgart ist der Preisdruck auf dem Wohnungsmarkt inzwischen so groß, dass die Menschen ins Umland ausweichen und dort die Mieten überdurchschnittlich hochziehen.

Kein neues Phänomen. München ist nicht nur die teuerste Wohnstadt Deutschlands mit Neuvertragsmieten von im Schnitt 13,30 Euro pro Quadratmeter im dritten Quartal, 2,70 Euro mehr als in Stuttgart. Die permanenten Mieterhöhungen treiben Münchener ins Umland. Sie nehmen lange Anfahrtszeiten zum Arbeitsplatz in Kauf und erleben, wie selbst dort die Mieten auf ein weit überdurchschnittliches Niveau steigen. Nach wie vor ist auffällig, dass das Leben in sehr vielen Provinz-Metropolen wesentlich teurer ist als in Berlin. In der Hauptstadt verlangen Vermieter bei Vertragsneuabschlüssen zurzeit im Schnitt 8,20 Euro pro Quadratmeter. Damit fällt Berlin im Mietvergleich nicht einmal unter die teuersten 100 Städte.

Dass Deutschland mehr Wohnungen braucht, wissen auch die Politiker. Die Partner einer möglichen Jamaika-Koalition haben das Ziel, für ausreichend und bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Doch das wollte auch die schwarz-rote Vorgängerregierung bereits. Das Ziel wurde verfehlt. Bezahlbar sollte Wohnraum dank der Mietpreisbremse bleiben. Die untersagte es Hauseigentümern bei Wiedervermietung die Miete so stark anzuheben, dass die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als zehn Prozent überschritten wird. Verstöße gegen dieses Gesetz wurden praktisch nicht geahndet.

„Wir begrüßen, dass die Parteien die Mietpreisbremse auf den Prüfstand stellen wollen“, sagt Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses über die Sondierungsgespräche der Koalitionäre in spe. Dass die Mietpreisbremse nach Prüfung verschärft wird, wie es die SPD vor der Wahl forderte, ist ganz gewiss nicht zu erwarten. Den starken Anstieg der Mieten hat sie in ihrer aktuellen Fassung nicht verhindert. Das haben mehrere Untersuchungen ergeben.

Bis verschiedene Maßnahmen wirken, sofern sie beschlossen werden, fließt in Freiburg noch viel Wasser die Dreisam herunter. Der vor wenigen Tagen der Verzweiflung nahen Freiburgerin können Maßnahmen wie Neubauförder-Programme nicht mehr helfen. Sie müssen es auch nicht mehr. Nach langer Suche hat sie Glück gehabt: Gemeinsam mit ihrem Partner, ohne Kind und ohne Hund, hat sie inzwischen eine Wohnung gefunden.

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